Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0027
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
17

VIII. Pfarrkirche St. Katharina der Neustadt Brandenburg.

Historisches.

Das Stiftungsjahr dieser St. Katharina, St. Amalberga und
Nicolaus geweihten Pfarrkirche ist urkundlich nicht überlie-
fert worden, läfst sich aber in den Anfang des XIII. Jahrh.
setzen, weil die Neustadt als deutsches Dorf schon am Schlusse
Jes XII. Jahrh. genannt wird und bei raschem Waehsthum sehr
^ atd städtische Rechte und Bezeichnung erlangte. Die Kirche
ist von den Landesherren gestiftet und mit ihrer Hülfe erbaut
^orden, weil das Patronat erst im Jahre 1305 von denselben
an das Domkapitel überging ’). Die älteste urkundliche Erwäh-
luing fällt in das Jahr 1224, wo ein an der Kirche fungirender
^ikarius genannt * 2 3) wird. Sechszig Jahre später mufs die Kir-
°ke schon mehr Bedeutung gehabt haben, da ein Pfarrer und
zWei Diakonen als Geistliche daran erscheinen. In dieselbe
Zeit weist das Datum einer nicht mehr vorhandenen, aber in
^rer Inschrift überlieferten GJocke hin, deren leoninische Verse
lauteten:

Sancte Catherine — laus sit sine fme.
MCCLXXXVII.

Da diese Glocke der Mittheilung des Garcaeus 2) zufolge,
50 Ctr. gewogen hat und der alte quadratförmige Thurm, wel-
cher sie trug, eine Höhe von 80 Ellen besafs, so kann auf ein
Zlemlich ansehnliches Gebäude geschlossen werden, welches in
Unbekannter Zeit gegründet und 1287 so weit vollendet war,
dafs es die letzte Ausstattung empfangen konnte. Hierauf scheint
die bei Pincke, a. a. 0. S. 425 erhaltene, bisher unerklärte Nach-
richt, dafs im „Jahre 1270 die St. Pauls-Kirche dieser Neustadt
fertig geworden ist, wie man am alten Chor die Jahres-
Zah 1 sahe “, bezogen werden zu können; nur mufs St. Katha-
rinen -Kirche dieser Neustadt an Stelle von St. Paul ge-
setzt werden. Der Hauptgrund, welcher für diese Umänderung
spncht, ist der, dafs laut noch vorhandener Inschrift in der St.
Pauls-Kirche die Dominikaner-Mönche erst im Jahre 1286 vom
^farkgrafen Otto dem Langen einen ihm gehörigen Hof zum
Kloster geschenkt erhalten, darauf ein Gotteshaus erbauen und
^sselbe noch im selben Jahre feierlich einweihen 4). Hieraus
geht hervor, dafs, wenn dieser erste Bau von St. Paul, wie so
häufig^ (fie Herstellung des Chors umfafste, derselbe kein ande-
res Datum empfangen und zeigen konnte, als das Jahr 1286.
°hl aber hat der Chor der ältern Kirche von St. Katharina
ls zum Jahr 1395 gestanden, wo er dem jetzigen Neubau wei-
chen mufste. Sehr möglich ist es nun, dafs dieser Abbruch auf
. as altere Datum von Neuem aufmerksam machte und dasselbe
111 der oben angeführten kurzen Notiz überlieferte. Dazu kommt,
8 eine ähnliche Verwechselung zweier Kirchen bei einem der
altesten und gewissenhaftesten nachmittelalterlichen Historiker,
m naehrfach erwähnten Garcaeus, vorkommt, welcher nach-
^eislich St. Johannes mit St. Paul verwechselt 5).

Hierauf gestützt und unter Bezugnahme auf die Thatsache,
1111 Jahre 1287 eine für jene Zeiten sehr grofse Glocke si-

dafs

cher vorhanden ist, scheint die Annahme gerechtfertigt, die Vol-
lendung des Chorbaues der älteren St. Katharina-Kirche in das
Jahr 1270 zu setzen. Doch ist man nicht im Stande, von die-
Sern älteren Bau eine gesicherte Vorstellung zu gewinnen, da
jede weitere Andeutung über Form und Beschaffenheit dessel-
hen fehlt. Besser unterrichtet sind wir über die weitere reiche
h-wsstattung der Kirche durch Schenkungen, Vermächtnisse und
daran geknüpfte Altarstiftungen, womit fast jeder Landeshen
v°n Woldemar, dem letzten Anhaltiner, bis auf Kaiser Kail IV.
Seinen christlichen, wohlthätigen Sinn bethätigte 6).

Von Wichtigkeit war es, dafs Bischof Dietrich v. Schulen-
rg im Jahre 1372 durch einen besondern Erlafs empfahl, eine

’) Vergl. Riedel, a. a. 0. A. VIH. 201.

а) Heffter, a. a. O. S. 172.

3) Garcaeus, a. a. O. I, p. 346.

4) Vergl. unten XIV. Klosterkirche St. Paul.

5) Vergl. unten XIII. IClosterkirehe St. Johannes.

б) Vergl. Riedel a. a. O. VIII. 207. 224. und IX. 37. 39. 40. 56. 300.

bu:

von ihm geweihte und in einer kostbaren Monstranz verschlos-
sene Hostie bei ihrer Ausstellung und Procession in der St. Ka-
tharinen-Kirche hochfeierlich zu verehren '). Der Zulauf der
Gläubigen, sowie der Reichthum der an Macht und Ansehen
aufserordentlich gewachsenen Neustadt, endlich die baulustige
Thätigkeit des Bischofs selbst, welcher am Hofe Carls IV. eine
einflufsreiche Stellung eingenommen hatte, scheinen um das Jahr
1380 den Rath veranlafst zu haben, einen grofsartigen Neubau
der Pfarrkirche zu beschliefsen und vorzubereiten.

Zu diesem Behufe erliefs Bischof Dietrich (welcher grade
damals den oben S. 12 erwähnten Umbau des Domes betrieb)
auf Bitten des Rathes der Neustadt schon 1381 einen vierzig-
tägigen Ablafsbrief für die Zwecke des Baues (ad structuram
et alia ornamenta ecclesiastica). Es ist dies der erste Ablafs-
brief für St. Katharina, an den sich im Laufe der Jahre und
wahrscheinlich dem Fortschreiten des umfangreichen Baues ent-
sprechend andere derartige Indulgenzschreiben vom Papst Bo-
nifazIX. 2), vom Erzbischof Johann von Riga :J), den Bischöfen
von Havelberg, von Lebus '), Meifsen, Naumburg, Lübeck, Cam-
min etc. in fast ununterbrochener Folge von 1385—1402 an-
schliefsen. Das bei Fincke, a. a. O. 1752. S. 4, erhaltene summari-
sche Verzeichnifs ergiebt die bedeutende Summe von 1806 Tagen
Ablafs und den Erlafs von 37 Carenen (Fastentagen bei Wasser
und Brot), zu welcher ein Papst, 3 Erzbischöfe und 15 Bischöfe
beigesteuert hatten. In einem Bestätigungsdocumente des Bi-
schofs Dietrich heifst es mit Bezug auf diese Ablafsertheilungen:

ad praedictam restaurandam et ad fabricam hujus ecclesiae,
wobei hervorzuheben ist, dafs die Ablässe des Papstes 1394, des
Erzbischofs von Riga und des Bischofs von Meifsen 1392 sich
ausdrücklich auf den Bau und die würdige Feier in der Frohn-
leichnamskapelle an der Katharinen - Kirche beziehen-

Der Nachricht des Neustädter Schöppenbuchs zufolge hat
man am 14. Februar 1395 angefangen, das Gemäuer der alten
Kirche abzubrechen 5) und ist der Bau, wobei die Westfront mit
dem alten Thurm stehen blieb, im Wesentlichen 1401 vollendet
worden. Auf die Vollendung bezieht sich die auf einer gebrann-
ten Thontafel an der nördlichen Kapelle befindliche gleichzei-
tige Inschrift, welche nach Auflösung der üblichen Abkürzun-
gen lautet:

Anno domini MCCCCI constructa est haec ecclesia in die
assumtionis Mariae virginis per magistrum Uinricum Bruns-
bergh de Stettin.

Doch kann die Vollendung des Baues, namentlich der Frohn-
leichnamskapelle (an welcher diese Inschrift befestigt ist) zu jener
Zeit noch nicht eingetreten gewesen sein, da Bischof Johann IV.
von Lebus 1401 einen abermaligen Ablafsbrief allen denen er-
theilt, welche in der Kirehe zu Ehren des Frohnleichnams die
Messe anhören und- der Brüderschaft desselben (der Frohnleich-
namsgilde) zum Bau und zur Verzierung ihrer Kapelle an
der Kirche beisteuern würden. Die folgenden Zeiten, welche
durch die Unthätigkeit des fremden Regenten Jobst von Mäh-
ren und die ehrgeizigen Bestrebungen der Quitzow’s einen Zu-
stand völliger Rechtlosigkeit und Unsicherheit in den Marken
herbeiführten, haben die gänzliche Vollendung des Baues und
seine letzte Ausstattung noch weiter hinausgeschoben. Nur 1409
wird ein neuer Altar des heiligen Blutes gestiftet und wahr-
scheinlich nach Vollendung des dazu gehörigen Kapellenbaues
an der Nordseite der Brüderschaft des heiligen Blutes (frater-
nitas corporis Christi) übergeben. Darauf finden sich 1422 6),
1425 und 1437 wieder Ablässe, welche für die Frohnleichnams-
kapelle und ihren Altar ertheilt werden. Den letzten derselben
giebt Bischof Stephan (Bodeker) v. Brandenburg bei einer neuen
Weihung des Frohnleichnamsaltars 7). Doch sorgen der Rath

') Riedel, Vm. 298.

2) Riedel, IX, 71, besonders für die würdige Feier des Froknleiclmamsfestes.

3) Riedel, VHI, 368 besonders für die baulichen Zwecke der Frohnleichnamsgilde.

4) Riedel, IX, 81.

5) Heffter, a. a. O. S. 239.

6) Riedel, Vin, 395 besonders zurVermehrung und Erneuerung von Lichtern, Ge-
räthen ete. bei der Frohnleichnamsmesse.

7) Riedel, VIII, 407.

5
 
Annotationen