Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Werner, Anton von
Ansprachen und Reden des Direktors A. von Werner an die Studirenden der Königlichen Akademischen Hochschule für die Bildenden Künste zu Berlin und Verzeichniss der Lehrer, Beamten und Schüler derselben seit 1875 — 1896

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.70876#0018

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Man ging damals, um das Versäumte nachzuholen, zu
unseren interessanten Nachbarn nach Paris, Brüssel und
Antwerpen um die „Mache“ zu lernen, und wir sind heute
wohl ungefähr wieder auf dem Punkte, dass wir vor dem Ueber-
wuchern dieser, jenen Anschauungen der ersten Hälfte unseres
Jahrhunderts diametral entgegengesetzten, warnen müssen.
Also vergessen Sie über die oftmals verhältnissmässig
bequem zu erreichende Befriedigung, welche in der unmittel-
baren Verwerthung der Natur liegt, nicht, dass das vornehme
künstlerische Schaffen erst da anfängt, wo die naturwahre
Darstellung der Dinge nur Mittel zum Zwecke ist.
Zum Schlüsse dieser kritischen Betrachtungen muss ich
darauf hinweisen, dass das künstlerische, akademische, grund-
legende Studium langwieriger ist und mehr Zeit erfordert,
als gewöhnlich angenommen wird. Gegenüber der Pulle
des nächstliegenden und zu bewältigenden, zum Theil rein
technischen Lehrmaterials bleibt überdies kaum Zeit für
wissenschaftliche Studien, welche sich bei uns jetzt auf
Kunstgeschichte und Literatur, Anatomie und Kostümkunde
beschränken. Grosse Lücken, wie Vorträge über interessante
Stoffe aus der Geschichte und Kulturgeschichte, über Aesthetik,
Mythologie und Archäologie, über Chemie und Farbenlehre,
und andere Gebiete werden hoffentlich einst ausgefüllt werden,
müssen vorläufig aber Ihrem Privatstudium überlassen bleiben.
Schliesslich, meine Herren, rathe ich Ihnen: fahren Sie
fort, den grundlegenden künstlerischen Studien Ihre vollste
Aufmerksamkeit, Fleiss und viel Zeit zuzuwenden, und be-
halten Sie unausgesetzt im Auge, dass Sie als Künstler, als
praktische Menschen, durch vollgewichtiges Können sich immer
und überall eine Stellung erobern werden. Und über den
wohlbekannten Satz: Viele sind berufen — Wenige auserwählt,
vergessen Sie nicht jenen anderen: Der Fleiss ist die bessere
Hälfte des Genies!
 
Annotationen