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Tschudi, Hugo von; Königliche Akademie der Künste zu Berlin [Mitarb.]
Kunst und Publikum: Rede zur Feier des allerhöchsten Geburtstages Seiner Majestät des Kaiser und Königs am 27. Januar 1899 in der öffentlichen Sitzung der Königlichen Akademie der Künste — Berlin: Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Königliche Hofbuchhandlung, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.70864#0020
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zur selben Zeit, je nach dem Grad der Geschmacksbildung,
in den verschiedensten Formen auf. Sie wechselt auch
nach den verschiedenen Künsten. Das, was in der Plastik
gefällt, ist etwas Anderes, als was in der Malerei gefällt.
Dort handelt es sich im Wesentlichen um die Schönheit der
formalen Erscheinung, hier um die der farbigen. Die Dar-
stellungsmittel, über die eine Kunstart verfügt, bestimmen
den Charakter ihrer spezifischen Schönheit. Das letzte Ziel
der malerischen Gestaltung wird immer in der Wiedergabe des
unendlichen Reichthums der Lichterscheinungen liegen. Alle
Probleme der Raumbildung, des Kolorismus, des Helldunkels,
der Pleinairs beruhen auf dem Versuche, ihrer Mannigfaltigkeit
Herr zu werden. Durch deren Bewältigung werden ebenso
viele Arten der malerischen Schönheit geschaffen. Gerade sie
sind es, denen die grosse Menge verständnisslos gegen-
übersteht. Aber auch dem gebildeteren Theil des Publikums
fällt es schwer, sich von den freilich unbewusst festgehaltenen
Lehren der Winckelmann’schen Aesthetik los zu machen, nach
der alle Schönheit in der Schönheit des Umrisses liegt. In
ihr erschöpft sich für den Laien der Begriff der Zeichnung,
die er nun in Gegensatz zur malerischen Behandlungsweise
bringt. Und er mag sich hierbei auf den sogenannten klassischen
Stil der italienischen Renaissance berufen, in der unter dem
Einfluss der antiken Plastik das formale Prinzip in den Vorder-
grund trat. Aber er sollte nicht übersehen, dass von der
florentinisch-römischen Cinquecentokunst aus kein malerischer
Fortschritt mehr möglich war, ebensowenig wie in Deutschland
von der Kunst Cornelius’ aus.
Ist es zu verwundern, wenn dieses selbe Publikum den
raffinirten Farben- und Lichtproblemen, die mit der Ent-
 
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