DAS WELLENBANDMUSTER
131
Abb, 27. Wellenbandmuster von einem Hängebecken aus Bohuslän,
Schweden.
voneinander zu trennen, ohne die b-Elemente gewaltsam zu zerschneiden
(Abb. 25e, f). Es handelt sich um die sogen, reziproken Muster, zu denen im
Grunde genommen auch schon die einfache Welle gehört. Aber gerade beim
Wellenmuster stoßen wir auf ein ganz raffiniertes, wenn auch einfaches Mittel,
das Durchgehen der Bewegung zu betonen, indem mitten in den ,.Ab-
hängen" zwischen Wellenberg und Wellental kreisförmige Augen eingelassen
werden: es werden also gerade die Stellen, wo die Bewegung nach Überwindung
des Wellenberges wieder in vollem Fluß gelangt, besonders hervorgehoben
(Abb. 27).
In diesem Unterschied zwischen der Reihung der Zellen einerseits, der rhyth-
mischen Wiederholung der gleichen Form Veränderungen andererseits liegt aber
auch ein prinzipiell verschiedenes Verhalten des Ornaments zu seinem Träger.
Denn es ist klar, daß die Wiederholung der Zellen in der ersten Stilphase, die
Ordnung ihrer Vielheit zu einer Reihe, die der Form des Trägers angepaßt ist,
nur einer fremden Macht zu verdanken war — sie lag nicht im Willen der be-
ziehungslos nebeneinander stehenden Zellen selber, sondern erfolgte auf Befehl
des Trägers. In der zweiten Phase dagegen geschieht die regelmäßige Wieder-
kehr der gleichen Schlingen, Spiralranken usw. aus freiem Willen, sie erscheint
innerlich begründet und vorbereitet. Mit anderen Worten: der Träger hat hier
nichts mehr anzuordnen und zu befehlen, sondern das Ornament kommt ihm
aus freien Stücken entgegen. Es dient ihm nicht, sondern begleitet ihn,
Stilmerkmale der späteren Entwicklung sphase. Parallelen zur Spätneoli-
thik. Hiermit bekommt das System der altnordischen Kunstentwicklung schon
ein festeres Gefüge. Obwohl wir es mit einer höheren Klasse von Formen zu
tun haben, die, den neolithischen, mechanisch-tektonischen gegenüber organisch
und an und für sich genommen von Anfang an selbstbestimmt und frei sind,
wiederholt sich doch unverkennbar die in der neolithischen Kunst beobachtete
Wandlung von dienender Unterordnung unter den Träger zur begleitenden
Nebenordnung. Aber die Analogie mit der neolithischen Kunstentwicklung geht
sehr viel weiter urd findet sogar in ganz charakteristischen Details ihren Aus-
druck. Mußten wir den Kreis als die eigentümliche Grundform der bronzezeit-
lichen Ornamentik dem neolithischen geraden Strich gegenüberstellen, so ent-
9*
131
Abb, 27. Wellenbandmuster von einem Hängebecken aus Bohuslän,
Schweden.
voneinander zu trennen, ohne die b-Elemente gewaltsam zu zerschneiden
(Abb. 25e, f). Es handelt sich um die sogen, reziproken Muster, zu denen im
Grunde genommen auch schon die einfache Welle gehört. Aber gerade beim
Wellenmuster stoßen wir auf ein ganz raffiniertes, wenn auch einfaches Mittel,
das Durchgehen der Bewegung zu betonen, indem mitten in den ,.Ab-
hängen" zwischen Wellenberg und Wellental kreisförmige Augen eingelassen
werden: es werden also gerade die Stellen, wo die Bewegung nach Überwindung
des Wellenberges wieder in vollem Fluß gelangt, besonders hervorgehoben
(Abb. 27).
In diesem Unterschied zwischen der Reihung der Zellen einerseits, der rhyth-
mischen Wiederholung der gleichen Form Veränderungen andererseits liegt aber
auch ein prinzipiell verschiedenes Verhalten des Ornaments zu seinem Träger.
Denn es ist klar, daß die Wiederholung der Zellen in der ersten Stilphase, die
Ordnung ihrer Vielheit zu einer Reihe, die der Form des Trägers angepaßt ist,
nur einer fremden Macht zu verdanken war — sie lag nicht im Willen der be-
ziehungslos nebeneinander stehenden Zellen selber, sondern erfolgte auf Befehl
des Trägers. In der zweiten Phase dagegen geschieht die regelmäßige Wieder-
kehr der gleichen Schlingen, Spiralranken usw. aus freiem Willen, sie erscheint
innerlich begründet und vorbereitet. Mit anderen Worten: der Träger hat hier
nichts mehr anzuordnen und zu befehlen, sondern das Ornament kommt ihm
aus freien Stücken entgegen. Es dient ihm nicht, sondern begleitet ihn,
Stilmerkmale der späteren Entwicklung sphase. Parallelen zur Spätneoli-
thik. Hiermit bekommt das System der altnordischen Kunstentwicklung schon
ein festeres Gefüge. Obwohl wir es mit einer höheren Klasse von Formen zu
tun haben, die, den neolithischen, mechanisch-tektonischen gegenüber organisch
und an und für sich genommen von Anfang an selbstbestimmt und frei sind,
wiederholt sich doch unverkennbar die in der neolithischen Kunst beobachtete
Wandlung von dienender Unterordnung unter den Träger zur begleitenden
Nebenordnung. Aber die Analogie mit der neolithischen Kunstentwicklung geht
sehr viel weiter urd findet sogar in ganz charakteristischen Details ihren Aus-
druck. Mußten wir den Kreis als die eigentümliche Grundform der bronzezeit-
lichen Ornamentik dem neolithischen geraden Strich gegenüberstellen, so ent-
9*