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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0069
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59

Die Stiftsgebäude, deren Baureste aus derMitte des XIII. Jahrh.
ereits oben geschildert sind, haben ebenfalls unmittelbar nach
ollendung des Langhauses einen umfassenden Neubau erfahren.
Icbt an dem Südkreuzflügel wurde zunächst das zweischiffige
§ eWölbte Refektorium, dessen Stützenstellung (Rundpfeiler mit
lIithe und Ringkämpfer) in dem Querschnitte Bl. XXXIV er-
Scbeint und auf Bl. XXXV, Fig. 5 im Detail gegeben ist, erbaut
die drei Kreuzgangsflügel mit hochbusigen Kreuzgewölben
Rippen mit Blatt- und Masken-Konsolen überwölbt. Daran
^lossen sich gemeinsame Versammlungs- und Wohnräume für
lcarien etc., welche theils im Obergeschosse, theils im Erd-
§ eschosse der drei Kreuzgangsflügel eingerichtet sind. Obwohl
diesem Gebäudecomplexe die künstlerische Behandlung des
° ms noch mit grofser Einfachheit und Reinheit festgehalten
e| scheint, so mischen sich doch schon nüchterne und minder an-
2lehende Struktur- wie Kunstformen hier ein. Beweise hierfür
§ eben der Fischblasenfries und die Rautenverzierung J) Bl. XXXV,
hh 2 und 8. Nichtsdestoweniger bewahren auch diese Bau-
eoe sehr anzieliende Muster des Backsteinbaues. Dahin ge-

de

ÜM die einfach treffliche Gliederung der gepaarten Oberfenster
Ostflügels Bl. XXXV, Fig. 7, welche in späteren Backstein-

^üten unzählige Male wiederholt worden ist und für moderne
■^vecke berücksichtigt zu werden verdient 2). Xoch ausgezeich-
lleter erscheint der Südflügel des Kreuzganges mit dem daran
hndlichen Westgiebel, dessen einfache aber geschickte Behand-
11 nS Bl. XXXV, Fig. 1 u. 3 nebst dem dazu gehörigen Detail Fig. 6
' eranschaulicht 3).

Fafst man alle liier nur in kurzen Umrissen geschilder-
n Eigenthümlichkeiten summarisch ins Auge, so ei’giebt sich
s Resultat, dafs der Dom zu Stendal wegen der Klarheit sei-
11611 Plananlage, wegen der Schönheit seiner Vei’hältnisse im Gan-
Zen wie im Einzelnen uixd wegen der strengen Detailbehandlung,
^mentlich in einer Zeit der reichsten und üppigsten Forixien-
< Ung, (man erinnere sich an St. Kathai’ina zu Bi’andenbui’g)
S anz olxne Gleichen dasteht und daher mit Recht als die reifste
^ ^öpfung der kirchlichen Architektur des Spätmittelalters in Xord-
'Fschland beti’achtet wei’den rnufs. Aus diesem Gi’unde und
. ein grofser Theil der altmärkischen Bauwerke auf ihn zu-
1 'ickzuführen ist, hat der Dom von Stendal eine möglichst eixx-
S ehende Würdigung und Darstellung erfahren.

Technisches.

^ as gnnze Domgebäude ist innen wie aufsen in sauber ge-
8’ter Verblendungsärbeit aus gut gebrannten Backsteinen her-
■Astellt. Nur an einzelnen besonders reich verzierten Theilen
^ 1 kagade, wie z. B. an dem pi’achtvollen Giebel des Xord-
g^ et| 2fliigels, fei’ner an dem kleinen Westgiebel der Stiftsgebäude,
pj; le an horizontalen zurückgelegten Wandstreifen sind einzelne
P Hc' Uen mit Filzputz übex’zogen. Ebenso sind alle Gewölbe-
je]^P en und die Schildwände obei’halb der Längsgurte des Mit-
j Sckiffs geputzt. Von der eigenthümlichen Art, den Wandputz
fP' r Mitte des XIII. Jahrh. ästhetisch zu behandeln, hatte sich
r, einexn alten Gebäudereste des Domstifts bis vor Kurzem ein
, Snxent ei'halten, welches wegen seiner Seltenheit und techni-
len Wichtigkeit auf Bl. XLI, Fig. 4 dargestellt ist. Der Grund

10 Zoll tiefen gedrückten Spitzbogenblende war zuerst nxit
enx Wand-, dann mit selxr feinem Filz-Putz überzogen wor-
en- Auf dem Letzteren hatte man noch vor denx Trocknen
-osette, die Bogen und die Schachbrettfelder eingetheilt und
ailn durch das Abnehmen des feinexx F ilzputzes den raulien un-

nanlx
dc

<3ie &

£• '•* Ganz ähnliche Detailformen besitzt die später mitzutheilende Schlofskapelle von

Vj“ 1' G47ü) und die von v. Qnast pubhcirte Schlofskapelle von Wollmirstädt (1480).
v" Quast u. Otte Zeitschr. I, Bl. 17.

t6a 1 Oer unter den gepaarten Fenstern befindliehe zierliehe Blattstabfries aus gebrann-

Wo^ h° nplatte“ i

^tden.

lst auch an der Liebfrauen-Ivapelle der Pfarrkirche St. Maria verwendet

äl, 1110 norstell’sche Aufnahme dieses Bautheils in der Zeitsehr. f. Bauwesen IX,
Silt v ’ ncl)st den dazngehörigen Details BI. 28, Fig. 1 entbehrt jeder Genauigkeit; dasselbe
n ^ ei' gleichen Darstellung in Essenwein Bl. 27, I?ig. 1.

tei’en Wandputz zum Voi’schein gebracht. Durch dieses Ver-
fahren war ohne Färbung eine Wirkung erzielt worden, welche
an musivische Täfelungen von grauem und weifsem Marmor
ei’innerte.

Die glücklicherweise nie durch Putz entstellte braunrothe
Färbung der Backsteine macht inx Innern einen ernsten feiei’-
lichen Eindruck und beweist, dafs die Anwendung von Verblen-
dungssteinen auclx für die Behandlung des Innern bei grofsar-
tigen Monumentalbauten nicht nur zulässig, sondei’n enxpfehlens-
werth ist. Xeben der überwiegeixden Verwendung von Back-
steinen sind doch auch andere Materialien benutzt worden; be-
sonders hat der unzerstörbare Granit eine ausgedehnte Vei’wen-
dung gefunden. Derselbe ist als Unterbau des Chors und Quer-
schiffs bis auf eine Höhe von 6 — 8 Fufs, und unter der ganzen
Xordmauer bis zur Plinthe verwendet worden. Der Sandstein er-
scheint sparsamer, doch sind das Hauptportal, das ganze Plinthen-
gesims, sowie alle Gewölbe-Schlufssteine, Kapitelje und Konso-
len der Dienste, desgleichen die Säulen des Kreuzgangs und die
Pfeiler der nxittleren Bogenhalle an den Thüi’men aus dieseux
Materiale hergestellt. Interessant ist die vielfache Anwendung
geprefster und gebrannter Thonplatten, die in der Regel 10 Zoll
im Quadrat grofs und l 1—2 Zoll dick sind und theils mit Mas-
ken, Blumen, Blätterstäben in kräftig behandeltem Relief deko-
rirt sind. Meistens sind diese Friesplatten nicht glasirt, doch
kommen auch einzelne Längen vor, welche durchgängig nxit Gla-
sur bedeckt sind oder an denen ein Stein um den andern gla-
sirt erscheint. Die auffallende Sparsamkeit in der Verwendung
von Formsteinen ist schon hervorgehoben, doch ist auf die
grofse Oekonomie, wonxit ein und derselbe Fornxstein an den
verschiedenen Bautheilen verwendet ist, wohl zu achten. Be-
sonders ausgedehnt ist die Verwendung der aus Kehle und Rund-
stab bestehenden Plinthensteine, die nicht nur in umgekelirter
Lage als Kämpfersteine an Pfeilern, Säulen etc., sondern auch
zur Bildung des Hauptgesimses benutzt werden. Xicht minder
lehrreich ist die Anordnung der Anfängerformsteine an den Fen-
stereinfassungen, wo, unx das Entstehen von Lücken an den Ab-
deckungen zu vermeiden, die erste oder zwei ersten Schiehten
der Fenstereinfassungen oberhalb der Schmiegen aus gewöhnli-
chen Mauersteinen angesetzt werden und dann die profilirten
Formsteine folgen. Von Interesse ist ferner die bis zum Raffi-
nement getriebene Raumbenutzung der Seitenkapellen zwischen
den Strebepfeilern, welche besonders hervortritt, wenn man die
obere Hälfte des Grundrisses Bl. XXXII, Fig. 6 mit der unteren
vergleicht. Auch die fast unzerstqrbare Abdeckung der Seiten-
kapellen nxit hochkantigen Backsteinschichteix ist um so bemer-
kenswerther, als dieselbe in sehr vielen Bauwerken der Altmark
wiederholt worden ist und bei gutem Mäteriale sich ausgezeich-
net bewährt hat.

Die Steinformate besitzen an den einzelnen Bautheilen eine
verschiedene Gröfse; am Thurme haben sie 10|—11 Zoll Länge,
4g—5 Zoll Breite und 3 r Zoll Stärke, anx Schiffe 10|—10|Zoll
Länge, 5—- 5| Zoll Breite und 3| — Zoll Stärke, am Xordkreuz
10 a —10~ Zoll Länge, 5 r—5j Zoll Breite und 3|—3f Zoll Stärke.
Der Steinverband wechselt zwischen wendischem und gothischem
Verbande.

Eine eigenthümliche Erscheinung sind die auf den Form-
steinen vor deixx Brande aufgedrückteix Ziegelstempel, von denen
anx Dome eine grofse Anzahl erscheinen, aber auffallender Weise
nur an den späteren Theilen des spätgothischen Xeubaues. We-
der der Chor noch das Querschiff besitzeix derartige Markzei-
chen, wolil aber das Langhaus, der Lettner, die Stiftsgebäude
und die oberen Thurmgeschosse. Auch diese Thatsache liefei’t ein
wichtiges Kriterium, um den oben angegebenen Gang der Bauthä-
tigkeit zu erweisen. Von den am Dom befindlichen Ziegelstem-

___ peln fifiebt der Llolzschnitt

—71 1 Ö

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W\\ eine kleine Auswahl, wobei
° b c d e bemerkt wird, dafs a an

den nördlichen Seitenkapellen und Schiffspfeilern, b am Lettner,
 
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