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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0045
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Wahrscbemlich durch den hTeubau der Kathedrale zu Mag-
deljurg seit 1207 veranlafst, giebt sich darauf in’kaum zwei Jahr-
Zehnten bei allen' Neubauten ein mehr und mehr hervortreten-
des Schwanken in der Benutzung der Kunstformen zu erkennen.
■^ieses Schwanken, welches die schnelle Entwickelung des Ueber-
S angstyles begleitet, ist in den Bauwerken der westlichen Alt-
lnark, im Kloster Dambeck 1224, in St. Nikolaus und St. Maria
Zu Uardelegen, in derWestfront von Diesdorf 1223 und in der
gröfsten Vollendung in St. Lorenz zu Salzwedel ca. 1230 be-
s°nders deutlich zu erkennen. Gleichzeitig macht sich das Be-
streben, den bis dahin üblichen Basilikenbau zu verlassen und
den Hallenkirchenbau anzuwenden in vereinzelten Lrscheinun-
§en geltend, wie dies z. B. zu Gardelegen und Seehausen er-
sichtlich ist, Selbst von dem Versuche eines höchst eigenthüm-
üchen gewölbten Centralbaues der Klosterkirche St. Spiritus zu
^alzwedel wird berichtet, dessen bedeutende Reste erst am Schlusse
des vorigen Jahrhunderts abgetragen worden sind.

Endlich erscheint in einem Cistercienser-Nonnenkloster die
einfache aber vortreffliche altgothische Baukunst, allerdings noch
lnit Reminiscenzen des Uebergangstyles versehen und ohne An-
^endung von Gewölben. Das Klos-ter Neuendorf bei Gardelegen,
v°n 1230—45 erbaut, zeigt diese bemerkenswerthe Thatsache,
Avie ohne Zweifel die nicht mehr vorhandene grofse Dominika-

Uerkirche zu Seehausen dieselben Eormen mit Gewölben bereits
d2">4 übertragen hatte. Als'ausgezeichnete Reste des fast go-
d Jschen Uebergangsstyles müssen die ziemlich gleichzeitig erbau-
ten Westfronten des Domes zu Stendal und des Klosters Jeri-
eh°w in der Mitte des XIII. Jahrhunderts erwähnt werden, wie
eine gleichzeitige, aber untergeordnete Bauthätigkeit auch zu
alzwedel in St. Maria und St. Katharina sichtbar ist.

Uoch von ' der Mitte des XIII. Jalirhunder.ts ab wird ein
^tscbiedenes Nachlassen der Bauthätigkeit in der Altmark
s'chtbar, eine Thatsache, welche einmal dadurch erklärt werden
ann, dafs die ersten und nächsten kirchlichen Bedürfnisse im
^ ame des einen Jahrhunderts befriedigt waren, andrerseits aber
dUn gesucht werden rnufs, dafs der Schwerpunkt der Mark Bran-
^ üburg nicht mehr in. der Altmark lag, sondern demVorwärts-
angen der rastlos thätigen Markgrafen entsprechend mehr nach
" en hingerückt war, wo Städte wie Frankfurt und Prenzlow
etnporzublühen anfingen. Durch diesen IJinweis auf die politische
i 1 Wlckelung des Landes wird auch die Thatsache erklärt, wes-
cl J die Altmark gar keine Bauwerke der vollendeten gothi-
R lGn besitzt, sondern zu einer Zeit, wo die Klöster Chorin,

j uPpin, Straufsberg u. A. erbaut wurden, nur ganz untergeordnete
Sf Ule ^ an’^b’chen und Kapellen, wie St. Gertrud, St. Peter und
^ akob zu Stendal, St. Georg zu Salzwedel hervorbringt. In
^_ ese Zeit fallen die alten Befestigungen der Städte, besonders

• le klauern und Thore von Stendal in Granit erbaut von ca.

-1300 und wohl kurze Zeit darauf aber ganz in Backsteinen
^Hchtet, die Mauern und Thore von Tangermünde, desgleichen
v°n Salzwedel und Seehausen.

-p Uer einzige erhebliche Bau jener Zeit in edel gothischen

• 01 men ist der Erneuerungsbau von St. Stephan zu Tangermünde

/^fäöge des XIV. Jahrh. begonnen und einheitlich durch-
. 1 Dann aber hört, durch die ernsten politischen Verhält-
ti> Se bes Landes veranlafst, fas't jede Baüthätigkeit auf. Schon'
einar, der letzte Askanier hat trotz seiner hervorragenden
j lschen Stellung keinen nennenswerth wichtigen Bau hinter-
' 11 und noch weniger ist von seinen Naclifolgern zu meklen.
gi’af ^ ^ weUher nach harten Kämpfen zwischen den Mark-

da^ Cn ^ 6S bairischen Idauses und anderen Landesprätendenten,
Land unter Kaiser Carl IV. sich zu erfreuen hatte, unter-
die

- von diesem Fürsten veranlafsten Unternehmungen.
^ s ist bekannt, mit welcher besonderen Vorliebe der Kaiser m
stillen, freundlich gelegenen Tangermünde an der Elbe re-
sidhte und von 1374 ab daselbst ein Schlofs nebst glänzend aus-
gestatteter Kapelle erbauen liefs. Leider ist diese Kapelle wie
^ehrere andere seiner kirchlichen Bauten in Tangermünde spur-

los untergegangen und wir können seinen Einflufs auf die Bau-
kunst der Altmark nur an dem mächtigen Kapitelsthurme auf
dem Schlosse, noch mehr aber an dem Umbau von St. Stephan,
welches er zum Domstift erhob, bemessen. Letzterer Bau wurde
1376 begonnen und bis 1398 durch Meister Minhard von Wol-
derode fortgeführt.

Dennoch fand die von Carl IV. angeregte Bauthätigkeit,
einige Umbauten zu Salzwedel abgerechnet, keinen wesentlichen
Fortgang. Die Altmark litt wie die übrigen Landestheile unter
dem furchtbaren Drucke der Rechtsunsicherheit der öffentlichen
Zustände, der erst durch das Auftreten des neuen Herrscherge-
schlechts der Hohenzollern zum Heil des Landes und zum Segen
in der Kunst beseitigt wurde.

Nach dem Vorgange der Ordenskirche zu Werben, welche
in zierlich glänzenden Formen von 1403—11 einen Umbau des
Schiffes erfahren hatte, der sogleieh am Schiffe der Pfarrkirche
zu Seehausen kopirt worden war, erhebt-sich erst vom Jahre
1420 an §in neuer Aufschwung, den man in ununterbrochener
Folge in einer Reihe von Bauwerken verfolgen kann, die zu den
besten Leistungen der spätgothischen Kunst gerechnet werden
müssen. An der Spitze steht der grofsartige Neubau des Domes
zu Stendal, yon einem äusgezeichneten Meister um 1420 be-
gonnen und mit mancher Unterbrechung gegen 1463 von einem
zweiten Meis.ter beendigt. Der erste, leider unbekannte Meister
erbaute auch gleichzeitig das hochvollendete Ünglinger Thor
zu Stendal ca. 1436 und die schöne nur noch in Ruinen- erhaltene
Ivirclie des Klosters Allerheiligen zu Tangermünde 1439. An
die Wirksamkeit dieses Meisters schliefst sich direkt die Thätig-
keit anderer einheimischer, mehr oder weniger begabter Meister
an, während andererseits auch' von Aufsen koinmender' Einflufs
nachgewiesen werden kann. Zu den besten Bauwerken, welche
. der Sinnesweise des Meisters vom Dom zu Stendal entsprechen,
sind besonders anzuführen das Tangermünder Thor ca. 1450,
St. Maria zu Stendal von ca. 1430 — 47, der Chor der Ordens-
kirche zu Werben 1440 — 60 sowie das Elbthor daselbst, das
Neustädter Thor zu Tangermünde und die hochräumige Franzis-
kaner-Kirche zu Salzwedel, 1435—1453' erbaut und 1493 erwei-
tert. Andrerseits machen sich bemerkenswerthe Einflüsse der
Stadt Brandenburg, besonders zu Tangennünde geltend, wo das
r'eich gestaltete Rathhaus nur eine variirte Wiederholung der
Frohnleichnamskapelle an der Katharinen-Kirche genannt werden
kann, eben so wie der 1470- v-on Barthold Schulte erbaute Chor
von St. Stephan daselbst gleichfalls auf dem Pfeilersystem von
St. Godehard beruht und das Motiv des Mühlthorthurmes für
den stattlichen Umbau des Hühnerd'orfer Thorthurmes benutzt
ist. Die reich gegliederten und trefflich gearbeiteten Portale
von St. Stephan müssen gleichfalls auf mittelmärkische Bau-
thätigkeit, namentlich der Schlofskapelle von Ziesar 1470 (deren
Kopie die Schlofskapelle von Wollmirstedt 1480 ist), zurückge-'
führt werden, ebenso wie d'er Chor von St. Nikolaus zu Oster-
burg auf direktem Einflusse. meklenburgischer Bauwerke beruht
und hanseatischer Einflufs unvei’kennbar in den Kirchen von
Salzwedel hervortritt. Minder wichtig und bedeutsam sind fer-
ner zu Stendal St. Peter, St. Anna ca. 1460, Chor von St. Jakob
.1460—69: sowie das 1469 eingeweihte St. Katharinenkloster und
das 1480 gestiftete S.t. Georgs-Hospital, sodann zu Tangermünde
die 1456 gestiftete aber unvollendet gebliebene Kirche St. Elisa-
beth, deren Konstrulctionssystem auf St. Maria zu Stendal beruht
und. mit St. Katharina daselbst und St. Georg zu Werben eng
verwandt ist. An diese wichtigsten Bauwerke schliefsen sich eine
beträchtliche Zahl von Kirchen in den kleineren Städten und
Flecken an, die stets ein hervorragendes Monument mit gerin-
gen Aende'rungen wiederholen, wie derm auch die noch viel grö-
fsere Anzahl von angebauten oder freistehenden Kapellen über-
gangen werden mufs. Die wichtigste der letzteren ist die Ka-
pellen-Anlage an St. Katharina zu Salzwedel 1467, welche kurz
darauf bei St. Maria in derselben Stadt wiederholt wurde.

Mit dem hier kurz angedeuteten Aufschwunge der Baukunst
 
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