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»national« in einer zweiten, ungleich wichtigeren Bedeutung,
nämlich als »dem Wesen des Volkes entsprechend« und über-
tragen unbedachtsam allgemein menschliche Begriffe auf ein
einzelnes Volk. Ich bezweifle, dass es auch nur ein Laster
giebt, das bloss von einer Nation und nicht auch von An-
gehörigen aller anderen getrieben werden könnte und getrieben
wird, und wenn andererseits einzelne Tugenden bei einzelnen
Völkern oder Völkerfamilien besonders allgemein und glänzend
geübt und heilig gehalten werden, wie z. B. bei allen Orientalen
die Gastfreundschaft, so dürfen wir deswegen diese Tugend
den übrigen Nationen nicht indirekt absprechen, indem wir sie
als eine Nationaltugend etwa der Araber bezeichnen. Das
führt zu den bedenklichsten Uebertreibungen! Wir Deutschen
hören so gern, dass man uns bieder, fromm, stark, treu,
sinnig, gedankenreich, fleissig, goldlockig, blauäugig nennt —
wer wagte es aber im Ernst, diese schönen Beiworte für sich
selbst oder auch nur für den Durchschnitt unseres Volkes so
auschliesslich in Anspruch zu nehmen, dass für andere Nationen,
etwa für die sogenannten Erbfeinde, nichts Wesentliches von
ihnen übrig bleibt? Als ob es in Ost und West nicht Tausende
gäbe, die so gut wie Alemannen und Sachsen sich solcher
Vorzüge rühmen dürften!
Wir werden nur eingestehen, dass die Völker der Erde,
wie durch ihre Rassenmerkmale und durch den Grad ihrer
Gesittung, so auch durch die ihnen eigenthümlichen Zusammen-
ordnungen oder, sozusagen, Aggregatzustände der mensch-
lichen Grundeigenschaften sich voneinander unterscheiden;
aber ebenso sicher ist, dass wir dergleichen Unterschiede,
sofern sie sittliche Begriffe betreffen sollen, nicht festsetzen
können, indem wir sie von einzelnen Individuen entnehmen.
»national« in einer zweiten, ungleich wichtigeren Bedeutung,
nämlich als »dem Wesen des Volkes entsprechend« und über-
tragen unbedachtsam allgemein menschliche Begriffe auf ein
einzelnes Volk. Ich bezweifle, dass es auch nur ein Laster
giebt, das bloss von einer Nation und nicht auch von An-
gehörigen aller anderen getrieben werden könnte und getrieben
wird, und wenn andererseits einzelne Tugenden bei einzelnen
Völkern oder Völkerfamilien besonders allgemein und glänzend
geübt und heilig gehalten werden, wie z. B. bei allen Orientalen
die Gastfreundschaft, so dürfen wir deswegen diese Tugend
den übrigen Nationen nicht indirekt absprechen, indem wir sie
als eine Nationaltugend etwa der Araber bezeichnen. Das
führt zu den bedenklichsten Uebertreibungen! Wir Deutschen
hören so gern, dass man uns bieder, fromm, stark, treu,
sinnig, gedankenreich, fleissig, goldlockig, blauäugig nennt —
wer wagte es aber im Ernst, diese schönen Beiworte für sich
selbst oder auch nur für den Durchschnitt unseres Volkes so
auschliesslich in Anspruch zu nehmen, dass für andere Nationen,
etwa für die sogenannten Erbfeinde, nichts Wesentliches von
ihnen übrig bleibt? Als ob es in Ost und West nicht Tausende
gäbe, die so gut wie Alemannen und Sachsen sich solcher
Vorzüge rühmen dürften!
Wir werden nur eingestehen, dass die Völker der Erde,
wie durch ihre Rassenmerkmale und durch den Grad ihrer
Gesittung, so auch durch die ihnen eigenthümlichen Zusammen-
ordnungen oder, sozusagen, Aggregatzustände der mensch-
lichen Grundeigenschaften sich voneinander unterscheiden;
aber ebenso sicher ist, dass wir dergleichen Unterschiede,
sofern sie sittliche Begriffe betreffen sollen, nicht festsetzen
können, indem wir sie von einzelnen Individuen entnehmen.