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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0073
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63

ende Faktum, dafs zur Zeit des ausgebildeten Backsteinbaues
llQd mitten unter Backsteinbauwerken plötzlich ein Granitbau
^d'tritt. Nach dieser Darlegung wird es erlaubt sein, den Chor-
au von St. Peter auf ca. 1340—1350 zu datiren x) und den
^lafsbrief von 1306 auf den Backsteinbau des Langhauses zu
eziehen. Zweifelhaft bleibt nur, ob die in Granitquadern her-
§ estellten unteren Theile der Schiffsmauern von einem noch äl-
^ ei'en, jedenfalls aber gothischen Baue herrühren. Doch ist die-
ei> ^weifel unerheblich, da wahrscheinlich das Hineinziehen der
a^ten Parochie in die Stadt um 1300 zur Erbauung einer besseren
tarrkirche veranlafste. Dieser Bau wurde vielleicht mit dem
ateriale der älteren Kirche in Granit begonnen und in Back-
steinen um 1310 vollendet.

Foch später als der Chorbau ist die in Backsteinen herge-
stellte Mauer zwischen Chor und Schiff und der darüber befind-
che hohe Ostgiebel des Schiffs erbaut. Dies beweist einmal die

Unvollständig erhaltene, aber reich gestaltete Gliederung des
j lebels mit Spitzbogenblenden, um welche sich Stabfriese herum-
eS en 2). Oies ergeben ferner die drei s'ehr nüchtern und schwer
Dofilirten Spitzbogenöffnungen in der Ohorschranke, vor deren
jOttelster der Laienaltar steht, während die beiden zur Seite be-
8 enen als Ghorthiiren dienen. In den Zwickeln zwischen die-
Se' n Pforten befinden sich Gitterfriese und über dem Hauptge-
SuHse sind Christus und die 12 Apostel (von mittelmäfsiger Hand
111 Sandstein gehauen) in einer Gallerie von kleinen Nischen auf-
8 estellt. Ein hölzernes Heilandskreuz krönt den kleinen, wegen
Seiner seltenen Erhaltung interessanten Bau, der jedenfalls wie
ei> Ostgiebel der Mitte des XV. Jahrh. angehört.

ßesultat.

Das unten in Granit, oben in Backsteinen erbaute Langhaus
^ Wahrscheinlich um 1300 begonnen und 1310 vollendet wor-
Der in Granit errichtete Chor entspricht der Bauzeit von

deii.

^40 •

ea.

)et:

-1350, der Ostgiebel und die innere Chorschranke sind

1450, das Tr'eppenthürmchen der Westfront 1523 und die
Zlge Thurmspitze 1582 hergestellt worden.

IV. Pfarrkirche St. Jakob.

Hi, storisches.

^ Vou dieser durch die Tradition als die älteste Pfarrkirche
j ezeichneten Bauanlage lautet die erste auf chronistische Mitthei-
^ ug zurückzuführende Angabe dahin, dafs sie bereits 1281 von
Bau - Materialien der im Dorfe Wusterbusch gestandenen
ari'kirche „reparirt“ worden sei. Die ersten urkundlichen Er-
^knungen geben Altarstiftungen um 1285, 1292 und 1307, wor-
. ’V eine an der Südseite des Langhauses noch vorhandene Stein-

lsehrift 3) welche den Inhalt nicht mehr erhaltener Ablafsbriefe
SUrm •

. uuarisch angiebt, die fernere Mrttheilung brmgt, dafs 1311
eltl -vj ö ® ö .

. hleubau stattgefunden habe oder noch im Gange sei. Auf

! lle afiderthalb Jahrhunderte später erfolgte Bau-Ausführung läfst

1Ue nur fragmentarisch erhaltene schriftliche. Aufzeichnung 4)

I Uefsen, welche dem Knopfe des Clior-Dachreiters entstammte
u die Angabe enthielt, dafs der Chor durch Meister Jakob

II 1460—1469 erbaut sei. Die über dem Westthurme befindli-
^ e schlanke Spitze wurde 1701 durch Blitz zerstört und 1704 in

J seher Haubenform erneuert. Der Westthurm ist 1810 ein-

üi’zt und bisher nicht wieder

hergestellt worden. Die be-

12Sj Ul.^ en> Chronistische Aufzeichnungen überliefern ferner die Thatsache, dafs schon
"’hvdQ 6 alle l'l arl'kirche St. Jakob von den Steinen der Kirche zu Wusterbusch reparirt
°ten U. n<1 <laller ist es erlaubt, nach solchem Vorgange und untcr Hinrveisung auf die
^tirchc 111* 1” 011161116 1)lscllel 1' clie Urkunde von 1327 eine Verwendung des Baumaterials der
und tr V° n l leuwinkel für St. Peter anzunehmen, zumal alle Kennzeichen von Struktur-

S. 76) die Dörfer Wusterbusch und Neuwinkel an die Stadt Stendal abgetre-

men mit dieser Auffa.ssung übereinstimmen.

^• uBstfor. x

-he ^ er<^ urc^ gewinnt der Ablafs von 1357, welcher von der letzten Ausstattung der
j. Büchern, Kelehen etc. redet, seine volle Best'atigung.

^ ergl. die Abbildung dieses Details in der Zeitschr. f. Bauwesen IX, Bl. 28, Fig. 11.

4) B

eckmann a. a. O. Sp. 65.
«ckmann a. a. O. Sp. 60.

trächtlichen, mit der Kirche verbundenen, noch stehenden Reste
dieses altehrwürdigen Denkmals bilden jetzt eine, die Würde ei-
nes städtischen Gotteshauses in lioliem Grade beeinträchtigende
Ruine.

Baubeschreibung.

Der Grundrifs dieser gewölbten Hallenkircbe entspricht bei
gröfseren Maafsen sehr genau dem von St. Peter. An ein drei-
schiffiges Langhaus von sechs Jochen legt sich ostwärts ein drei-
jochiger, mit drei Seiten des Achtecks scldiefsender Chor, wäh-
rend ein quadrater Thurm vor der Westfront stand. Nur die bei-
den östlichsten Jocbe des Chores sind vollständig aus Backstei-
nen erbaut, das westliche Chorjoch ist wie die Umfassungsmauern
des Langhauses bis zur halben Höhe in Granit, in den oberen
Mauertkeilen in Backsteinen errichtet, Der Westthurm besafs
bis zu einer Höhe von 92 Fufs nur Granitquaderbau. Die bei-
den mittelsten Schiffspfeiler von quadratem Querschnitte sind
ebenfalls aus Granit konstruirt, während die übrigen vier acht-
eckigen Pfeilerpaare nebst allen Arkadenbogen und Gewölben
aus Backsteinen hergestellt sind.

Die ältesten Baureste bewahrt der zur Hälfte noch erhal-
tene, ursprünglich in bedeutenden Abmessungen (32 F. im Qua-
drat und 92 F. hoch) erbaute Glockenthurm sowie die ansto-
fsende Westmauer. Das grofse Portal, welches in das Mittel-
scbiff führte, ist noch erhalten; der Halbkreisbogen desselben
rubt auf starken Pfeilern mit abgeschrägten Kämpfern und dar-
über befindet sich eine grofse Kreisblende. Diese mit den ein-
facbsten und scblichtesten Kunstformen in Granitquadern her-
gestellte Anordnung ist der Westfront von St. Godebard zu Bran-
denburg völlig entsprechend, und da hier überall die gute Tech-
nik des älteren Granitbaues sichtbar ist, so ist kein Grund vor-
handen, diese Baureste für später zu setzen als die Gründungs-
zeit der Stadt. Dadurch wird die Tradition, welche St. Jakob
als die älteste Pfarrkirche der von Albrecht dem Bären 1151
begründeten Stadt bezeichnet, durch die Baugeschichte völlig be-
stätigt. In dieselbe Bauzeit gehören die westlichen Theile der
Nordmauer mit einem Rundbogenportal, sowie die beiden mit-
telsten quadraten Schiffspfeiler. Alle übrigen, in streng gothischen
Formen hergestellten Theile des Langbauses und das westliche
Chorjocb gebören einer Bauausführung an, welche wabrscbeinlich
1281 begonnen und um 1320 zum Abschlufs gekommen ist.

Die Aehnlichkeit dieser Bauformen mit denen an St. Peter’s
Kirche. ist überrascheud. Iiier wie dort bestehen die Umfas-
sungsmauern unten aus Granit, oben aus Backsteinen, hier wie
dort herrscht gleiche Sparsamkeit in allen Detailformen. Die
tragenden Pfeiler sind achteckig, ohne Kapitelle und wie die
abgestuften Längsgurte nebst den flachbusigen Gewölben aus
Backsteinen konstruirt. Nur die Gesammtverbältnisse sind in
St. Jakob schlanker und hocbräumiger als in St. Peter Q und
in der Fa^adenbildung wird ein etwas gröfserer Luxus sichtbar.
Wie schon hervorgehoben, besteben die Umfassungsmauern und
Strebepfeiler bis oberlialb des sandsteinernen Fenst.ergurtgesim-
ses aus behauenen Granit-, an einzelnen Stellen aus geschliffe-
nen Sandstein-Quadern, aus welchem Materiale auch zwei, in spät-
gothischen Profilen hergestellte Portale der Südseite erricbtet
sind. Der nacli oben bin auftretende Backsteinbau ist die un-
mittelbare Fortsetzung des Granitbaues in denselben schlichten
Kunstformen und in gleich soli'der Technik, was besonders an
den dreitheiligen Spitzbogenfenstern mit theils einfachen Schmie-
gen, tbeils abgestuften Profilen sichtbar wird -).

Der von 1460.—1469 erbaute Chor zeigt spätgothische Bau-
formen, welche denen an St. Maria sehr ähnlich, tbeilweis so-
gar gleich sind. Hochbusige Kreuzgewölbe mit Rippen, die von

!) Die grofse Achnlichkeit zwischen St. Peter und St. Jakob erklart sich durch die
gleichzeitige Ausführung beider Bauwerke in geniigender Weise.

2) Man d^rf vcrmuthen, dafs während dcr Bauausführung das vorhandene, von älte-
ren Gebäuden herrührende Granitmaterial ausgegangen ist, dafs alsdann ein Yersuch, in
Sandsteinquadern weiterzubauen nicht durchführbar schien und endlich, um den Bau zu
beenden, zum vaterländischen Materiale des Backsteins zurückgegriffen wurde.
 
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