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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0044
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rich V., welcher ihn in Salzwedel belagerte, erfolgreich wider-
stehen konnte. Nach bald geschlossenem Frieden besuchte der
Kaiser 1112 die hier zum ersten Male in der Geschichte erschei-
• nende Stadt Salzwedel (slavisch Losdy genannt) *). Nach dem
Abtreten dieses Grafen Eudolf vom politischen Schauplatze 1114,
verblieb die Markgrafschaft nur noch kurze Zeit dem Stadischen
Hause, da ein schweres Schicksal die männlichen Kachkommen
desselben bis zum Jahre 1144 hinwegraffte.

Schon im Jahre 1130 wurde Konrad von Plötzkau (die
Sachsenblume genannt) mit der Markgrafschaft belehnt und
nach dessen frühem Tode empfing sie Graf Albrecht von Bal-
lenstädt. Erst dem thatkräftigen und staatsklugen Auftreten
dieses Mannes gelang es, die von Kaiser Otto I. angestrebten
Pläne zur Germanisirung des Landes und Ausbreitung des christ-
lichen Glaubens zur Verwirklichung zu bringen. Unter harten
Kämpfen sicherte er die Altmark, eroberte die Priegnitz und
■ das feste Havelberg, erwarb durch Schenkung die Zauche und
durch Erbschaft die Stadt Brandenburg und stärb 1170 hoch-
geehrt nacli einem langen thatenreichen Leben, welches er nur
der Erweiterung der deutschen Herrschaft und Ausbreitung der
christlichen Kirche g'eweiht hatte. Unter Albrecht dem Bären
erkennt man überall die zahlreichen Spuren lebendiger Kultur-
entwickelung auf allen Gebieten, mit ilim beginnt auch die Bau-
geschichte der Altmark.

Alle Denkmale des Landes, welche vor Albrechts Herrschaft
fallen, sind entweder durch kriegerische Ereignisse zu Grunde
gegangen oder durch spätere Erneuerung beseitigt worden. Das
älteste Bauwerk ist der ungeheure in Granit erbaute Rundthurm,
welcher früher die Westfront von St. Maria in Salzwedel schmüqkte
und später so umbaut wurde, dafs er jetzt in der Kirche steht.
Es ist ein formloser, gewaltiger Baurest, der sehr wohl dem An-
fange des XII. Jahrhunderts entstammen und der damals eben
entstandenen Pfarrkirche angehört haben kann. Alle übrigen
älteren Bauwerke verdanken Albrecht dem Bären oder seinen
ersten eben so kräftigen Nachfolgern ihre Entstehung.

Die für die Entwickelung der Baukunst in dem nordöstli-
chen Deutschland folgenreichste That war die durcli Markgraf
Albrecht und Bischof Anselm von Havelberg in den Jahren
1146—49 bewirkte und noch später fortdauernde Einführung
niederländischer Kolönisten in die Altmark, * 2). Neben der ur-
kundlichen oder. chronistischen Aufzeichnung erkennen wir ihre
Anwesenheit und die ersten Punkte der erfolgten Ansiedelung
durch das plötzliche Auftreten des Backsteinbaues und zwar ganz
den Angaben des glaubwür'digen Helmold entsprechend in einer
losen Kette von gröfseren und kleineren Bauwerken, die von
Salzwedei bis Seehausen, Osterburg und Werben reicht und auf
dem rechten Elbufer die Gegend von Jerichow und Sandow um-
fafst. Als Hauptausgangspunkt dieser neuen Technik erscheint
das 1144 von den letzten Nachkömmen des Stadischen Grafen-
hauses gestiftete, 1148 verlegte und 1149—59 neu erbaute Kloster
Jerichow, welches in sich Anfang und höchste Stufe der tech-
nischen Behandlung des Backsteinbaues' darstellt und daher für
die Marken von gröfster Wichtigkeit geworden ist. Von hier aus
wurde um 1157 die neue Technik an das Kloster Diesdorf bei
Salzwedel übertragen und fortan auch in den Bauten der Stadt
Salzwedel konsequent geübt. Ebenso zeigen die ältesten Reste
der Pfarrkirche St. Johannes zu Werben, welche Albrecht 1160
dem Johanniter-Orden vereignete, nur Backsteinbau, ohne jede
Anwendung von Granit und beweisen schon dadurch die auch
sonst gesicherte Ansiedelung holländischer Kolonisten in näch-
ster Nähe. Noch etwas früher, schon 1151 war die jetzt ver-
schwundene aber noch in der Erinnerung älterer Personen le-
bende Pfarrkirche St. Jakob zu Seehaüsen ebenfalls in Back-
steinen erbaut worden, wie diese Technik auch die auf der älteren
Stadtstelle belegene Pfarrkirche St. Martin zu Osterburg noch
wohl erlialten zeigt. Mitten in der für niederländische Ansiede-

1) Wöhlbrück, a. a. 0. S. 22. Riedel, Mark Brandenburg I. 42.

2) Yergl. unteu:' I. Klosterkirche zu Jerichow.

lungen besonders geeigneten Wische, dem sumpfigen Lande zwi-
schen Aland und Elbe, erhebt sich noch jetzt die stattliche drei-
schiffige Basilika des Dorfes Boyster, welche eben so unzwei-
felhaft den niederländischen Einflufs zu erkennen giebt. Alle
diese Bauwerke, an welche noch kleinere Kirchen des Landes
Jerichow in ununterbrochener Folge sich anreihen, dürfen als
unverwerfliche Zeugen der mit nicht geringen Mitteln ins Leben
gerufenen Kolonisation des Landes durch niederländische An-
siedler betrachtet werden ').

Neben der Beförderung der Kolonisation erkennt man aber
Markgraf Albrechts energische Thätigkeit auch in der Grün-
dung von Städten, an deren Spitze das schon 1022 erwähnte
Dorf Stendal 2) steht. Kaum hatte ca. 1150 3 4 5) diese Stadt Markt-
und Zollgerechtigkeit empfangen, so wurden gleiche Vergün-
stigungen sehr bald Seehausen ca. 1151 ') und nicht viel spä-
ter Osterburg zu Theil. Neben dieser Begründung bürgerlicher
Verhältnisse erscheint auch die Stiftung einer Reihe von Kir-
chen und Klöstern, welche theils von Albrecht, theils von
seiner Familie oder von 'angesehenen Vasallen begründet wur-
den. Besonders thätig zeigt sich das Haus-’ der Grafen von
Osterbürg. Von Werner III, Schwager Albrechts wird 1157—60
das Kloster Krewese zum Seelenheile seines bei der letzten Be-
lagerung Brandenburgs gefallenen Sohnes erbaut 3). Es ist dies
der älteste Gewölbebau der Altmark, unbehilflich und schwer in
Granit, aber bereits mit schmuckartiger Verwendung von Back-
steinen erbaut. Dasselbe edle Geschlecht bethätigt sodann seinen
kirchlichen Sinn an der Herstellung der zweiten Pfarrkirche St.
Nikolaus zu Osterburg, so wie der Dorfkirchen zu Kalberwisch
und Königsmark 1164, alles Bauwerke,' welche den direkten Ein-
flufs der in Krewese festgehaltenen sächsischen Bauweise in Gra-
nitquadern beweisen. Diese ältere Bauweise blieb neben der mehr
und mehr um sich greifenden Backsteintechnik noeh einige Zeit
in. Uebung. Dafür sprechen St. Georg zu Arneburg, St. Jakob
zu Stendal, beide ca. 1150, desgleichen St. Nikolaus zu Tanger-
münde ca. 1175 erbaut und viele in jener Zeit des ersten Auf-
schwunges gestiftete Dorfkirchen.

Aber die so einleuchtenden Vorzüge des Backsteinbaues
liefsen den Sieg zwischen beiden Bauweisen nicht lange zweifel-
haft. Mit zwei ganz vereinzelten Ausnahmen ist nach dem Jahre
1200 kein kirchliches Bauwerk mehr in den Städten der Altmark
in Granit erbaut worden, nachdem bereits seit 1160 die gröfseren
Kirchen und Klöster den Backsteinbau angenommen hatten. Die
letzteren Stiftungen sind es auch, welche mit grofser Konsequenz
den Gewölbebau einführten, wie dies Arendsee nach 1184, Dies-
dorf bis 1188, St. Maria zu Salzwedel ca. 1190 beweisen und
wie es von St. Stephan zu Tangermünde 1186 und dem Dom
St. Nikolaus zu Stendal vermuthet werden kann. Der Erbauer
der beiden letztgenannten Bauwei’ke, Graf Heini'ich von Garde-
legen, ein Sohn von Markgraf Otto I., hat auch wahrscheinlich
bei dem Bau der Pfai’rkirche St. Maria zu Gardelegen die neue
Technik in Anwendung gebracht, die dann später bei dem Bau
der zweiten Pfarrkirche St. Nikolaus (1222 geweiht) festgehal-
ten wurde.

Alle diese Bauwerke zeigen den romanischen Styl mit den
im innern Deutschland damals allgemein übiichen Formen, welche
Anfangs in grofser Schlichtheit, doch mehr und mehr unter An-
wendung von Werksteinai’beiten in immer gröfserem Reichthum
auftreten. Belege hierfür giebt besonders Kloster Jerichow in
derKrypta und den Klostergebäuden, wie nicht minder das praclit-
volle Westportal der Pfari'kirche von Seehausen.

') Durch die baugeschichtliche üntersuchung und Zusammenstellung dieser Bauwerkc
wird die älteste ICulturgeschichte der Mark Brandenburg nicht unwesentlich bereichert. Auch
miissen danach die bisherigen zu begränzten Annahmen iiber Umfang und Einfiufs diesor
Kolonisation berichtigt werden. Eine ausführliche Abhandlung des Verfassers über dicscn
Gegenstand wird in dcn Märkischen Forschungen Bd. VII. erscheinen.

2) Bisch. Bernward v. Hildesheim vereignete 1022 den Zehnten des Dörfes „Steinedal“
an das St. Michaelskloster. Iiaumer Reg. 470.

3) Riedel, Mark Brandenburg I. 117.

4) Riedcl, Cod. dipl. VI. S. 338.

5) Vergl. nnten VI. Ivlosterkirche zu Krewese,
 
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