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Ausdrucks. Gretry sagt einmal in bezug auf das Verhältnis
des Gesanges zum Instrumentalpart in der Oper: »En general,
le sentiment doit etre dans le chant; l’esprit, les gestes, les
mines doivent etre repandus dans les accompagnements.« Man
möchte glauben, diese treffende Bemerkung sei aus einer Beob-
achtung von Mozarts Vorgehen abstrahiert, und doch hat
Gretry dessen Opern kaum gekannt. In der Tat finden wir
diese Forderung bei Mozart erfüllt: die Singstimme ist Trägerin
der Empfindung, doch nicht allein einer in ihrer Art zwar ge-
kennzeichneten, sonst aber allgemeinen Empfindung, sondern
der Empfindung einer ganz bestimmten musikalisch scharf
umrissenen Persönlichkeit; und das Orchester läuft darunter
hin, ausdeutend, gestikulierend und illustrierend. Wer Mozarts
Briefe kennt, der weifs, ein wie genauer Beobachter des Lebens
und der Menschen er war, und wie er mit wenigen Strichen,
mit einigen knappen Sätzen das Bild einer künstlerischen Er-
scheinung oder eines Charakters uns vor Augen zu stellen
vermag. In erhöhtem Mafse zeigt er diese Fähigkeit, sobald
er in Tönen schildert: er ist der erste Menschenbildner unter
den Opernkomponisten; alle, die vor ihm waren, auch der
grofse Barockkünstler Gluck, haben Typen modelliert, er schuf
Individuen. Jede Person redet bei ihm ihre eigene musikalische
Sprache, die Gräfin anders als Susanne und Cherubin, der
Graf anders als Figaro: Leporello, Zerline, Don Giovanni
und Donna Anna, Papageno und Tamino, jeder und jede
hat ein besonderes Gesicht, alle werden durch eine ver-
schiedene Art der melodischen Bildungen charakterisiert. Die
beiden Arien der Gräfin in »Figaros Hochzeit« lassen uns
ihr Wesen durchsichtig wie ein Kristallgefäfs erscheinen: ein
reines Menschenbild voll Hoheit und Unschuld. Diese Gräfin
ist ganz Mozarts Geschöpf, denn Beaumarchais hat sie anders
gebildet, als eine Weltdame, die nicht allzu vorsichtig mit dem
Ausdrucks. Gretry sagt einmal in bezug auf das Verhältnis
des Gesanges zum Instrumentalpart in der Oper: »En general,
le sentiment doit etre dans le chant; l’esprit, les gestes, les
mines doivent etre repandus dans les accompagnements.« Man
möchte glauben, diese treffende Bemerkung sei aus einer Beob-
achtung von Mozarts Vorgehen abstrahiert, und doch hat
Gretry dessen Opern kaum gekannt. In der Tat finden wir
diese Forderung bei Mozart erfüllt: die Singstimme ist Trägerin
der Empfindung, doch nicht allein einer in ihrer Art zwar ge-
kennzeichneten, sonst aber allgemeinen Empfindung, sondern
der Empfindung einer ganz bestimmten musikalisch scharf
umrissenen Persönlichkeit; und das Orchester läuft darunter
hin, ausdeutend, gestikulierend und illustrierend. Wer Mozarts
Briefe kennt, der weifs, ein wie genauer Beobachter des Lebens
und der Menschen er war, und wie er mit wenigen Strichen,
mit einigen knappen Sätzen das Bild einer künstlerischen Er-
scheinung oder eines Charakters uns vor Augen zu stellen
vermag. In erhöhtem Mafse zeigt er diese Fähigkeit, sobald
er in Tönen schildert: er ist der erste Menschenbildner unter
den Opernkomponisten; alle, die vor ihm waren, auch der
grofse Barockkünstler Gluck, haben Typen modelliert, er schuf
Individuen. Jede Person redet bei ihm ihre eigene musikalische
Sprache, die Gräfin anders als Susanne und Cherubin, der
Graf anders als Figaro: Leporello, Zerline, Don Giovanni
und Donna Anna, Papageno und Tamino, jeder und jede
hat ein besonderes Gesicht, alle werden durch eine ver-
schiedene Art der melodischen Bildungen charakterisiert. Die
beiden Arien der Gräfin in »Figaros Hochzeit« lassen uns
ihr Wesen durchsichtig wie ein Kristallgefäfs erscheinen: ein
reines Menschenbild voll Hoheit und Unschuld. Diese Gräfin
ist ganz Mozarts Geschöpf, denn Beaumarchais hat sie anders
gebildet, als eine Weltdame, die nicht allzu vorsichtig mit dem