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zurückgewiesen, wenn sie ihnen auch sreind, vielleicht zu vornehm
und ruhig erschien, und es ist ein anziehendes 5chauspiel, zu be-
obachten, wie in der Aleinkunst die antiken ^ormenelemente dem
neuen, schöpferischen Drange sich unterordnen und ihre gemessenen
Linien vielfach der überall nach Leben und Bewegung trachtenden
ästhetischen Bchöpfungskrast der Germanen opfern inüssen. In
fremden Besitz gerathen, kämpst die antike Aunst auch diesseits der
Alpen so noch lange Zeit uni die Erhaltung ihres formalen ürebens,
selbst da» wo sie nur als Treibhauspflanze ein mattes Dasein hätte
sühren können, bis in der romanischen Aunst endlich die germa-
nische phantasie die antiken Lrinnerungen
völlig überwindet, ohne sie sedoch gänzlich
zu vernichten.

s)n ungünstigerer Tage als bei der
Aleinkunst waren die Merowinger, unter
ihnen auch die Franken, bei der monumen-
talen 5teinarchitektur, welche die Airche
für ihre gottesdienstlichen Bautcn nicht
entbehr^n wollte, obwohl sie den vor-
herrschenden ksolzbau keineswegs von sich
wies.') Auf diesem Gebiete der schaffen-
den Aunst stand ihnen keine Grfahrung
zur 5eite: sie waren genöthigt, an die
mehr als tausendjährige Tradition der
hellenisch-römischen Aunst anzuknüpfen.

N)ie sich die ^ranken die technischen Tr-
sahrungen dieser lebensmüden Greisin auch bei Trbauung der
Thorhalle zu Nutze gemacht haben, ist schon hervorgehoben worden;
hinsichtlich der Hormensprache fühlten sie sich ebenso gebunden,
wenn sie den Ansprüchen der Airche an hähere und befriedigende
Schönheit genügen wollten. Aber anch hier konnte und wollte
die Iugendkraft der phantasie nicht bloß sklavisch schaffen; indem
sie ihre eigene Auffassung der Antike zur Geltung brachte und
zugleich dem ungezügelten Drange nach Reichthum, Aille und
§eben der Formen sich hingab, schuf sie Mero-
wingisch- oder Hränkisch-Antikes, etwas Altes und
doch zugleich etwas Neues, Tigenthümliches, nic
Dagewesenes. Viele Trzeugnisse zeigen sich frei-
lich noch unklar in ihrem Tharakter; denn die
Gährung der Gefühle ist zwar mächtig, aber
noch nicht vollzogen, und da dem Bischof von
Trier im sechsten j)ahrhundert bei der Wieder-
erbauung seines Domes diese halb barbarisch
erscheinende Aunst des heiligen, Werkes wohl
nicht ganz würdig zu sein schien, so ließ er zur
kserstellung der 5äulen Aünstler aus Italien
rufen, wo die antike Aunst sich noch reinerer
Vertreter zu ersreuen hatte. Ntan merkt den
aus fränkischer Zeit stamnrenden Aapitälen
des Trierer Domes darum auch die italische
Bchule an, aus der sie hervorgegangen sind.

Anders als dort steht es um die Zierformen der Lorschcr
Thorhalle. Bon italischen Aünstlern erzählt die Thronik uns
nichts, nur von einfachen Mönchen; Abt Gundeland brachte
ihrer vierzehn oder sechzehn, unter denen Reginfridus und wluinus
mit Namen hervorgehoben werden, mit nach Lorsch. 5ie waren
nach den lvorten des Thronisten reis an Alter und Verstand und
kamen aus dem Aloster Gorzia bei Metz. Diese Nachricht ist
für die Baugeschichte des zweiten Alosters der Tancor'schen 5chenkung
bis jetzt nicht genügend gewürdigt worden. Denn Bischof Throde-
gang, der zugleich der von Tancor berusene Gründer und erste
Abt in dem Aloster auf der Weschnitzinsel gewesen war, hatte vor-
her zwei andere Alöster gegründet: Gorzia und Nabor (NilLrlarum,

So zeigen noch Silberdenare der Bttonenzeit eine kjolzkirche als Gepräge.

später 5t. Avold). Ts ist daher anzunehnren, daß jene auch an
Alter reisen Ncönche nicht -zuin ersten Rlale an der Trbauung
eines Alosters Theil nahmen, daß sie vielmehr den zweiten Abt,
Gundeland, den Bruder des ersten, auch mit bautechnischen Tr-
fahrungen bei der Aufführung des zweiten Alosters auf deu
5audhügeln bei Lorsch kräftig unterstützt haben. Dainit ist uns
aber ein wichtiger ^ingerzeig über die lserkunst des 5tiles dcr
Lorscher Alosterkirche gegeben: wir werden nach dem lDesteu
gewiesen, dorthin, wo die römische Aultur diesseits der Alpen
ihre rcichste Tntsaltung, ihre sichersten 5tützpunkte und vielsach

auch ihre Ausgangspunkte für die Länder
diesseits des Rheines gefunden hatte.
Länger als anderswo hat in den west-
lichcn und südlichen j?rovinzen des hcu-
tigen Frankreichs die römische Aunst-
tradition fortgelebt; sie hat hier die Zeit
des romanischen 5tiles überdauert, so daß
selbst noch in gothischer Zeit antikisierende
sdilaster mit Aanneluren kein Aussehen
erregten. 5o dient denn jene Nachricht
von der Uebersiedelung dcr Rkänche des
Throdegang aus einem noch neuen Aloster,
das in dem Gebiet der jenseits des Rheines
wohnenden ripuarischen Hranken gelegen
war, nach Lorsch nicht nur zur Trkläruug
des 5tiles, den wir an der Thorhalle als
in ganz Deutschland einzig dastehend bewundern müssen, sondern
auch zur Trklärung der Möglichkeit einer solchen Bauweise in
t'echnischer und ästhetischer Beziehung überhaupt. Die Trbauer
von Lorsch haben nicht bloß das Rcaterial zu dcn
wichtigsten Baugliedern, sondern auch ihre Aunst
dem Westen entlehnt. Ts ist darum auch keineswegs als
ein Zufall anzusehen, daß die noch vorhandenen stilistisch ver-
wandten Bauerscheinungen mit Ausnahme eines einzigen IVerkes
dem kVesten des großen^rankenreiches angehören.

A)ie man nicht mit Unrecht die fränkische
Thorhalle zu Lorsch zu den Triumphbogen der
Römer in Beziehung gebracht hat, so sind auch
die sämmtlichen Ziergliedcr der beiden Fa^aden
der römischen Aunst entlehnt. Nur tritt bei
dem Bergleich der ersteren mit einander sofort
eine charakteristische Verschiedenheit der Thor-
halle von jenen römischen lVerken hervor: die
meisten Ziersormen sind flacher, sind weniger
plastisch als ihre Vorbilder. Die 5äulen sind
kaum!)albsäulen, der architravartige Fries über
ihnen tritt nur wenig von der Aäche heraus,
noch weniger die ionischen sOilaster mit ihren
Giebelu. Am krästigsten und dem 5inne dcr
Alten am entsprechendsten ist das steinerne ljaupt-
gesims mit seinen Tonsolen und den zwischen
ihnen unten vortretenden 5picgeln behandelt. Am auffallendsten
macht sich jene Aachheit an den mit ciner Vlatte, einem Aarnies
und zwei unteren stAättchen profilierten Leisten der Dreiecke fühl-
bar: letztere sind nur als Dekoration und l)alt sür die Verkleidungs-
steine, nicht als Verdachung verwendet. R ut diesen IVorten streisen
wir überhaupt den wesentlichen Unterschied in dem Tharakter dieses
Bauwerkes von dem seiner römischen Vorbilder: an die 5telle
des plastischen Hormenprinzips ist das malerische getreten, das
ebensowohl in der eigenartigen Verwendung römischer ^ormen,
wie in dem Wechsel des weißen und rothen 5andsteines bestim-
mend hervortritt. bjicrin bleibt die Thorhalle zu Lorsch trotz
ihrer direkten Anlehnung an die Antike streng in den Grenzen
dcr merowingischen Aunst, der monumentalen wie der Aleinkunst,
deren Grundprinzip durchweg ein malerisches ist.

Fig. 19. Presil der attischen Basen der Ljalbsäulen und Pfeiler.

Fig. 20. Aämpferprofil der Thorbogen.
 
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