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Akademie der Künste [Hrsg.]; Galerie Matthiesen [Hrsg.]; Wallraf-Richartz-Museum [Hrsg.]
Wilhelm Leibl: Gemälde - Zeichnungen, Radierungen$dausgestellt in der Akademie der Künste Berlin, in der Galerie Matthiesen Berlin, im Wallraf-Richartz-Museum, Köln — Berlin: Verlag Bruno Cassirer, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.48643#0030
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sammelt. Die Zeit, wo er glaubte, für ein Bild (wie das Kirchenbild) 100000
Mark fordern zu können, war vorüber, schon weil solche Riesenarbeiten nun
nicht mehr da waren. Aber man sollte, wie es später recht oft geschah, jetzt
nachträglich nicht beklagen oder gar hämisch bemängeln, daß Seeger damals
„nur“ Tausende zahlte und nicht Zehntausende. Seeger war doch der erste,
der überhaupt in großem Maßstabe wieder von ihm kaufte, zu einer Zeit, da
sich niemand sonst um ihn kümmerte und da Leibikaufen noch, wenn man es
einmal geschäftlich betrachtet, ein Wagnis und ein Risiko war. Und auch
dadurch, daß Leibi diesen einen Käufer gefunden hatte, war ja der Markt für
ihn noch nicht mit einem Schlage wieder offen, sondern zwei Jahre später
noch bekam der Künstler von einer großen Ausstellung alle seine Arbeiten
unverkauft zurück, bis auf eine Skizze, die mit sechshundert Mark bezahlt
war. Damals war er zeitweise über diesen Mißerfolg wieder recht nieder-
geschlagen und zweifelte von neuem an einem guten Ausgang der Dinge und
meinte, er würde doch wohl im Dunkel sterben. Zu solchen Zeiten war es für
ihn ungeheuer wertvoll, außer seinen persönlichen Freunden wenigstens einen
Menschen zu haben, der nur um seiner Kunst willen zu ihm gekommen war,
der treu zu ihm hielt und an ihn glaubte, der ihn aufrichtete und ihm Freude
verschaffte. Die Fahrt zur Rembrandt-Ausstellung nach Amsterdam im Jahre
1898 sowie nach Haarlem und dem Haag, welche die beiden Männer unter-
nahmen, war doch die letzte ganz große Freude seines Lebens.
Im übrigen, wenn wir es nicht aus Äußerungen seiner Freunde wüßten, wir
würden es aus seinen letzten Werken schließen, daß die Jahre nach 1895 wieder
glücklichere Jahre für ihn waren. Es ist ein innerlicher Aufschwung seines
Schaffens zu verzeichnen. Jedoch, werangesichts dieses erneuten Aufschwungs
seiner Kunst nun glauben mochte, Leibi würde nun abermals ganz große
Werke hinstellen können, etwa von der Bedeutung der Tischgesellschaft oder
der Grasslfinger Arbeiten oder der Dorfpolitiker oder des Kirchenbildes —
der wurde in diesem Glauben betrogen: Der Tod schlug dem Meister den
Pinsel aus der Hand.
Aber es ist doch ein Trost, zu wissen, daß Leibi in seinen letzten Lebens-
jahren seinen Ruhm noch erlebt hat. Er ist nicht, wie bei seinem Tode in den
„Propyläen“ zu lesen stand, als ein Verschollener gestorben.
Sein wahrer Ruhm in Deutschland aber hat erst im zwanzigsten Jahrhundert
eingesetzt. Die große Sonderausstellung seiner Werke in der Berliner Sezession

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