Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0024
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
14

■ tung des Uebergangsstyles nachweist) für den Umbau der Krypta
als gesichert gelten lassen müssen.

Der altromanische Bau hat nun 100 Jahre nach seiner Wei-
hung einen umfassenden gothischen Umbau erfahren, der wahr-
scheinlich den besonde'rn Zweck hatte, ihn statt der Holzdecken
durch Gewölbe feuersichrer zu machen. Dieser Umbau erscheint
unzweifelhaft an den Verstärkungen, welche an die Arkadenpfei-
ler nach den Seitenschilfen' zu angesetzt worden sind, und deren
treffliche Profilirung- Bl. VII, Fig. 15, darstellt. Man erkennt ihn
ferner an dem gröfsten Theil der Fensterprofile der Noi’dseite,
an den Diensten nebst Konsolen, welche die Gewölbe des Mit-
telschiffs tragen, an der Vorhalle, endlich an den Vierungsbogen,
Wänden und Fen&tern des Chores. Aber die sämmtlichen Ge-
wölbe, derentwillen der ganze kostbare .Umbau erfolgte, sind
nicht mehr vorhanden, sondern diejetzigen Gewölbe zeigen eine
nochmalige spätere Erneuerung. Diese erst nach der genauesten
Untersuchung erkannte Thatsache läfst' sich durch mehrfache
Gründe stützen. Einmal haben die sämmtlichen jetzt vorhande-
nen Gewölbe alle Kennzeichen späterer Bauzeit. Sie sind aufser-
orderitlich dünn, kaum 4 Zoll stark construirt, sehr hochbusig,
ohne Kehlen in dem Scheitel gewölbt, und zeigen die Gurte .und
Rippen nach demselben Profil gebildet. Zweitens sind die sämmt-
' lichen gothischen Pfeilerprofile, welche um mehr Widerlager zu
bekommen, in den Seitenschiffen sowohl auf Wand- wie Pfeiler-
seite vorgelegt sind, am Kämpfer ohne alle Auflösung abgeschnit-
• ten und die Gewölberippen und Gurte auf Steinkapitelle unver-
mittelt aufgesetzt. Dazu kommt, dafs die Gewölberippen und
Schlufssteine des Mittelschiffs von denen der Seitenschiffe unter-
schieden sind. Die letzteren sind unzweifelhaft älter und nur
bei dem Erneuerungsbau benutzt. Endlich zeigt die Structur der
sämmtlichen Gewölbe bei einzelnen Nachlässigkeiten eine so si-
chere, langgeübte Technik, wie sie frühgothischen Bauten, na-
mentlich ihren Wölbungen nicht eigen zu sein pflegt. Das Ge-
sagte wird an den Chorgewölben am deutlichsten, deren technische
Struktur an die ähnlichen Chorhäupter von Wilsnack, Stendal u. a.
so auffallend erinnert, dafs man nicht anstehen kann, ihre Her-
stellung in eine gleiche Zeit, den Sehlufs des XIV. Jahrhunderts
zu versetzen. Der dritten, frühgothischen Bauzeit gehört auf
Bl. VII, aufser Fig. 1, 2, 4—8 noch Fig. 11 die nördliche Brü-
stungsmauer in der Vierung an, deren Profile von seltner Ele7
ganz und Reinheit sind. Als wesentlich charakteristisch für den
gothischen Umbau treten zwei Eigenthümlichkeiten auf, einmal,
dafs alle Profile und Kunstformen noch sehr entscbieden auf
Formen des Hausteinbaues zurückweisen, und dafs andrerseits
die meisten derselben nur einmal an jedem Profile auftreten, statt
wie in späterer Zeit mehrere Male hinter einander geordnet zu
werden. Die Chorwäride zeigen Bl. VI, Fig. 1 u. 2, unterhalb
der Fenster rundbogige Nischen und die Gewölbedienste wie im
Mittelschiffe auf Konsolen aufsetzend, eine Anordnung, welche
später in märkischen Kirch'en fast stereotyp auftritt. Auch der
Westg-iebel, d. h. der auf der Westmauer des romailischen Baues
aufsetzende Giebel ist von diesem gothischen Umbau erhalten.
Er zeigt in tüchtiger strengfer Bildung als Schmuck einen durch
Formsteine gebildeten Kreis, welchen zwei durchschlungene gleich-
•seitige Dreiecke stabwerksartig theilen, welche Gliederung in
ähnlicher aber nicht so bestimmter Weise auch an der Franzis-
kanerkirche zu Berlin und an pommerschen und hannoverschen
Kirchen mehrfach vorkommt. Dafs dieser kurz charakterisirte
Umbau gleich nach 1295 und 1296 erfolgt ist, worauf die oben
erwähnten reich begabten Ablafsbrieffe des Papstes und 14 seiner
Kardinäle hindeuten, scheint sehr wahrscheinlich, doch ist dar- ■
über urkundlich nichts Sicheres festzusetzen. Der nach 1324
beginnende Umbau der Kirche St. Godehard, ein ' ganz einheit-
licher Bau, zeigt aber schon so völlig andere Formen, dafs man
den gothischen Umbau des Domes nicht weiter, als auf höchstens
1320 stellen kann.

Den vierten und wesentlich letzteri Erneuerungsbau haben
wahi-scheinlich die um 1300 ausgeführten Gewölbe veranlafst,
welche ohne Anordnung von Strebepfeilern dem alten romani-

schen Bau hinzugefügt worden waren. Denn nur bei dieser
Annahme erklärt sich die Nachricht, dafs Bischof Dietrich von
Schulenburg schon 1377 wieder einen sehr umfassenden Repa-
räturbau anordnen mufs, der sich bis 1390 ausdehnt und beträcht-
liche Mittel des schon ungünstig gestellten Domkapitels erfordert.
Dieser Bau von 1377 zeigt sich in sämmtlichen durch kühne
Leichtigkeit und sichre Technik ausgezeichneten Gewölben, fer-
ner in dem Giebel des nördlichen Kreuzschiffes, in der Erneuerung
der südlichen Mittel- wie Seitenschiffsmauer, endlich in der hin-
ausgerückten, aber unvollendeten Westfa^ade mit dem Haupt-
portale. Dafs die beiden Südmauern erneuert sind, beweist der
Uinstand, dafs die Spitzbogenfenster • daselbst nicht, wie auf der
Nordseite, nachträglich und ohne Verband zu halten eingemauert,

sondern mit den Fenstern und ihren
Profilen in durchgehenden Lagerfugen
ausgeführt sind. An diesen Mauern
finden sich bereits Ziegelstempel die nur an solchen früheren
Bautheilen vorkommen, welche in dieser Zeit erneuert wurden.
Aufserdem erscheinen in die Wand eingelassene Rosetten, mit
theilweise schon spielend componirtem Stabwerk, wie dies Bl. VII,
Fig. 9 u. 10, zeigen. Mit grofser Wahrscheinlichkeit ist auch der
Verbindungsgang im nördlichen Kreuzschiffe, welcher die Ober-
gemächer der Stiftsgebäude mit dem Chore direkt verbindet und
mit einer mächtigen Zinnenwand, Bl. VII Fig. 3, als Schranke
eingefafst ist, ebenfalls aus' der Zeit des Bischofs Dietrich. Das
Hauptportal deutet durch die massigen, in abwechselndem Maafs-
stabe wiederkehrenden Thürprofile, welche mit denen der-St. Ka-
tharina Kirche in der Neustadt Brandenburg bereits Aehnlichkeit
haben, sowie durch die reiche, dem ältern BaCksteinbau fremde
Ausstattung der Wand- und Strebepfeilerflächen mit Stabwerks-
theilungen auf eine spätere Bauzeit hin. Nur das kapitellartige,
in Sandstein skulpirte Kämpferprofil mit Darstellungen aus der
Thierfabel scheint von dem ältern Bau hierher übertragen, da die
daran auftretenden Motive einerseits auf ältere Bildung zurück-
weisen, andrerseits die profilirten Formsteine in ihren Ausladun-
gen mit dem Sandsteinkämpfer nicht übereinstimmen. .Da der-
artige Portalbildungen an andern Bauwerken in vollendeterer
Weise vorhanden sind, so ist von einer Darstellung Abstand 'ge-
nommen worden. Derselben Bauzeit gehört en'dlich auch das
kleine halbachteckige Treppenthürmchen auf der Ostseite des
südlichen Kreuzschiffes an, da es ebenfalls die oben mitgetheil-'
ten Ziegelstempel besitzt.

Was schliefslich, wie erwähnt, „an Türnen und Kirchen“
1426 gebaut ist, sind die Mitteltheile des Nordthurmes, einzelne
erneuerte Oberfenster auf Nord- und Südseite und der achteckige
Treppenthurm auf der Südseite. Die in letzterem befindliche
Wendeltreppe zeigt vortreffliche Backsteinstufen von 8 Zoll Höhe
und 19 Zoll Breite incl. Spindelansatz aus einem Stück gebrannt,
und sauber glasirte Plinthensteine, die mit denen vom Mühlen-
thorthurme übereinstimmen.

Der nachmittelalterlichen Reparatur von 1669 bis 1672 sind
die charakterlosen abgerundeten Fensterprofile am Nordthurme,
sowie die sandsteinernen Wappen der Domherren, endlich die
1834 abgenommene Spitze zuzuschreiben, von welchen Bauthei-
len indefs so wenig wie von dem unerfreulichen Restaurations-
baue von 1834 Specielles mitzutheilen ist.

K u n s t w e r k e.

Von den im Dome vorhandenen Kunstwerken wird der go-
thische sandsteinerne Taufstein später mitgetheilt werden. Die
übrigen Sculpturen sind mit Ausnahme einiger Fragmente von
backsteinernen Grabplatten mehr historisch interessant, • als künst-
lerisch wichtig. Der älteste. Grabstein ist der des Domherrn
Peter v. Thure von 1281. Ein mächtiges Heilandskreuz, welches
bis 1834 unter dem westlichen Vierungsbogen hing, hat diesen
alten Platz seitde'm verloren und steht mit andern Holzskulptu-
ren in der Krypta. In dem Querschnitt Bl. VI. Fig. 1 ist es
dagegen als am ursprünglichen Orte befindlich mitgetheilt wor-
den. Dasselbe gilt von den Chorstühlen,' unter denen der des
 
Annotationen