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Wiegand, Theodor; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Antike Denkmäler (Band 4, Heft 2): Die altattische stehende Göttin in Berlin — Berlin, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.3764#0003
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1928

DIE ALTATTISCHE STEHENDE GÖTTIN IN BERLIN

Tafel ii —18, Abbildung i—13

Die Statue gelangte im Jahre 1924 aus dem Kunsthandel in den Besitz der Staatlichen Museen. Daß ihre Erwerbung mög-
lich war, ist vor allem der Opferwilligkeit hervorragender Männer des deutschen Wirtschaftslebens und zahlreichen anderen
Kunstfreunden zu verdanken. Dazu haben Reich, Staat Und die Stadt Berlin, haben die Provinzverwaltungen von Brandenburg,
Nassau und der Rheinprovinz zum Gelingen der Erwerbung beigetragen. Die einzelnen privaten Spender zu nennen verbietet mir
ein vielfach geäußerter Wunsch aus den Kreisen unserer Gönner, dem ich mich füge. Es sei mir aber gestattet, ihnen hier noch
einmal den herzlichsten Dank aller Freunde des Altertums und der Staatlichen Museen auszusprechen.

Die erste Veröffentlichung erfolgte in den Amtlichen Berichten der Preußischen Kunstsammlungen 47. Jahrgang Heft 2,
1926, S.i8ff. sowie in der „Antike" Band 2, 1926, S. 30 ff.

Die Beschaffenheit des Marmors der aus einem einzigen Block gemeißelten Statue führt zu der Annahme attischer Entstehung:
das Material ist hymetlisch; es könnten vielleicht auch untere Brüche des Pentelikon in Betracht kommen, jedenfalls aber handelt es sich
um Marmor aus Attika r). Hierfür sprechen auch die später zu erörternden stilistischen Kennzeichen. Der Marmor ist von feiner,
sehr kristallinischer Struktur, er läßt an den Bruchstellen hell glitzernde kleine Kristalle erkennen und die frischen Bruchflächen
spielen leicht ins Bläuliche. Die Patina dieses Marmors ist sehr zart gelblich; sie hat sich namentlich an den wohlgeglätteten
nackten Partien gebildet, so am rechten Unterarm und an beiden Füßen; am Gesicht war sie ebenfalls vorhanden, ehe dieses
(vor der Erwerbung durch die Berliner Museen) gereinigt worden ist. Auf den seitlichen Wangenteilen sind Reste der gelben
Patina noch deutlich erkennbar. Die Eigentümlichkeit dieses Marmors, daß er gelegentlich blaugraue Streifen zeigt, wird am
Kopfe deutlich, wo vom rechten Jochbein bis zum Halsansatz herab ein solcher Streif von 16 cm Länge und 8—10 cm Breite
in fast senkrechter Richtung auffällt. Einem Fehler des Marmors ist es ferner zuzuschreiben, daß sich kurz über dem unteren
Gewandende auf der linken Seite ein 5 cm breites, 6,5 cm hohes und 1,5 cm tiefes rundliches Loch befindet, das von einem an
die Oberfläche getretenen Kalkstein-Einschluß herrührt, dessen Reste noch in der Tiefe stecken. Vermutlich war dieses Loch
einst verkittet.

Die Höhe der Statue beträgt mit Plinthe 1,93 m. Die Plinthe selbst, einheitlich aus dem Block gehauen, ist 10—10,5 cm
hoch; die Standfläche ist 28 cm breit und 30 cm tief. Es versteht sich von selbst, daß diese an den Rändern und an der Oberfläche
bis zum rauh unterhöhlten Gewandende derb behauene Plinthe in eine Basis eingelassen war. Dementsprechend ist die Statue
im Berliner Museum aufgestellt worden. Sie mißt also für sich 1,83 m, wobei 3 cm auf die starken Sohlen der Sandalen zu
rechnen sind. Das Gesicht mißt vom Haaransatz der Stirnmitte bis zum Kinn 20 cm, vom Haaransatz bis zur Nasenwurzel 8 cm,
vom Haaransatz bis zur Nasenspitze 13 cm, vom unteren Nasenrand bis zum Kinn somit 7 cm. Der Hals mißt vom Kinn bis zur
Halsgrube 12 cm. Die Länge des Ohres ist 8 cm. Die Krone hat eine Höhe von 7 cm bei 15,5 cm Durchmesser. Auf ihrer Ober-
fläche, die nach rückwärts geneigt ist, zeigt sich keine gerade Abschlußfläche sondern eine schüsselartige Vertiefung von
4—5 cm mit rauher, gepickter Fläche; auf Abb. 4 wird sie teilweise sichtbar. Vom Rande der Krone, an der Rückseite gemessen,
bis zum unteren Schopfende sind es 48 cm. Die Schulterbreite beträgt 55 cm. Das Verhältnis des Oberkörpers (ohne Kopf)
zum Unterkörper ist etwa wie 1:2. Die Figur enthält kaum sieben Kopflängen, letztere gemessen ohne die Krone vom oberen
Scheitelansatz bis zum Kinnende. Die ganze Figur ist derartig von einfachen geometrischen Verhältnissen beherrscht, daß man
die drei Teile: Kopf, Ober- und Unterkörper aus je einem Rechteck entwickeln könnte wie einen mathematisch-architektoni-
schen Aufbau 2).

*) In den beiden früheren Besprechungen habe ich mich ausschließlich für hymettischen Marmor entschieden, später aber gelernt, daß in gewissen Brüchen des Pentelikon
fast das gleiche Material vorkommt. Es ist derselbe Marmor, aus dem u. a. das athenische Relief des Diskosträgers (s. Abb. 12), das Grabmal von Lamptrai, der Kalbträger
und die Sphinx von Spata gearbeitet sind. Vgl. Fr. Winter, Athen. Mitteilungen 13, 1888, 14 und R. Lepsius, Griech. Marmorstudien 26. Nur in der altattischen Marmor-
kunst wird dieses Material verwendet. Siehe auch F. Eichler, Österr. Jahreshefte 16, 1913, 97.

2) Vgl. E. Pfuhls sehr richtig empfundenen Hinweis auf den Dipylonstil Athen. Mitteilungen 48, 1923, 159 u. 168; ferner E. Buschor ebda. 52, 1927, 205: eine
Kunst »von Maß und Zahl beherrscht«.

Antike Denkmäler 1928 8
 
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