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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Antike Denkmäler (Band 2) — Berlin, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.655#0025
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TAFEL 28. ARCHAISCHE HYDRIA IN DEN K. MUSEEN ZU BERLIN.

Das Gefäfs, der Gattung der sogenannten Caeretaner Hy-
drien angehörig, wurde 1894 aus dem Besitze des Sindaco von
Cervetri erworben. Die Höhe beträgt 43 cm., der gröfste Um-
fang des Bauches unter den seitlichen Henkeln 1,02 m. Wenn
auch aus vielen Scherben zusammengesetzt, zeigt das Stück doch
keinerlei Übermalungen.

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Die Form des Gefäfses, welche der beistehende Zinkdruck
veranschaulicht, weicht in keinem wesentlichen Punkte von der-
jenigen der sonst bekannten Hydrien aus Caere ab*). Das Profil
der Mündung ist eckig und scharf geschnitten. Der geriefelte
verticale Henkel setzt mit einem Wulste an die Mündung an. Ein
kleiner Stab trennt Hals und Schulter. Der Ansatz der horizon-
talen Griffe zeigt keinerlei plastische Ausgestaltung. Der Über-
gang vom Bauche zum Fufse wird durch einen Ring hergestellt.
Die Fufsplatte ist, entsprechend dem Rande, scharf profilirt.

Die Eintheilung des malerischen Schmuckes lehnt sich eben-
falls eng an die bekannte Weise der Caeretaner Vasen an. Um
den inneren Rand der Mündung läuft ein Blattkranz, schwarz
grundirt, mit abwechselnd rot und weifs bemalten Blättern. Den
äufseren Rand ziert ein schwarz und rotes Flechtband. Die Vorder-
seite des Halses trägt ein reiches schwarz und rotes Lotossystem,
von zwei Rosetten eingeschlossen, wie beistehend abgebildet. Ein

:i:) Die wichtigsten Zusammenstellungen und Besprechungen dieser Vascnclasse finden sich
bei Dumont-Chaplain, les ceramiques de la Grece propre I. S. 2640"; Bulletin de eorr. Hell.
XVI 254fr. (Pottier); Athen. Mitth. 1894 S. 516 Anm. (Löschcke); Ephem. arc/i. 1886 S. 127
(Studniczka); Bullet. 1887 S. 64. 18SS S. 159 (DUmmler); Masner, Sammlung antiker Vasen
und Terracotten im k. k. Oesterr. Museum S. XIII.

gröfserer Blattkranz, in Form und Färbung dem oben genannten
ähnlich, fällt über die Schulter herab. Die Ansätze der Henkel an
dem Körper sind von Rosetten, deren Blätter abwechselnd rot und
weifs auf schwarz gemalt sind, umgeben. Die eigentliche Bildfläche
wird nach oben und unten hin durch einfache schwarze Streifen
begrenzt. Unter dem Bildfries umfafst ein rot und schwarz ge-
maltes Palmetten-Lotosband das Gefäfs. Von dem Fufsringe aus
erheben sich abwechselnd rote und schwarze Strahlen. Ein Blatt-
kranz endlich, in derselben Gliederung wie die vorigen, neigt sich
abwärts über die Wölbung des Fufses: Alles in Allem eine
äufserst fein abgewogene, vornehme und organische Decoration.
Unsere Tafel giebt zum ersten Male die Bilder einer Caere-
taner Hydria und die sie umschliefsenden ornamentalen Theile
mit genauester Beobachtung der Farbentöne wieder: Schwarz,
Rot und Weifs, letzteres fast ganz geschwunden, sind in reicher,
auf coloristische Wirkung hinzielender Weise verwendet.

Die Technik der Malerei ist folgende: zunächst ist die Zeich-
nung mit einem Griffel vorgedrückt, wovon zahlreiche Spuren
sichtbar sind, dann sind die Conturen mit bräunlichem Firnifs
flüssig ausgefüllt. Diejenigen Theile, welche schwarz erscheinen,
wurden wiederholt mit Firnifsfarbe übergangen. Rot und Weifs sind
anscheinend immer auf die schwarzbraune Untermalung aufgetragen.
Das Weifs war nicht pastos, sondern leicht — mit Pfeifenthon —
aufgesetzt. Sowohl der Körper des hinteren Pferdes als das
Fleisch der drei auf unserer Hydria dargestellten menschlichen
Figuren, ebenso der männlichen wie der weiblichen, zeigten sicher
ursprünglich eine weifse Färbung. Die eingeritzten Umrisse und
Innenlinien der Figuren sind nach dem Aufmalen ausgeführt; sie
gehen vielfach über die Farbe weg.

Dargestellt ist auf der Vorderseite der Hydria eine Wagen-
besteigung, auf der Rückseite eine Jagdscene. Auffällig ist, dafs
der Mann, welcher das Zweigespann lenkt, keinerlei Waffen trägt;
es scheint sich demnach eher um einen Rennwagen, als um
einen Kriegs- oder Jagdwagen zu handeln. Sehr eigenthümlich
erscheint die Form des Wagenstuhles und das achtspeichige
Rad. Ein neunspeichiges Rad findet sich auf einer Caeretaner
Vase jüngeren Stiles \Monumenti 1835 Taf. iS], ein sechs-
speichiges auf einem hethitischen Basrelief im Louvre, welches
Pottier im Bulletin XVI S. 260 erwähnt [vgl. Jahrbuch 1890 S. 147
Studniczka]. Das Motiv des vorgebeugten Kopfes bei einem der
beiden Rosse findet sich beispielsweise in dem Hydragiebel aus
Porosstein auf der Burg zu Athen \Ephem. 1884 Taf. 7]. Die
Jagdscene der Rückseite des Gefäfses bietet uns eines der präch-
tigsten Thierstücke archaischer Kunst: ein Löwe beifst einen
laut schreienden Maulesel in den Nacken.

Die Ornamente der Vase, die Tracht der Figuren, die
eigenthümliche Haarbehandlung {Colmunae caelatae von Ephesos,
Bronzereliefs aus Perugia Ant. Denkm. II 14, 15; Vasenscherben
aus Teil Defenneh a. a. O. 21), die Stilisirung der Thierkörper
und schliefslich das Thema der Löwenjagd selbst (wiederholt auf
einer Hydria unserer Gattung bei Dumont-Chaplain S. 266 No. 7;
Bulletin de corr. Hell. XVI S. 255 No. 17): das Alles weist auch
hier deutlich auf den ionischen Osten. Der Reihe der Caeretaner
Hydrien schliefst sich die neuerworbene des Berliner Museums als
eine der stilistisch reifsten, sorofältiesten und vollendetsten ihrer

Gattung an.
Rom.

P. Hartwig.

Antike Denkmäler 1895—98.
 
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