VIII Vorwort.
anderer Bände besteht in einem kurzen, nicht immer zutreffenden, oft irreführenden Titel. Von einer eingehenden Be-
handlung der Sammelbände konnte, dem Zwecke des sonst so dankenswerthen Verzeichnisses entsprechend, gar
nicht die Rede sein1).
Unsere altdeutschen Handschriften, mögen dieselben nun, nach meiner Vermuthung, im Schlosse oder auf
den Emporen der Heilig-Geistkirche gestanden haben, bilden als Sammlung für sich ein in sich abgeschlossenes,
einheitliches, kulturhistorisches Denkmal der vornehmen literarischen und künstlerischen Neigungen und Bestrebungen
eines deutschen Fürstengeschlechtes. Mit dem geistigen Leben der Universität hat diese Sammlung nichts zu thun.
Wie anders der Charakter der in vorliegendem Bande bearbeiteten Handschriften des XVI. und XVII. Jahr-
hunderts! Auch sie weisen in ihrer Herkunft und ihrer Bestimmung mehr auf den Hof, den Staat und die Ver-
waltung, als auf die Universität. Aber jeder einheitliche Zusammenhang fehlt ihnen, von verschiedenen Orten und
Enden haben sie sich zusammengefunden. Viele dieser Handschriften haben überhaupt niemals die Ehre gehabt,
Bestandtheile einer Bibliothek zu sein. Zahlreiche Bände, die heute Namen und Nummer eines Codex Palatinus
Germanicus tragen, sind sogar auf fremdem Boden erst das geworden, als was sie heute äusserlich sich darstellen.
Die Pfalzgrafen und Pfalzgräfinnen nicht allein, auch der einstige Bibliothekarius der Palatina, Janus Gruter und
seine ganze Verwandtschaft, und mit ihr so Viele, die bei Hofe hantirten, aus und ein gingen, vom Haushofmeister
bis herab zum kunstfertigen Hof Schneider, halbgelehrten Hof barbier und zum Küchenschreiber, wären heute erstaunt,
manch' alte Bekannte aus ihrer einstigen Umgebung, mitten in der Gelehrsamkeit einer grossen Bibliothek
wiederzusehen. Doch ein Gemeinsames verbindet dieses bunte Durcheinander: die Spuren des Krieges, der
Plünderung und Verwüstung ruhen auf diesen Bänden, die als Bruchstücke, Reste und Fetzen verschiedenartigster
Bestandtheile im Jahre 1623 nach Rom gewandert und in wohlbekannten Pergamentdecken, mit goldenen Nummern
versehen, als Codices Palatini im Jahre 1816 wiederum nach Hause zurückgekehrt sind. Schon die Nummern 8,
809, 834 und 839, um nur Einiges hervorzuheben, sind dafür ein interessantes Beispiel. Was hat sich hier nicht
Alles zusammengefunden, ist hier nicht Alles zusammengebunden! Mitten unter den bruchstückartigen, einem jeden
Besucher der deutschen Archive sattsam bekannten Akten über die dänisch-pfälzische Frage und Christian's IL
Schicksal: Briefschaften über die pfälzische Politik während des ganzen 16 Jahrhunderts, Reste von Berichten
aus der Staats-, Hof- und Kirchenverwaltung, devote Huldigungsgedichte und Totenklagen, vermischt mit frommen,
von Johann Casimir's Frau geschriebenen Gebeten und zahlreichen medizinischen, nicht immer einladenden Haus-
mitteln. Unter Futterzetteln des pfälzischen Marstalls und Notizen über Alles, was ein glücklicher Jagdtag an
Beute in die Küche geliefert, was bei Hofe an einem Tage getrunken worden ist: werthvolle Instructionen für jenen
Hofbuchbinder, der uns für alle Zeiten Ott-Heinrich's einstiges Besitzthum auf seinen Büchern kenntlich gemacht hat.
Abrechnungen Friedrich's III. mit seinem Hofgoldschmied haben sich mit zwei Briefen zusammengefunden, die
Gustav Adolf von Schweden und der Pfälzer Friedrich V. in glücklichen Jugendtagen gewechselt. Dazu kommen
zahlreiche mitgebundene Reste Fugger'scher Familienpapiere, ganze Stücke des Gruter'schen Haushalts von
Briefen an die Verleger bis herab auf längst bezahlte Rechnungen der Hausfrau, die sich, jetzt Theile pfälzischer
Handschriften, aus der furchtbaren Katastrophe des Jahres 1622 in die Gegenwart herüber gerettet haben. Keines
dieser erwähnten Stücke hat jemals in alter Zeit eine Bibliothek geschaut. An Inhalt oft werthlose Fetzen Papier !
Und doch die geringsten darunter erzählen uns in ihrer Umgebung ein ganzes Stück heimathlicher Geschichte.
Ganze Scenen und Bilder steigen aus diesem bunten Durcheinander von Papierresten vergangener Tage hervor,
trübe und düster, aber so lebendig, wie keine Darstellung des grossen Krieges und der Plünderung Heidelbergs im
Jahre 1622 zu fassen und wiederzugeben vermag. Auch Janus Gruter, der als Bibliothekar der Palatina seit 1602
die Schätze der weltberühmten Sammlung verwaltet und ihre Wegführung überlebt hat, schildert uns in ergreifender
Weise die Eindrücke bei seiner Rückkehr nach Heidelberg2), wo sein eigener Besitz ein Opfer des Krieges
geworden war. Durch seinen Bibliotheksdiener Caspar Schedius hat er, die künftigen Ereignisse nicht ahnend,
einen Theil seiner grossen, im Laufe von dreissig Jahren gesammelten Bibliothek, darunter werthvolle Handschriften
und die Früchte seiner eigenen gelehrten Arbeit, in die Heilig-Geistkirche bei der Palatina in Sicherheit bringen lassen.
Mit den Bänden der pfälzischen Bibliothek ist dann Gruter's literarischer Besitz von hier aus auf ausdrücklichen
Befehl des Papstes^) hinweggeführt worden. Aber auch sein Haus ward gleich beim ersten Ansturm der Baiern
') Man vergleiche z. B. bei Wilken S. 542 »Allerley Eingaben an die Pfalzgrafen und Schriften der Pfälzischen
Kanzlei« mit dem thatsächlichen Inhalt dieser Handschrift, 839.
2) Briefe G. M. Lingelsheim's, M. Bernesger's und ihrer Freunde. Hrg. v. Alexander Reifferscheid, 122, 12ff., 115, 20 fi,
118. 17 ff., 123, 18 ff., 128, 22 ff, 166, 35 ff, 167, 32 ff.
3) Unice scire averem cur ita pontifex peculiari scripto iussit mea transferri Romam. An Zinkgref. Pascha 1625.
Reifferscheid nr. 167, 41 ff.
anderer Bände besteht in einem kurzen, nicht immer zutreffenden, oft irreführenden Titel. Von einer eingehenden Be-
handlung der Sammelbände konnte, dem Zwecke des sonst so dankenswerthen Verzeichnisses entsprechend, gar
nicht die Rede sein1).
Unsere altdeutschen Handschriften, mögen dieselben nun, nach meiner Vermuthung, im Schlosse oder auf
den Emporen der Heilig-Geistkirche gestanden haben, bilden als Sammlung für sich ein in sich abgeschlossenes,
einheitliches, kulturhistorisches Denkmal der vornehmen literarischen und künstlerischen Neigungen und Bestrebungen
eines deutschen Fürstengeschlechtes. Mit dem geistigen Leben der Universität hat diese Sammlung nichts zu thun.
Wie anders der Charakter der in vorliegendem Bande bearbeiteten Handschriften des XVI. und XVII. Jahr-
hunderts! Auch sie weisen in ihrer Herkunft und ihrer Bestimmung mehr auf den Hof, den Staat und die Ver-
waltung, als auf die Universität. Aber jeder einheitliche Zusammenhang fehlt ihnen, von verschiedenen Orten und
Enden haben sie sich zusammengefunden. Viele dieser Handschriften haben überhaupt niemals die Ehre gehabt,
Bestandtheile einer Bibliothek zu sein. Zahlreiche Bände, die heute Namen und Nummer eines Codex Palatinus
Germanicus tragen, sind sogar auf fremdem Boden erst das geworden, als was sie heute äusserlich sich darstellen.
Die Pfalzgrafen und Pfalzgräfinnen nicht allein, auch der einstige Bibliothekarius der Palatina, Janus Gruter und
seine ganze Verwandtschaft, und mit ihr so Viele, die bei Hofe hantirten, aus und ein gingen, vom Haushofmeister
bis herab zum kunstfertigen Hof Schneider, halbgelehrten Hof barbier und zum Küchenschreiber, wären heute erstaunt,
manch' alte Bekannte aus ihrer einstigen Umgebung, mitten in der Gelehrsamkeit einer grossen Bibliothek
wiederzusehen. Doch ein Gemeinsames verbindet dieses bunte Durcheinander: die Spuren des Krieges, der
Plünderung und Verwüstung ruhen auf diesen Bänden, die als Bruchstücke, Reste und Fetzen verschiedenartigster
Bestandtheile im Jahre 1623 nach Rom gewandert und in wohlbekannten Pergamentdecken, mit goldenen Nummern
versehen, als Codices Palatini im Jahre 1816 wiederum nach Hause zurückgekehrt sind. Schon die Nummern 8,
809, 834 und 839, um nur Einiges hervorzuheben, sind dafür ein interessantes Beispiel. Was hat sich hier nicht
Alles zusammengefunden, ist hier nicht Alles zusammengebunden! Mitten unter den bruchstückartigen, einem jeden
Besucher der deutschen Archive sattsam bekannten Akten über die dänisch-pfälzische Frage und Christian's IL
Schicksal: Briefschaften über die pfälzische Politik während des ganzen 16 Jahrhunderts, Reste von Berichten
aus der Staats-, Hof- und Kirchenverwaltung, devote Huldigungsgedichte und Totenklagen, vermischt mit frommen,
von Johann Casimir's Frau geschriebenen Gebeten und zahlreichen medizinischen, nicht immer einladenden Haus-
mitteln. Unter Futterzetteln des pfälzischen Marstalls und Notizen über Alles, was ein glücklicher Jagdtag an
Beute in die Küche geliefert, was bei Hofe an einem Tage getrunken worden ist: werthvolle Instructionen für jenen
Hofbuchbinder, der uns für alle Zeiten Ott-Heinrich's einstiges Besitzthum auf seinen Büchern kenntlich gemacht hat.
Abrechnungen Friedrich's III. mit seinem Hofgoldschmied haben sich mit zwei Briefen zusammengefunden, die
Gustav Adolf von Schweden und der Pfälzer Friedrich V. in glücklichen Jugendtagen gewechselt. Dazu kommen
zahlreiche mitgebundene Reste Fugger'scher Familienpapiere, ganze Stücke des Gruter'schen Haushalts von
Briefen an die Verleger bis herab auf längst bezahlte Rechnungen der Hausfrau, die sich, jetzt Theile pfälzischer
Handschriften, aus der furchtbaren Katastrophe des Jahres 1622 in die Gegenwart herüber gerettet haben. Keines
dieser erwähnten Stücke hat jemals in alter Zeit eine Bibliothek geschaut. An Inhalt oft werthlose Fetzen Papier !
Und doch die geringsten darunter erzählen uns in ihrer Umgebung ein ganzes Stück heimathlicher Geschichte.
Ganze Scenen und Bilder steigen aus diesem bunten Durcheinander von Papierresten vergangener Tage hervor,
trübe und düster, aber so lebendig, wie keine Darstellung des grossen Krieges und der Plünderung Heidelbergs im
Jahre 1622 zu fassen und wiederzugeben vermag. Auch Janus Gruter, der als Bibliothekar der Palatina seit 1602
die Schätze der weltberühmten Sammlung verwaltet und ihre Wegführung überlebt hat, schildert uns in ergreifender
Weise die Eindrücke bei seiner Rückkehr nach Heidelberg2), wo sein eigener Besitz ein Opfer des Krieges
geworden war. Durch seinen Bibliotheksdiener Caspar Schedius hat er, die künftigen Ereignisse nicht ahnend,
einen Theil seiner grossen, im Laufe von dreissig Jahren gesammelten Bibliothek, darunter werthvolle Handschriften
und die Früchte seiner eigenen gelehrten Arbeit, in die Heilig-Geistkirche bei der Palatina in Sicherheit bringen lassen.
Mit den Bänden der pfälzischen Bibliothek ist dann Gruter's literarischer Besitz von hier aus auf ausdrücklichen
Befehl des Papstes^) hinweggeführt worden. Aber auch sein Haus ward gleich beim ersten Ansturm der Baiern
') Man vergleiche z. B. bei Wilken S. 542 »Allerley Eingaben an die Pfalzgrafen und Schriften der Pfälzischen
Kanzlei« mit dem thatsächlichen Inhalt dieser Handschrift, 839.
2) Briefe G. M. Lingelsheim's, M. Bernesger's und ihrer Freunde. Hrg. v. Alexander Reifferscheid, 122, 12ff., 115, 20 fi,
118. 17 ff., 123, 18 ff., 128, 22 ff, 166, 35 ff, 167, 32 ff.
3) Unice scire averem cur ita pontifex peculiari scripto iussit mea transferri Romam. An Zinkgref. Pascha 1625.
Reifferscheid nr. 167, 41 ff.