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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0030
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20

kapelle beobachtete Oonsequenz, dafs die Strebepfeiler als eine
geschlossene Einheit von unten auf bis zur höchsten Spitze hin-
durchgehen. Wahrscheinlich hat man von dieser Anordnung Ab-
stand genommen, um die schon vorhandenen Strebepfeiler der
Südfaqade benutzen zu können. Dann war aber keine andere
Lösung möglich, als das Faqadensystem des Schiffes, indem
man es hinausrüekte, an der Südfront der nachträglich ange-
bauten Kapelle zu wiederholen, dasselbe oben mittelst eines Ge-
simses nebst starker Abwässerung abzuschliefsen und den Gie-
belbau als ein besonderes, für sich bestehendes Ganze zu ent-
wickeln *). Der eigentliche Dachgiebel liegt hinter dem reich
gegliederten Wandbau versteckt, so dafs das Maafswerk in der
Mitte reliefartig vor der geputzten Giebelwand vortritt, an den
Seiten aber ganz durchbrochen gegen die Luft sich absetzt.
Aufserdem zeigt dieser Bau die für die Struktur wichtige An-
ordnung, dafs die oberen Wände zwischen den Fialen noch ein-
mal mittelst eines sehr hohen Gurtgesimses horizontal getheilt
werden, wodurch eine sehr zweckmäfsige Verankerung der
schwachen und durchbrochenen Wände erzielt wird. Dieser
Abweichung und der treffiichen Verhältnisse halber ist dieser
Giebel auf Bl. XIII, Fig. 2 in demselben grofsen Maafsstabe wie
die Frohnleichnamskapelle und die Seitenansicht des Nordgiebels
mitgetheilt worden. Die schönsten und wichtigsten Detailformen
von allen Bautheilen ergeben die Figuren 2 und 3 auf Bi. XII,
sowie 3 bis 13 auf Bl. XIII, deren Platz und Stellung innerhalb
der gröfseren Bautheile leicht zu ermitteln ist.

Von der Detailgliederung der die Kirche umgebenden
Strebepfeiler mit Maafswerk, Nischen, Ziergiebeln und Thon-
sculpturen giebt Bl. XII, Fig. 6 in Verbindung mit dem Grund-
risse Bl. XI, Fig. 3 hinreichenden Aufschlufs, wobei nur das
Maafswerk und die abwechselnden Schichten der Einfassungs-
steine schwarzgrün zu denken sind. Dasselbe gilt von den
auf der Nord- wie Südseite belegenen Portalen, deren Profil
Bl. XI, Fig. 6 darstellt. Die Fenster sind dagegen, wie das Fa-
gadensystem Bl. XII, Fig. 4 zeigt, ohne glasirte Steine nach dem
Profile Bl. XI, Fig. 4 aufgemauert, stehen aber auf einem glasir-
ten Gurtgesimse und besitzen Abdeckungen von grün glasirten
Steinen.

Dafs über dem Hauptgesimse noch eine durchbrochene Gal-
lerie von Spitzgiebeln oder eine Art Zinnenkranz die Fa^ade ge-
krönt hat, ist sehr wahrscheinlich, da nahe verwandte Pracht-
bauten derselben Epoche derartigen Schmuck noch heute zeigen
oder ihn besessen haben. Zu den ersteren gehören St. Maria in
Prenzlow, Rathhaus in Tangermünde, St. Maria in Stendal, Obei*-
kirche zu Frankfurt a. d. 0., St. Nicolaus in Wismar 2). Ferner be-
safs eine solche Giebelgallerie die schöne abgebrochene Kirche
St. Maria in Stettin und, nach einer älteren Abbildung zu urthei-
len, St. Maria zu Königsberg in der Neumark. Ueberdies ist der
mit dem Hauptgesimse verkröpfte Abschlufs der Strebepfeiler
so angelegt, dafs eine weitere Fortsetzung mindestens beabsich-
tigt gewesen sein mufs. Von solcher Anordnung giebt das nach
Motiven der Frohnleichnamskapelle in diesem Punkt restaurirte
Fa^adensystem Bl. XII, Fig. 4 eine annähernde Vorstellung.

Das Innere der Kirche ist, obschon etwas niedrig, von edler
räumlicher Wirkung, besonders wirkungsvoll der unterhalb der
Fenster angeordnete Umgang, dessen Tragebogen kleine Kapellen-
räume überdecken. Auch die hohen Spitzbogenfenster, welche
eine Fülle von Licht einströmen lassen, sowie die einheitliche
Deckenconstruction tragen zu dem harmonischen Eindrucke bei,
den selbst die schweren Pfeiler mit ihren nüchternen Profilirun-
gen Bl. XII, Fig. 5 und die mageren Gewölberippen nicht wesent-
lich beeinträchtigen können. Doch bleibt die Thatsache auffal-
lend, dafs das Innere nirgends mehr edel gezeichnete, mit Laub-
werk bekleidete Konsolen und Kapitelle zeigt, wie in den früh-

') Eine Abbildung der Gesammt-Fa^ade dieser Kapelle findet sich in v. Minutoli’s
Werk: Denkmale mittelalterlicher Kunst in den Brandenburgisehen Marken, aber ebenfalls
in unriclitigen Verhältnissen und ohne Charakteristik der ICunstformen.

2) Auch die Bl. VII, Fig. 3 mitgetheilte Brüstungsmauer aus dem nördlichen Kreuz-
arme des Domes giebt eine derartige Anordnung in etwas älterem und strengerem Charakter.

gothischen Backsteinbauten bei selbst beschränkten Mitteln und
kleinem Maafsstabe. Wahrscheinlich hat auch das Innere eine
jetzt nicht zu erkennende dekorative Ausstattung mittelst gla-
sirter Schichten und Gliederungen besessen, wie die äufseren
Faqaden. In dieser vorherrschenden Neigung zum Glänzenden
und Bunten und der Vorliebe für ausschliefslich geometrische
Formen erkennt man aber, wie bei der grofsen Höhe techni-
scher Vollendung der Verfall echt künstlerischer Leistungen schon
nahe war.

Kuristwerke.

An ausgezeichneten
Kunstwerken ist St. Katha-
rinen-Kirche arm, doch ver-
dient das grofse in Messing
gegosseneTaufbecken, wel-
chesjetzt inder Frohnleich-
namskapelle aufgestellt ist,
eine ehrenvolle Erwähnung,
zumal da so viele ähnliche
Arbeiten in den Marken be-
reits zu Grunde gegangen
sind. Wie der Holzschnitt
zeigt, besteht dasselbe aus
zweiTheilen, demursprüng-
lich schwebend aufgehäng-
tenDeckel und dem grofsen
mit dem Relief der Taufe
Jesu, den Figuren derApo-
stel, St. Katharina und St.
Amalberga geschmückten
Becken. Bei einer sehr der-
ben, handwerksmäfsigen
Behandlung der etwas kurz
gezeichneten Figuren ist
doch eine so liebevolle Be-
handlung der Details und
eine so treffliche Technik
sichtbar, dafs man das auch
in den Abmessungen bedeu-
tendeTaufbecken—12Fufs
hoch — als eine sehr ach-
tungswerthe mittelalterli-
che Kunstarbeit in denMar-
ken gelten lassen mufs. Die
deutsche Inschrift an dem
unteren Rande des Beckens
lautet:

„Na Gods Gebort, vir-
teyn hundert in teme vir-
zigsten Jar is gemaket
desse Dope by der Borgermeister Tyden: Hermen Dames,
Claus Copernik, Wilke Mutzelitz, Hans Monnik, Andreas
Palmdach und Claus Frikke.“

An der Basis ist das Zeichen des Künstlers (ein Mühlstein)
und darüber die Inschrift:

„Meister Tyterich Molner von Erphort hat gegossen desse
Toufe.“

Die Inschrift an dem Deckel enthält die Namen der Kir-
chenvorsteher oder Godeshus-lude.

Der in Holz geschnitzte Hochaltar mit zierlichen Architektur-
Details enthält oben die Kreuzigung, darunter Darstellungen aus
der Passion sowie aus dem Leben der heil, Katharina '). Die
hinter den etwas derb behandelten Figuren befindliche Inschrift
giebt Datum und Künstlernamen, nämlich:

Anno MCCCCLXXIIII per Gerard. Weger.

’ ) Heffter hat in dem Werkehen: Brandenburg u. s. Alterth. S. 108 ausführliche
Mittheilungen über den Hochaltar gegeben.
 
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