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Adamy, Rudolf
Die fränkische Thorhalle und Klosterkirche zu Lorsch an der Bergstraße — Darmstadt, 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.10950#0032
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fürstlichen personen, die nach den Urkunden in der bunten Aapelle
begraben wurdcn. Allein auch schon die Lage dcr Aapellc zwingt
dazu, eine derartige Annalnne sallen zu lassen; denn cs hätte
wohl kaum eine ungeeignetere 5telle gewählt werden können,
als die -er heutigen Thorhalle, die in unmittelbarer Nähe des
ehemaligen Alosterthores zwischen diesem und der Tingangsseite
dcr lsauptkirche gelegen ist. 5elbst auf dem platze zwischen der
Thorhalle und der Airche wäre ihre Tage noch eine wenig günstige,
sogar eine störende gewesen, da sie hier den Zugang zur Airche ver-
sperrt und die künstlerische NArkung derselben unbedingt beeinträchtigt
hätte. Die lVallfahrtskirche, welche die Gebeine des lseiligen
barg und vorzugsweise für die srommen j?ilger bestimmt war,
nmßte sicb diesen in ihrer Pracbt möglichst ungetrübt kenntlich
machen und vor allem leicht zugänglich bleiben. Ausgrabungen
im Vorhofe haben dcnn auch nicht den gcringsten Anhalts-
punkt ergeben, daß hicr ehcmals noch ein Bau gestanden, zu
dcm dic Thorhalle eine besondere Beziehung gchabt haben könnte.
Daß die Grabkirche des Aönigs Ludwig von außergewöhnlicher
pracht auch inmitten dcr prächtigen fränkischen Bauten des
Alosters Lorsch gewesen sei, ist von vorn herein anzunehmen.
Diesem Amstande wird sie jene Bezeichnung, welche auch noch
das spätere lAittclaltcr ihr gab,') verdanken. lDir werden nach
nnseren Trfahrungen über die wiederholte Durchwühlung des
Alosterbodens und die mit Absicht vorgenommene Zerstörung
selbst der meisten Fundamente daraus verzichten müssen, jemals
die Begräbnißstelle des ersten deutschen Aönigs wieder aufzusmden.
Lehlt somit jeder thatsächliche Anhaltspunkt sür die Zdentificirung
der heutigen llkichaelskapelle mit der »bunten (vsbeu)2) Airche«
oder auch zu einer Beziehung beider zu einander, so bleibt uns
nichts anders übrig, als an dcm oben gcwonnenen Aesultat sest-
zuhalten, wcnn nicht stilistischc Gründe zu anderen Annahmen
zwingen.

hiermit wiederum zur Frage der Airchenanlage überhaupt
zurückkehrend, haben wir noch die weitercn Anhaltspunkte zu
prüscn, welchc uns nöthigen, die älteste Airche in jene Bezichung
zur Thorhalle und zum Borhose zu setzen.

lvir entdeckten in der Bersolgung der Llucht der südlichen
Borhofsmauer eine Art Beton von außergewöhnlicher Festigkeit.
Breite und 5tärke, sowie die Bestandtheile ließen nur den 5chluß
aus ^undamentmauerwerk zu; sür einen einfachen Tstrich, dessen
Bedeutung an dieser 5telle überdies nicht klar werden könnte,
war seine Lonstruktion eine viel zu starke. lvir haben an keiner
einzigen Ltelle der noch stehenden rornanischen Bautheile Funda-
mente dieser Art wieder gesunden, und wir werden daher nicht
fehl gehen, wenn wir diescs Stück als dcm crften Baue zugehörig
betrachten. lsierzu aber berechtigt noch ein anderer nicht un-
wichtiger Umstand: die Anwendung kleiner Ziegelstückchen. Die
Gberfläche des Betons, zur Ausnahme des aufstrebenden lUauer-
werks bestinnnt, war mit solchen belegt und abgeglichen, so daß
sie fast wie abgeschliffen aussah. Da dic fränkische Zeit sich der
Technik der Römer bediente, so läßt sich das Borkommen dieser
Aiegelbrocken an dieser Btelle leicht erklären: sie wurden wahr-
scheinlich zur Lrzielung eines rascheren Abbindens oder Trhärtens
dcs Ulörtels verwerthet. Aleinere Stückchen Ziegelstcin waren
auch hier und da in dem Beton, jedoch nicht sehr häufig, mit
bloßem Auge bemerkbar. Zn den zur chcmischen Untcrsuchung
eingereichten 5tückchen hat sich eine Apur von Ziegelsteinen oder
Ziegelmehl überhaupt nicht entdccken lassen. Ls haben sich nun
zwar nicht wcitere festc Fnndamcnte, wohl aber sehr zahlreiche,
diesem Beton verwandte lose Bruchstücke vorgesunden, welche auf
cine systematische verwendung desselben schließen lassen, und zwar

') vgl. Seite q, Note r

") ret,, vecli wurdo im Mittelalter neben bunt gebraucht. vgl. v.
Schenk zu Schweinsberg bei tvagner, Stiftungen, Bd. II. S. 507.

zugleich und an eincm Mrte mit dicken lUörtelstücken, welche so
zahlreich mit Ziegelmehl durchsetzt sind, daß bei manchen das
Znnere röthlich erscheint. Beide, die von gröberen Ziegclbräckchen
auf der Gberflächc estrichartig durchsetzte lUärtelstücke und jene
niit Ziegelmehl gemischte lUärtelmasse, fanden sich da wieder,
wo wir den Ljochaltar und die Apsis der romanischen Airchc
aus guten Gründen vermuthen dursten.

lUit diesen Gründen haben wir uns zunächst kurz zu be-
fassen. lUerian hat in seiner »Beschreibung der Untern-Pfaltz
ain Rhein ic.« aus dem Zahre 1(6^3 eine Abbildung des Alosters
Lorsch mitgetheilt,') die nach cinem Bcrgleich mit dem jetzigen
Bcstand der Umsassungsmauern und Gcbäude aus Beobachtung
der wirklichkeit beruht hat, wenn auch Unklarheiten, ver-
schiebungen der Gebäude zu den Umsassungsmauern und vielleicht
auch phantastische Zuthaten nicht abzuweisen find. U)ir wissen,
daß der Brand von (62 s die kjauptkirche sür immer zerstärt
hat, indem deren äeitenschisse niemals wiedcr ausgcbaut wurden.
lUerian's Bild zeigt uns nun die der Beitenschiffe beraubte
Airche, und zwar mit Rundsenftern und ^trebepseilern. ^etztere
beruhen aus einem Zrrthum; es waren, wie noch heute zu sehen,
solche nur an den Lcken der lVestseite angelegt, da hier mit
deni Tinsturz der Thürme auch die lUauern dem Ginsturze ge-
droht hatten; offenbar hatte die dem 5tich zu Grunde liegende
Skizze die lUittelschiff pseiIer angedeutet, die alsdann irrthümlich
sür Strebepfeiler gehalten und als solche im Stiche ausgeführt
wurden. Ienes lUittelschiff zcigt sechs Zoche und einen Thor-
schluß aus dem Achteck. Tntspricht diese Anzahl dcr Zochc der
lVirklichkeit, so läßt sich aus den noch stehenden drei vorderen
Zochen die Gesammtlänge der Airche annähcrungsweise berechnen
und dicse Bcrechnung nach dem Trgebniß der Ausgrabungen
prüfen. Zu letzterm Zwecke wurde auf der Fortsetzung der
lUittelaxe jener drei Zoche ein Graben gezogen und dabei die
äußerste 5pur einer von Norden nach 5üden laufenden lUauer
festgestellt. Daß diese 5pur die ehemalige äußerste lUauer der
Apsis bedeute, lag von vorn hercin nahe, und die Bercchnung
nach lUerian's Abbildung ergab aus's genaueste ihre Ueber-
einstimmung mit der östlichen lUauer der Apsis. ^) Nunmehr
wurden vor der Apsis, da, wo der !)ochaltar zu vermuthen war,
zwei parallele Gräben von Norden nach 5üden gezogen, und
gcrade hier sandcn sich jene zahlreichen lUörtelstücke vor, welche
entweder den an rämische Technik erinnernden lUörtel mit Ziegel-
mehl oder abgeglichene Aächen mit eingedrückten Ziegelbräckchen
zeigten. lVir wissen nun aber von anderen Beispielen, ^) daß
diese den Römern entlehnte Technik der Bcimischung von Ziegel-
mehl noch charakteristisch ist für karolingische Bauten, nicht aber
sür spätere mittelalterliche.

Der nunmehr zu ziehende 5chluß ist leicht: die fränkische
Airche hat sich gleichfalls bis zu jener Fundstätte, also auch über
die Thorfläche der spätern romanischen Airche crjtreckt. Dieser
Beweis erhält aber durch einen andern Umstand noch eine
weitere 5tütze. lVir haben aus urkundlichen Nachrichtcn erfahren,
daß Abt kselmerich (778—78H) die kserstellung eines Fußbodens
begann, Abt Richbod (78H—80(() vor dcm Altare einen ^ußboden
aus buntem lUarmor herstellen ließ, Gerbod (yäs-Y72) einen
solchen vor den Altar des hl. Areuzes bis in die lUittc der Airche
legte und 5almann (972—998) den von bjelmerich begonnenen
vollcndete. Dieser Fußboden, zu dessen ^erstellung fast zwei Zahr-
hunderte erforderlich gewesen waren, muß eine ungewöhnliche

-) vgl. S. ; Fig. i.

9 vie stehenden drei Joche haben eine Gesammtlänge vo» 17,02; die
Länge von der Mstmauer derselben bis zu jener ÜZnermaner beträqt 22,50 m,
(7,02 m sür die drei Iochc und 5,-18 m für die Tiese der Apsis.

9 Die Basiliken Linhard's zn Steinbach i. G. nnd Seligenstadt a. M.
haben gleichfalls Mörtel, der Ziegelmehl enthält. vgl. Adamy, Die Linhard-
Basilika zu Steinbach i. M. Darmstadt (885.
 
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