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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Antike Denkmäler (Band 3) — Berlin, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.1792#0036
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3o

brachen; die Modellierung der erhaltenen Teile der Nasenflügel
ist sehr gut. Der Mund ist horizontal geschnitten und beiderseits
an den Winkeln mit senkrechter, tiefer Furche begrenzt. Die
Lippen, deren untere leicht herunterhängt, sind ziemlich stark
und voll; die Oberlippe ist etwas kürzer. Das Kinn tritt weit
nach vorn vor; es ist schmal und kantig mit ganz leichter Ein-
tiefung in der Mitte. Die Stirn ist nicht sehr hoch und wird
durch das Haar genau bogenförmig umgrenzt, wodurch die beab-
sichtigte Rundung des Gesichtes noch mehr betont wird. Die
Ohren sitzen, wie bei gleichzeitigen Werken üblich, zu hoch und
zu weit hinten, sie sind aber sehr reich modelliert und gut gelungen.
Das Haar ist auf dem Schädel flach durch parallele, vom Wirbel
ausgehende • Wellenlinien dargestellt, welche vorn über der Stirn
in einen starken, aus vier Reihen kleiner, ornamentaler Spiral-
lockchen gebildeten Wulst enden; im Nacken lauft es beiderseits
in einen dicken, mit horizontalen Wülsten versehenen Zopf aus.
Das einzige Kleid, das kleine Mäntelchen, hängt gedoppelt in
schönen, aber zu regelmäßig gebildeten, wellig bewegten Falten
über dem Rücken; vorn war nur die Partie unmittelbar vor den
Schultern damit bedeckt, wie aus dem erhaltenen kleinen Teil vor
der rechten Schulter ersichtlich ist.

Im Gegensatz zu der bewegungsvollen Figur des Theseus ist
die Haltung der Antiope übermäßig ruhig. Sie hat den Arm mit
Vertrauen um den Nacken des schönen Helden gelegt und laßt
sich, wie es scheint, nicht unwillig von ihm forttragen. Ihre Beine
hängen geradeaus; das linke, bis unterhalb desKnies erhalten, sah
man in vollem Profil. Der Oberkörper ist hart und sehr gezwungen
nach der rechten Seite gedreht, wohin auch der vorgeneigte Kopf
gerichtet ist. Die Bewegung des linken Armes ist zum Teil nicht
mehr zu erkennen, der Oberarm ist gesenkt, aber schon er war
etwas unterhalb der Schulter vorgestreckt, da die unter der linken
Achsel der Amazone greifende Linke des Theseus von ihm nicht
mehr bedeckt war. Der rechte Arm des Madchens legte sich wahr-
scheinlich ganz auf Theseus, auf dessen linker Schulter das Mäntel-
chen deswegen abgearbeitet wurde. Der Kopf der Ama/one ist
leider durch Korrosion und Abstoßungen sehr beschädigt; man
erkennt aber gut, daß die Form in den Einzelheiten der des Theseus
ganz ähnlich war, nur der Ausdruck ist etwas weicher, was auch
durch die vollere, etwas rundere Bildung des untersten Gesichts-
teiles angestrebt wurde. Das reiche Haar ist beiderseits über der
Stirn in einen dicken, nach unten hängenden halbbogenformigen
Wulst gelegt, der aus vielen wellenförmig geteilten, horizontalen
Strähnen gebildet ist; die Scheitelung in der Mitte ist zwar sicht-
bar, aber durch keine Linie angedeutet, nach hinten setzte sich
das Haar über die Ohren fort und fiel in einem breiten, aus dickeren
welligen Strähnen bestehenden Schopf über den Nacken; auf dem
Schädel ist das Haar genau wie bei Theseus durch flache, wellen-
förmig vom Wirbel nach vorn und nach den Seiten ausgehende
Linien gebildet. Ein leicht konkaves Diadem schmückte den Kopf
der Amazone; um ihren Hals lag ein eng anliegendes, aus drei
Schnüren, deren mittlere die breiteste ist, bestehendes Halsband,
welches nur ganz links neben dem Hinterschopf und an einer
Stelle in der Mitte abgestoßen ist. Der Kopf war abgebrochen
und wurde wieder aufgesetzt, ist aber dabei um einige Millimeter
nach rechts gerückt.

Antiope trägt einen kurzen, mit Halbärmeln versehenen Chiton
aus ziemlich hartem Stoff mit rundem Halssaum; er reichte bis
zur Mitte der Oberschenkel, wo er in einer regelmäßigen Reihe
von parallelen Steilfalten auslief; die Faltenenden sind stark unter-
bohrt und verlaufen in einer fortgesetzten, dekorativ wirkenden
Wellenlinie. Über dem Chiton tragt sie einen glatten, faltenlosen
Koller mit bis etwas unter den Ellenbogen reichenden Armein;
auf dem nackten Rücken des Theseus ist unter dem Arm der
Amazone noch ein leicht gewelltes, rundes Faltenende erkennbar,
welches entweder von ihrem Koller oder vom Chitonärmel stammt.
Vom an der Brust ist der Koller stark dreieckig ausgeschnitten,
und man sieht dort ein großes Stück des darunter getragenen Chi-
tons. Der Koller war reich bemalt; noch heute erkennt man, be-
sonders bei Befeuchtung der Oberfläche, ein kompliziertes Maander-
muster am unteren Rande und Reste anderer Ornamente auf der
übrigen Fläche.

Wie bei archaischen Werken üblich, waren auch an dieser
Gmppe mehrere Teile besonders gearbeitet und angestückt. An
der rechten Schulter des Theseus war, wie man aus dem Rest der
dreieckigen Bearbeitung schließen kann, ein ziemlich großes Stück
besonders gearbeitet, ebenso die rechte Hand der Antiope; die
kleine Fläche am Ende des erhaltenen Teils des Armes ist glatt
bearbeitet zur Anstückung des übrigen Armteils; vom Dübelloch
(Tiefe 0,05, Durchm. 0,017) ist die Hälfte erhalten, sowie der zu
ihm von oben herab führende Gußkanal (0,03 lang). Ein Stiftloch
zur Anstückung von nicht mehr zu erkennenden Teilchen findet
sich zwischen den Brüsten der Antiope 0,02 weit vom Kopfe des
Theseus, ein zweites hart an dessen Kopf auf der linken Brust
des Madchens.

Die ganze Rückseite des Kopfes wie des Körpers der Antiope
ist nicht ausgearbeitet, zum Teil nur abbossiert; fast auf der ganzen
Rückfläche sind die Zahneisenspuren sichtbar. Vom Theseus ist
nur der Teil ganz links am Rücken unbearbeitet geblieben, das
jetzige schlechte Aussehen des übrigen Teils seiner linken Rücken-
partie ist zum großen Teil auf die Korrosion zurückzuführen, welche
durch den schlammigen Erdboden, in dem die Figuren zum Teil
lagen, verursacht wurde. Fast bis zum Ende der linken Schulter,
wo die Chlamys endet, setzt sich die feine, glatte Bearbeitung
fort. Dieses hilft zur Erkenntnis der Stellung der Gruppe in dem
Giebel; sie stand so, daß man den Oberteil der Antiope ganz von
vorne sah. Theseus' Gesicht war dabei ganz im Profil zu sehen,
sein Riicken war fast voll sichtbar. Bestätigt wird diese Stellung
der Figur durch die Richtung des großen Dubelloches, welches
zur Befestigung der Gruppe auf der Rückwand des Giebels diente.
Dieses ist an dem Kreuz der Frau angebracht (oben 0,12 und
unten 0,135 tief, ungefähr 0,08 breit, 0,07 hoch), zwei Gußkanäle,
in deren einem noch der Bleipfropfen erhalten ist, führen von den
Seiten zu ihm hinein. Da der Dübel gewiß in gerader Richtung
auf die Tympanomvand gefuhrt war, kann die Gruppe, nach der
Richtung des Loches zu urteilen, nur die oben angegebene Stel-
lung gehabt haben.

Tafel 29. Etwas größer im Maßstab als die Figuren der
Theseusgruppe ist der auf Taf. 29 abgebildete Torso der
Athena. Daß er auch zusammen mit jener Gruppe zum west-
lichen Giebel gehörte, beweist außer der Fundstelle die gleiche
Bearbeitung der Rückseite. Erhaltene Höhe 0,74, größte Breite
0,66.

Athena stand in voller Vorderansicht wohl in der Mitte des
Giebels. An der rechten Seite ist sie fast bis zur Hüfte erhalten,
etwas weiter hinunter reicht davor ein zum Teil frei hängendes
Stück des vertikal gefalteten Peplosendes. Der Kopf ist abge-
brochen; er war wohl ein klein wenig nach rechts gedreht, wie
aus der leichten Verschiebung der Locken auf der linken
Schulter zu schließen ist. Der rechte Arm war gebogen, gerade-
aus vorgestreckt, und hielt höchstwahrscheinlich die Lanze; der
Unterarm war gerade da, wo er aus dem Gewände hervortritt,
besonders gearbeitet und angestückt; die Anschlußflache ist gepickt,
und ein Loch (Durchm. 0,03, Tiefe 0,055) m ihrer Mitte, zu
welchem ein noch mit Blei gefüllter Gußkanal zwischen der zweiten
und dritthöchsten Schlange, hinter dem Arm beginnend, schräg
hinfuhrt, half zur Verdübelung des Armstückes. Der linke, wohl
den Schild tragende Arm war etwas nach der Seite gerichtet und
leicht gehoben, wie auch die linke Schulter ein klein wenig hoher
gestellt ist als die rechte. Auch vom linken Arme war der untere
nackte Teil, ungefähr vom Ellenbogen ab, angestückt; das Dubel-
loch, von dem etwas mehr als die Hälfte erhalten ist, führt etwas
schräg abwärts nach hinten, und ein Gußkanal (Lange 0,085) läuft
fast senkrecht von oben in ihn hinein.

1 )ie Göttin trug einen wollenen Chiton mit weit geöffnetem,
kurzem, steif vorstehendem Halsrande und mit bis zur Hälfte
des Armes reichenden, weiten, mit reichen Falten versehenen
Ärmeln; vom Chiton ist an der Brust nur ein kleiner Teil unter-
halb des Halses sichtbar, in doppelten, durch eine Furche getrennten
Zickzackfalten gegliedert. Über dem Chiton wurde der von beiden
Schultern herabfallende Mantel getragen, von dem man an der
rechten Seite der Brust ein kleines, umgebogenes Stuck mit weit
auseinander stehenden, nicht eben tiefen Wellenfalten sieht; außer-

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