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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Antike Denkmäler (Band 3) — Berlin, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.1792#0054
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48

Der kräftig gefügte Thron ist in Hol/ ausgeführt gedacht.
Das zeigen die hervorstehenden Zapfen, mit denen die Rückleiste
des Sitzrahmens durch die hinteren Thronbeine durchgesteckt er-
scheint; an beiden Vorderbeinen ist die entsprechende Stelle be-
schädigt, daher ist die gleiche Verzapfung für die Vorderleiste nur
noch zu vermuten, so wie sie schon an den Thronen der alten
Branchidenfiguren in London und Berlin zu beobachten ist. Die
Rücklehne verbreiterte sich etwas nach oben und hatte vermutlich
einen wagrechten Abschluß, an dem vielleicht die Horizontalleiste
ohrfbrmig über die aufsteigenden Rahmenschenkel überstand,
wie an den Terrakotten von der athenischen Akropolis (Winter,
Typenkatalog I S. 48, 1 und 2), oder sich mit ihnen kreuzte wie
an anderen Terrakotten aus Athen (Winter I S. 89, 1 und 2) und
aus vielen anderen Teilen Griechenlands, Kleinasiens und Italiens.
Diese obere Querleiste, die breiter ist als die seitlichen, war kraftig
unterschnitten wie die Nase eines
Geison, und die unterschrittene
Kante ist schräg abgestoßen, wo-
durch jetzt die Füllung der Rück-
lehne oben schräg begrenzt er-
scheint. Die ganze Lehne ist sanft
zurückgeneigt (Abb. 6), wie dies
für einen bequemen Stuhl not-
wendig ist. Zur Unterstützung
einer stolzen geraden Haltung
der Thronenden ist vor die Rück-
lehne ein hohes schmales Kissen
gestellt, das zugleich den Körper
vorteilhaft von der Lehne los-
löst. Der eigentliche Sitz be-
steht aus einem starken Rahmen
für ein Brett oder Flechtwerk, wor-
auf ein Kissen liegt, beiderseits
gehalten durch eine breite Leiste»
die auf den über das Sitzbrett
emporgeführten Kapitellen der
Thronbeine ruht; zwischen diesen
Leisten und der unteren Leiste
der Rücklehne oben und dem Sitz-
rahmen unten, die lauter ebene,
rechtwinkelig begrenzte Flachen
bieten, wölben sich die Seiten des
Kissens vor, ebenso an der Vorder-
seite zwischen den Beinen der Figur

und den Kapitellen der Thronbeine. Diese Kapitelle haben ionische
Formen, an der Vorderseite in zartestem Relief mit flach vertieften
Kanälen, an der Rückseite glatt, nur auf Bemalung berechnet. Unge-,
fähr in gleichem Abstand wie die das Kissen niederhaltenden Leisten
über demSitzbrett waren über ihnen Armlehnen angebracht, schlichte
Leisten von rechteckigem Querschnitt, deren vorderes Ende von unter-
geschobenen Stützen getragen war. Diese Stützen haben keinerlei An-
satzspur zurückgelassen, müssen aber nach dem für sie ausgesparten
Raum zu schließen ziemlich umfänglich gewesen sein; man wird am
ersten an sitzende Sphinxe zu denken haben. Dazu kam an derrechten
Seite noch eine zweite Stütze, der an der linken keine an gleicher
Stelle entsprochen haben kann, da der hier stärker zuruckwehende
Zipfel des Umschlagetuches dafür keinen Raum läßt. Sie war bei
der Auffindung der Statue noch vorhanden, wird als balusterformig
beschrieben, und dazu stimmen die kreisrunden Ansatzflachen von
6 cm Durchmesser, die sich auf der Oberseite der Seitenleiste
und auf der Unterfläche des abgebrochenen, aber noch erhaltenen
Lehnenstücks deutlich abzeichnen. Unterhalb des Sitzrahmens, wieder
ungefähr in gleichem Abstand, spannen sich dann noch an der
Vorderseite und den beiden Nebenseiten von Bein zu Bein dünne
Leisten zur Verstrebung, und der Raum zwischen ihnen und dem
Sitzrahmen ist durch glatte Füllbretter ausgefüllt, ein gleiches Brett
ist auch an der Rückseite, der Träger des Abb. 3 wiedergege-
benen Palmettenornaments, hoher als die Fullbretter an den drei
anderen Seiten, so daß seine Unterkante mit der der Verstrebungs-
leisten in gleicher Höhe liegt. Von da abwärts waren die Beine

als verhältnismäßig schwache Bohlen frei ausgearbeitet, in der
Mitte beiderseits tief eingekerbt, am oberen und unteren Ende
der Einkerbung mit kleinen Voluten verziert und in der Mitte des
dünneren Teils von einem Knauf umschlossen, der an dem einzigen
erhaltenen Bein fast ganz abgestoßen ist. Der Thron zeigt in
allen Teilen den Aufbau und die Formen, wie sie für Throne und
namentlich auch für Klinen auf Vasenbildern des siebenten bis fünften
Jahrhunderts vielfach begegnen 1), in der Plastik von den Thronen
des einen Porosgiebels auf der athenischen Akropolis (Wiegand,
Porosarchitektur Taf. VIII 2, S. 102 f. Abb. 103—105) und des
Harpyienmonuments bis zu der Kline von Pydna im Louvre
(Heuzey et Daumet, Mission arch^ologique de Mac^doine Taf.
20,1. Giraudon Phot. 1439) und der thronenden Kybele aus
Pergatnon in Berlin (Altertümer von Pergamon VII Taf. 12).

Die Fußbank ruht auf zwei brettformigen Beinen, deren Um-
riß in einer auf Raubtierbeine zu-
rückgehenden Form geschwungen
ist und ähnlich auf zahlreichen
attischen Grabreliefs des fünften
Jahrhunderts begegnet (z. B. Berlin
Nr. 1473. 755); eigenartig dagegen
und besonders schön ist die in der
Mitte sich schlank herabsenkende
Blutenspitze mit kurzen, symme-
trisch zurückgerollten Seitenranken;
der Grund darum war einst wohl
rot oder blau gefärbt; die Vorstufe
für diese Ornamentform darf man
in Lotosblumen der Art suchen,
wie sie auf caeretaner Hydrien,
chalkidischen Vasen und ionischen
Schalen besonders häufig sinda).
Die Vorderkante des Fußbretts
ziert ein glattes Kyma zwischen
zwei schmalen geraden Leisten,
was in der Form ungefähr der
zwischen den Leisten des Stuhl-
werks vortretenden W7ölbung des
Sitzkissens entspricht. Darunter ist,
weit zurücktretend und im Schatten
verschwindend, als Träger der
wirklichen Marmorlast ein schmuck-
loser Klotz stehen gelassen, wie
auch ein starker rechteckiger Werk-
block unter der Mitte des Sitzes stehen blieb zur Aufnahme des
Hauptgewichts, das auf den dünnen Thronbeinen nicht sicher
ruhen konnte.

Die dünne Plinthe folgt in ihrem Rande dem Umriß von
Thron und Schemel, so knapp, daß sogar für die Thronbeine
rundliche Auslegungen an den Ecken nötig waren. Die Seiten-
flächen sind rauh zugespitzt und etwas abgeschrägt, was für das
Vergießen in einer entsprechenden Vertiefung der Basis von Vor-
teil gewesen sein mag.

Der allgemeine Eindruck der thronenden Gestalt ist der einer
ganz eigenen Hoheit und Heiligkeit. Feierliche Würde verbindet
sich in ihr mit heiter-lebendiger Frische. Es gibt wohl keine
archaische Statue, bei der man so unmittelbar vor einer gütigen
Gottheit zu stehen glaubt. Trotz der gehaltenen Feierlichkeit
kommt in überraschender Weise eine fast heimliche Bewegung
zum Vorschein, die durch die ganze Gestalt geht und sich in der
verschiedenen Hebung der Arme, in der dadurch bedingten Ver-
änderung der Umrißlinien des gesamten Oberkörpers und in den
Füßen ausdrückt- der linke Fuß ist leicht vorangestellt, so daß die

n ancicnt furniture S. ao f. 44 ff.
1184, Furtwan{;)ci-Hausi:r-ReichhoId,

"I Für Klinen \g\. Caroline L. Ransom, Studies
Taf 11, für Throne * B. die Berlin« Aigisthosvase Nr.
Gnecli Vasenmalerei II leit S. 77 Abb. 41.

•) Ulr da* lange Spitibl.tt in der archaischen Plastik vgl. z B. die Stele von Dory-
laion. A.Kurte. Ath. Mitt XX 1895 Taf. 1, die »amischcn ürabitelen.Bohlau, Au» ionischen Nekro-
polen I3, 4. die Anthemicn des ionischen lcmpcls von Lokroi Epuephyrioi, Durm, Baukunst
der Griechen) S. 307 Abb, 286, vgl. auch den Bostoncr Altar. Studntukk, Jahrbuch d Inst.
XXVI 1911 S. 148 f Abb 66 f.
 
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