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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0079
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(J

. ^äi's, des letzten Anhaltiners), die geschilderte Umwandlung

m Plnr» -* . .1 - TT 11 1 * .1. _ . P. 1__ 1. _ l.

eme gothische Hallenkirche erfahren hat.

Ob

der:

Auffallenderweise sind die Schiffspfeiler so wenig wie der
ei’theil der Südmauer aus jener Bau-Epoclie erhalten, son-

n die an den betreffenden Stellen jetzt vorhandenen Bau-

^ lle besitzen alle Merkmale einer Bauausführung aus oder nach

ei Ecgierungszeit Kaiser Karls IV. Dies erkennt man nicht nur

d er häufigen Verwendung von Sandsteindetaiiformen, welche

ä‘ 11 ■ ai1 zwei auf Nord- und Südseite belegenen, mit Baldachi-

en> -Konsolen und Säulchen reicll ausgestatteten Portaleri aus-

® chliefs]ich auftreten, sondern auch an den Schiffspfeilern Bl.

vAvII, Fig. 3, deren in Backsteinen hergestellte Gliederung

aüffallend an Werksteinformen erinnert, ohne aber wegen des

! öllig en Mangels an Kapitellen urid Basen- einen künstlerisch be-

ecilg enden Eindruck zu machen. Am meisten wird diese An-

lahnie aber von dem Systeme der Südfagade unterstützt, dessen

nüstierhafte, einfach schöne Gliederung nebst den dazu gehöri-

Jj en Ootails auf Bl. XXXIX, Fig. 4 und Bl. XXXVII, Fig. 2 und 8

argestellt ist. Dieses bei grofser Einfachheit doch wirkungs-
Vol] .. . & 9

und gefällig gestaltete System, welches. sich an die noch

^ engere Behandlung der Nordfagade eng anschliefst, stellt in

^ etl Hauptverhältnissen, wie in der Detailbildung, besonders in

, r reiehen, entsprechende Formen des Kölner Domes offenbar

leflerholenden Maafswerksgliederung, eine Schöpfung der ge-

erften Gothik dar, welche entschieden jünger ist als die vor-

^ ergenannten Bautheile vom Anfange des XIV. Jahrh. Beson-

^ les luteresse erweckt die schmuckreiche Behandlung der Stre-

. epfeiler Fig. 8, deren Förmation mit eingesetzten, (durch die

J'Higste ßestauration erneuerten) glasirten Rosetten und vertika-

n Stabfriesen eine deutlich erkennbare. Vorstufe für die in un-

^ttelbarejn Anschlusse erfolgte, fast überreiche Gliederung der

^. reljepfeiler andrer Pfarrkirchen z, B. an der St. Katharinen-

llche zu Brandenburg und St. Marienkirche zu Königsberg in

^Ne^arkisf).

jj Hie auffallend breiten Verhältnisse des Innern läfst der
° lzschnitt, welcher den nach Westen gesehenen Querschnitt

‘^stellt, erkennen. Auch ergiebt sich aus demselben die auf-
eride Stärke der Umfassungsmauern, die Verschiedenheit der
pfeiler und Dienste (letztere aucli im Detail Bl. XXXVII,

fal]

!M>e

heT.° mitg etlaeilt) an der Nord- und Südmauer, die nüchterne
a aildlung der Schiffspfeiler und die hochbusige Gestaltung der
hhrnenrippen ruhenden Kreuzgewölbe. Dafs die letzteren
1 den Arkaden in dieselbe Bauzeit gehören, geht aus der

völligen Uebereinstimmung der inne-
ren Fensterprofile der Südfenster mit
den kräftig gegliederten Gurtbogen, de-
ren Profil der Holzschnitt giebt, mit
Sicherheit hervor.


St J Auch mufs hervorgehoben .werden, dafs das Fa?adensystem des Langhauscs von
2 ‘ 8tePlian in anderen Kirchen der Mittelmark unmittelbar wiederliolt worden ist. So
ten • an tler !380 erbauten St. Nikolaus-Kirche zu Spandow, ferner an der 1378 erneuer-
’ Jetzt nicht mehr vorhandenen St. Petors-Kirchc zu Oöln an dcr Spree. Abbildungen

Es ergiebt sich daher nach Erwägung aller hier kurz be-
rührteri Gründe mit Bestimmtheit, dafs das dreischiffige Lang-
haus von St. Stephan erst nach der Mitte des XIV. Jahrh. voll-
endet worden ist. Höchst wahrscheinjich hat die durch Kaiser
Karl IV. bewirkte Inkorporirung der Pfarrkirche an das auf dem
Schlosse neu begründete Stift 1376 zur Wiederaüfnahme der äl-
teren, ins Stocken gerathenen Bauthätigkeit geführt. Mit Rück-
sicht auf die oben erwähnte Inschrift kann man endlich anneh-

men,

dafs die Bau-Ausführung erst 1398 durch Minhart von

Wolderode zum Abschlusse gekommen ist.

Alle übrigen Bautheile der Kirche, nämlich die zweithür-
mige Westfront und der Chor nebst Querschiff und daran an-
gebauten Xebenkapellen stammen aus dem XV. Jahrh. und zwar
sind diese Theile so auf einander gefolgt, dafs zuerst die West-
front in einfachen und strengen Formen ganz im Oharakter der
St. Marienkirche zu Stendal bis auf eine Höhe von 100 Fufs
von ca. 1440—1460, der Ohor dagegen laut oben mitgetheilter
Inschrift von 1470 ab erbaut worden ist. Diese Thatsache geht
mit Sicherheit aus dem Umstande hervor, dafs die Ziegelstem-
pel der Westfront bis zu der genannten Höhe mit denen der
Schiffspfeiler in der St. Marienkirche und des Thorbogens am
Uenglinger Thore- zu Stendal, sowie mit denen an der Hospi-
talkirche St. Elisabeth (1456 urkundlich bereits vorhanden) ge-
nau übereinstimmen. Dagegen treten am ganzen Chorbau und
an der Westfront. über 100 Fufs andere Ziegelstempel auf, wel-
che sich sonst nirgerids wiederholen. Von den wichtigsten Zie-

gelstempeln giebt der Holz-

m

schnitt eine Darstellung. Der

Stempel a findet sich an allen
Formsteinen des Chorbaues mit Ausnahme der westlich vom
Südkreuzflügel belegenen, mit einem Sterngewölbe bedeckten Ka-
pelle, die keine Stempel mehr besitzt und wie auch aus ihren
Ansatzspuren unzweifelhaft hervorgeht, erst nach Vollendung des
Chorbaues'hergestellt ist'). Die Stempel b und c erscheinen
mit anderen Stempeln der Stendaler Marienkirche gemischt an
der Westfront in einer Höhe von 80 bis 110 Fufs, der Stempel
d von da ab bis zu einer Iiöhe von 130 Fufs. Noch weiter
oberhalb sind keine Ziegelstempel mehr vorhanden, so dafs die
Anwendung derselben in Tangermünde urn 1480 aufgehört ha-
ben mufs 2).

Was die Architektur des Chores betrifft, so beruht die Plan-
anlage auf einer Kombination der Grundrisse vom Dome zu Sten-
dal und St. Godehard zu Brandenburg, ebenso wie das Struk-
tursystem der Rundpfeiler und nach innen gelegten Strebepfei-
ler eine Verschmelzung der Bauformen von St. Godehard -mit
St. Katharina zu Brandenburg darstellt. Namentlich ist die enge
Verwandtschaft der dicken, mit runden und tauförmigen Dien-
sten besetzten Rundpfeiler Bl. XXXVII, Fig. 1 und der darauf
ruhenden Gurtbogen mit denen der St. Godehards-Kirclie über-
j raschend, während die Wanddienste als dreifach gebündelte Bir-
nenstäbe gegliedert, Fig. 4, mit denen des Domes zu Stendal
übereinstimmen und die nach innen gelegten Strebepfeiler of-
fenbar das Struktursystem der St. Katharinenkirche wiederholen.

Wie aber die Bauformen des Innern den Einflufs mittehnär-
kischer Bauthätigkeit so deutlich bekunden, so erheben die des
Aeufsern diese Annähme zur völligen Gewifsheit. Bezeichnend
hierfür ist einerseits die lissenenartige' Form der Strebepfeiler?
welche in gleicher Weise an den sämmtlichen Kapellen der St.
Godehards-Kirche erscheint, andererseits die Herstellung der
Querschiffsportale, deren Hauptgestaltung und Detailgliederung
mit den entsprechenden Bautheilen der St. Godehards-Kirche

der letzteren Kirche sind in Reinbcck, „Umständl. Nachrichten von dem etc. Brande der St.
Petrikirche “, sowie in Kupferstichen nnd Handzeichnungen der Königl. Bibliothek erhalten.

J) Wahrscheinlich ist diese Kapelle die erst 1519 urkundlicli genannte Frohnleich-
namskapelie gewesen, iiber deren Stiftungs- und Bauzeit koine Naehrichtcn erhalten sind.

2) Das Verdienst, auf das Vorkommen der Ziegelstempel an den Bauwcrken dcr Alt-
mark zuerst aufmerksam gemacht zu haben, gebührt dem Kantor Stöpel zu Tangermünde,
welcher in Verbindung mit Bitsching schon 1825 einc von Notizen bcgleitcto lithogra-
phirte Darstellung derselben publicirte. Vergl. auch MinutoJi a. a. O. S. 14.

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