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DIE KÜRBISTHEORIE
einem streng geradlinigen Muster bedeckt sind, und zwar in. einer Weise, die
jede Beziehung zu tragenden Schnüren oder angeflochtenen Teilen ausschließt.
Solche Beispiele finden sich vielfach auf den Kykladen, auf Zypern, in Troja,
Jortan Kalembo, Gordion, und auch in unserer Zeit tragen richtige Kürbis-
flaschen des öfteren nur geradlinige Ornamente. Umgekehrt ist wieder das
„freie“ Ornament der vordynastischen Keramik in Ägypten in weitaus den
meisten Fällen auf Gefäßen anzutreffen, die nichts mit Kürbissen zu tun haben.
Was im besonderen die Spirale anbelangt, so ist es in diesem Zusammenhang
von Bedeutung, daß die ägyptischen Gefäße mit aufgemalten Spiralen (El
Amrah) nachweisbar eine Imitation von Gefäßen aus muschelhaltigem Kalk-
stein sind1; das früheste Spiralomament in Ägypten beruht also auf der un-
mittelbaren Nachbildung von Naturformen, d. h. es ist bildende Kunst. Darauf
weist auch die nicht-ornamentale Anordnung dieser Spiralen.
Bedenklicher ist, daß das Verbreitungsgebiet des Flaschenkürbis keineswegs
dem der freien, sei es der Spiralmäander-, sei es der figürlichen Gefäßverzierung
entspricht. Spanien und Südfrankreich sind Kürbisgebiete, sie stehen aber
außerhalb der bandkeramischen Formenwelt und besitzen dafür eine zum Teil
hoch entwickelte geradlinige Gefäßomamentik. Dagegen fehlt wiederum der
Kürbis z. B. in Böhmen, das doch offenbar ein Ausstrahlungsgebiet der Spiral-
verzierung gewesen sein muß.
Das sind einige Randbemerkungen, die schon auf die Unzulänglichkeit der
Kürbistheorie hin weisen, schwerwiegender aber ist folgendes: Hubert Schmidt
hat uns gezeigt, daß an einigen Stellen des südöstlichen Mitteleuropas die Band-
keramik eine ältere Schicht mit Gefäßen im alteuropäischen Stil überlagert.
Ist es noch denkbar, daß der Flaschenkürbis und die auf ihm beruhenden For-
men hier, im Kerngebiet der Spiralmäanderkeramik, ursprünglich unbekannt
waren, so läßt diese Erklärung gänzlich im Stich, wenn wir den weiteren Süden
in Betracht ziehen. Auf Sizilien (Stentinello) zeigt die neolithische Gefäßver-
zierung ein äußerst feines, eingeritztes und weiß inkrustiertes, geradliniges
Muster aus sich schneidenden Linien, Rhomben, Zickzackstreifen usw. Erst mit
der beginnenden Metallzeit der sikulischen Perioden wird dieser einheimische,
alteuropäische Stil verdrängt durch die aus dem kretisch-ägäischen Kulturkreis
übernommene Gefäßmalerei. Das in Italien seltene Spiral- und Mäander-
muster erscheint gut ausgebildet in dem frühbronzezeitlichen Pfahlbau der
Pertosa (Salerno); es zeigt eine große Ähnlichkeit mit der bandkeramischen Ge-
fäßverzierung aus Butmir (Bosnien) und wird von den italienischen Forschern
denn auch aus Einflüssen, es sei aus dem Ostadria-Gebiet oder aus dem öst-
lichen Mittelmeer, erklärt2. Über das Spiral- und Rankenornament (aber auch
Tierornament!) Maltas, das von A. Mayr aus dem ägäischen Kulturkreis her-
geleitet wird, gehen die Ansichten zu sehr auseinander, als daß ich es hier in
Betracht ziehen möchte3. Um so lehrreicher sind gewisse Entwicklungserschei-
i. Nach Schweinfurth und Flinders Petrie.
2.. Vgl. Hoernes, Urgeschichte S. 398h
3. Alb. Mayr, Die Insel Malta im Altertum,
DIE KÜRBISTHEORIE
einem streng geradlinigen Muster bedeckt sind, und zwar in. einer Weise, die
jede Beziehung zu tragenden Schnüren oder angeflochtenen Teilen ausschließt.
Solche Beispiele finden sich vielfach auf den Kykladen, auf Zypern, in Troja,
Jortan Kalembo, Gordion, und auch in unserer Zeit tragen richtige Kürbis-
flaschen des öfteren nur geradlinige Ornamente. Umgekehrt ist wieder das
„freie“ Ornament der vordynastischen Keramik in Ägypten in weitaus den
meisten Fällen auf Gefäßen anzutreffen, die nichts mit Kürbissen zu tun haben.
Was im besonderen die Spirale anbelangt, so ist es in diesem Zusammenhang
von Bedeutung, daß die ägyptischen Gefäße mit aufgemalten Spiralen (El
Amrah) nachweisbar eine Imitation von Gefäßen aus muschelhaltigem Kalk-
stein sind1; das früheste Spiralomament in Ägypten beruht also auf der un-
mittelbaren Nachbildung von Naturformen, d. h. es ist bildende Kunst. Darauf
weist auch die nicht-ornamentale Anordnung dieser Spiralen.
Bedenklicher ist, daß das Verbreitungsgebiet des Flaschenkürbis keineswegs
dem der freien, sei es der Spiralmäander-, sei es der figürlichen Gefäßverzierung
entspricht. Spanien und Südfrankreich sind Kürbisgebiete, sie stehen aber
außerhalb der bandkeramischen Formenwelt und besitzen dafür eine zum Teil
hoch entwickelte geradlinige Gefäßomamentik. Dagegen fehlt wiederum der
Kürbis z. B. in Böhmen, das doch offenbar ein Ausstrahlungsgebiet der Spiral-
verzierung gewesen sein muß.
Das sind einige Randbemerkungen, die schon auf die Unzulänglichkeit der
Kürbistheorie hin weisen, schwerwiegender aber ist folgendes: Hubert Schmidt
hat uns gezeigt, daß an einigen Stellen des südöstlichen Mitteleuropas die Band-
keramik eine ältere Schicht mit Gefäßen im alteuropäischen Stil überlagert.
Ist es noch denkbar, daß der Flaschenkürbis und die auf ihm beruhenden For-
men hier, im Kerngebiet der Spiralmäanderkeramik, ursprünglich unbekannt
waren, so läßt diese Erklärung gänzlich im Stich, wenn wir den weiteren Süden
in Betracht ziehen. Auf Sizilien (Stentinello) zeigt die neolithische Gefäßver-
zierung ein äußerst feines, eingeritztes und weiß inkrustiertes, geradliniges
Muster aus sich schneidenden Linien, Rhomben, Zickzackstreifen usw. Erst mit
der beginnenden Metallzeit der sikulischen Perioden wird dieser einheimische,
alteuropäische Stil verdrängt durch die aus dem kretisch-ägäischen Kulturkreis
übernommene Gefäßmalerei. Das in Italien seltene Spiral- und Mäander-
muster erscheint gut ausgebildet in dem frühbronzezeitlichen Pfahlbau der
Pertosa (Salerno); es zeigt eine große Ähnlichkeit mit der bandkeramischen Ge-
fäßverzierung aus Butmir (Bosnien) und wird von den italienischen Forschern
denn auch aus Einflüssen, es sei aus dem Ostadria-Gebiet oder aus dem öst-
lichen Mittelmeer, erklärt2. Über das Spiral- und Rankenornament (aber auch
Tierornament!) Maltas, das von A. Mayr aus dem ägäischen Kulturkreis her-
geleitet wird, gehen die Ansichten zu sehr auseinander, als daß ich es hier in
Betracht ziehen möchte3. Um so lehrreicher sind gewisse Entwicklungserschei-
i. Nach Schweinfurth und Flinders Petrie.
2.. Vgl. Hoernes, Urgeschichte S. 398h
3. Alb. Mayr, Die Insel Malta im Altertum,