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Deutsches Archäologisches Institut [Editor]
Antike Denkmäler (Band 2) — Berlin, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.655#0012
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zartestem Alter, darüber der Mann und neben ihm ein etwas
älteres kleines Mädchen. Die Mumien der Mutter und ihrer Klei-
nen trugen auf Leinwand gemalte Porträts, während die beiden
anderen vergoldete Masken in dem oben gedachten halb griechi-
schen Stil hatten. Die beiden Mumien mit den gemalten Bildnissen
sind hier als Abb. i, die beiden Masken als Abb. 2 u. 3 abgebil-
det. Zu Häupten der Mutter stand ein kleiner roher als Abbil-
dung 4 abgebildeter Grabstein mit der Aufschrift AAINHIIHK AIT€-
NCüC I HPCÜAOYXPHC | THXAlPenOAAA I €TOYCIA€L! AA€COPHZ.
Danach stellt also unser Bild eine Frau Aline, zubenannt Te-
nos, vor, die im ioten Jahre eines Kaisers (also etwa 127, 148
oder 171 n. Chr.) am 7ten Mesore im Alter von 35 Jahren
verstarb. Welchem Theil der arsinoitischen gemischten Bevöl-
kerung sie angehörte, ist aus den Namen nicht zu ersehen, denn
weder Aline noch Tenos sind sonst zu belegen.

Adolf Erman.

Ueber die Technik des schönen Bildes, wie über die der
übrigen, nicht wie das unsere auf Leinwand, sondern auf Holz
gemalten, verdanken wir Herrn (X Donner-von Richter die
folgenden Bemerkungen:

Dafs die Malerei bei den auf Holz gemalten Bildern auf die
0,001—0,005 dicken Tafeln ohne jegliche vorhergegangene Grun-
dirung aufgetragen wurde, hat seinen Grund darin, dafs die hierzu
verwendete, kalte, consistente Wachsfarbe eine dem weichen Thone
oder dem Modellirwachse der Bildhauer ähnliche Beschaffenheit
hatte und deshalb nicht mit dem nachgiebigen Pinsel aufgetragen
werden konnte. Man mufste sich zum Aufstreichen derselben viel-
mehr eines harten Instrumentes, des Cestrum oder Verriculum
(Plin. XXXV 149) bedienen, vermittelst dessen man die farbigen
Wachspasten neben- und ineinander streichen, schieben und drücken
konnte, eines Instrumentes, welches einzelnen der von den Bildhauern
benutzten Modellirwerkzeugen, oder den antiken lanzettförmigen
Pflaster-Streichspaten, sehr ähnlich ist (Vgl. O. Donner, Die erhalte-
nen antiken Wandmalereien, Leipzig 1869, S. 16; O. Donner-von
Richter, Ueber Technisches in der Malerei der Alten, insbesondere
in deren Enkaustik. München 1885, S. 36, 37, 40.). Bei dieser
Behandlungsweise war eine widerstandsfähige Unterlage, wie die
Holztafel sie bietet, durchaus nöthig.

Dagegen bietet bei einer Malerei, welche mit dem Pinsel
ausgeführt wird, der nur leicht und elastisch die zu bemalende
Oberfläche berühren darf, wie bei der Wasser-, der Tempera-
farben-Malerei und bei der den Alten unbekannten Oelfarbe,
eine festgespannte Leinwand hinreichenden Widerstand, wenn
auch für diese Techniken die Holztafel wegen ihrer geringeren
Verletzbarkeit schon von den Alten vorgezogen wurde (Plinius
XVI 187). Daher finden wir auch unter den Graf sehen und
Flinders Petrie'schen Porträts alle jene, welche a temperet ge-
malt sind, d. h. mit Farben, bei welchen dem rohen Farb-
stoffe irgend ein Bindemittel hinzugesetzt ist, auf Holztafeln aus-
geführt. Da aber bei wässrigen Bindemitteln das natürlich be-
lassene Holz einestheils die Feuchtigkeit zu rasch einsaugen und
dadurch die Behandlung der Farbe erschweren, anderntheils zu
viel Feuchtigkeit aufnehmen und dadurch dem Werfen ausgesetzt
sein würde, so fand man das Auskunftsmittel, diese Mifsstände
durch eine rasch erhärtende, aus Kreide und Leim, oder aus
gebranntem Gips und Leim, bestehende, mehr oder minder dick
auf die Tafel getragene Grundirung, von Plinius cretula genannt,
zu verhindern (Plinius XXXV 49). Noch gröfsere Sicherheit bietet
es aber, wenn man die Holztafel zuerst mit einer Leinwand be-
klebt und auf diese die Grundirung aufträgt, weil hierdurch bei
etwaigem Springen des Holzes der Rifs sich nicht in die Malerei
übertragen kann. Auch diese Methode finden wir in beiden ge-
nannten Sammlungen vertreten.

Das auf unserer Tafel wiedergegebene Porträt dagegen ist
wie auch die auf S. 1 abgebildeten der beiden Töchterchen
der Frau Aline nicht auf eine Holztafel, auch nicht — wie
vereinzelte Beispiele gefunden wurden — auf eine die ganze

Mumie umhüllende, mit Kreide grundirte Leinwand gemalt, son-
dern auf ein Stück nicht grundirter Leinwand, welches
über dem Gesichte der Mumie in eine Bindenumrahmung ein-
gefügt war.

Höchst überraschend ist die ganze Erscheinung dieser Lein-
wand-Temperamalerei, welche sich dem Techniker zwar als solche
durch die Pinselbehandlung sofort charakterisirt, dem Nichtkenner
aber wie eine mit dünner Oelfarbe auf ein starkes, dichtes Lein-
wandgewebe aufgetragene, moderne Malerei erscheinen mufs.
Der Maler wufste sich offenbar ein ganz vorzügliches, ziemlich
consistentes Bindemittel zu bereiten, — muthmafslich aus Eigelb
und Feigenmilch —, welches so lange nafsbleibend war, dafs es
ihm gestattete mit breitem, weichem Pinsel die Haupt-Licht-, Mittel-
und Schattentöne anzulegen, ineinander gut zu verschmelzen und
dadurch die plastische Erscheinung des Kopfes im grofsen Ganzen
herzustellen. Von da ab zeigt sich aber in der Behandlung klar
der Unterschied zwischen Oel- und Temperafarbe; denn während
erstere leicht so lange nafs erhalten werden kann, dafs sie in
diesem Zustande die Vollendung der Arbeit gestattet, so hilft sich
zu diesem Zwecke der Maler bei der rascher trocknenden Tempera-
farbe dadurch, dafs er, namentlich wenn er sein Werk möglichst
rasch fördern will, mit spitzem, leichtgeführtem Pinsel die breit
angelegten Haupttöne theils durch hellere oder intensivere Schraf-
firungen (franz. kackures; engl, katchings) belebt und bereichert,
theils sie durch dunklere in Kernschatten und Tiefen, auch in den
Augenbrauen, verstärkt. Er entgeht dadurch nicht nur der Ge-
fahr, die bereits erreichte Verschmelzung und Rundung der Farb-
töne durch erneutes Eingreifen mit breitem Pinsel wieder zu ver-
derben, vielmehr fügt er durch solche sicher hingesetzte Striche
dem Werke den Reiz einer geistvollen Handzeichnung hinzu.

Diese Behandlungsweise ist in dem Porträt der Frau Aline
mit gröfster Eleganz und Meisterschaft gehandhabt. Wir sehen
jedoch in interessantester Weise an den gleichfalls auf nichtgrun-
dirte Leinwandstücke und mit ähnlichem Bindemittel gemalten
Porträts der Töchterchen das Bestreben hervortreten, der natür-
lichen Erscheinung der Carnation noch näher zu kommen, indem
der Künstler, zweifelsohne ein andrer als der, welcher das Bild der
Mutter malte, das Hinzufügen der Schraffirungen ganz vermied
und sich bemühte, Colorit und Rundung nur durch die Verschmel-
zung der Farbtöne mit breitem Pinsel zu erreichen. Wenn wir
uns letzteres Verfahren in der alten Kunst bei Staffeleigemälden
angewendet denken, auf welche der Künstler seine ganze Kraft
und die ganze Subtilität seines Könnens verwendete, so geben
uns diese Porträts die anschaulichste Vorstellung von der äufseren
technischen Erscheinung der berühmten Werke hellenistischer
Tafelmalerei.

Betrachten wir jene drei Bildnisse nur von dem coloristischen
Standpunkte aus, so erkennen wir bei dem Autor des Bildes
der Mutter einen weit feiner entwickelten Farbensinn, vermöge
dessen er den brünetten Localton des Fleisches in den zurück-
weichenden Mittel- und Schattentönen fein und richtig zu brechen
verstand, wie dies die grofse Meisterschaft der alten venezia-
nischen Coloristen ist, während der Maler der Kinderporträts,
welche beide von einer und derselben Hand herzurühren schei-
nen, zwar die natürliche Carnation, die rosigere bei No. 11412,
links auf S. 1, und die olivatre bei No. 11413 richtig aufzufassen
wufste, aber über die einfache Variation dieses Localtones nur
wenig hinauskam.

Ein Umstand verdient aber hier noch ganz besondre Be-
achtung. Alle bis jetzt mir bekannt gewordenen a tempera ge-
malten Mumienporträts sind vollständig frei von Firnissen oder
Ueberzügen aufgefunden worden, sind daher glanzlos, matt und
in der Farbenerscheinung nicht tief wirkend. Letzteres ist auch
der Fall bei den Bildnissen der Töchter der Frau Aline, nicht
aber bei ihrem eigenen, an welchem der tiefe, gesättigte, dem
Charakter der Oelfarbe sehr ähnliche Ton, und ein leichter Glanz
auffallen. Folgendes ergab sich mir als Ursache dieser Besonder-
heiten.

Die aus der griechisch-römischen Periode stammenden Porträt-
Mumien sind nicht mehr nach Art der älteren ägyptischen Mumien
mit bituminösen Stoffen einbalsamirt worden; vielmehr wurde nach
 
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