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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0082
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72

scliiff des Domes, sowie die Nordmauer der St. Marienkirclie zu
Stendal entbeliren '). In jedem Falle ist das hergestellte Pfeiler-
system der Klosterkirche Allerheiligen zu Tangermünde das Vor-
bild für die Schiffspfeiler der St. Marienkirche zu Stendal gewe-
sen, denn die Bildung beider Stützenformen mit Diensten, Käm-
pfern, glasirten Spiralstreifen ist völlig. übereinstimmend. Auch
mufs der ganze Bau als ein Musterbau im Sinne selbstgeAvollter
Beschränkung unter Idervorhebung des künstlerisch Nothwendi-
gen bezeichnet werden, dessen Untergäng um so mehr zu be-
klagen ist, als er ein mit fürstlicher Munificenz errichtetes Denk-
mal der werkthätigdn Frömmigkeit des zweiten Fürsten aus dem
Hause Hohenzollern gewmsen ist.

Gleichzeitig mit der Kirche ist. der südlich vom Chore be-
legene Theil des Klostergebäudes, der im Erdgeschosse das über-
wölbte Refektorium, im ersten Stockwerke die Zellen der Mön-
che enthielt, erbant worden. Leider ist dieser Theil durch öko-
nomische Benutzung auf das Unwürdigste verwüstet worden und
läfst nur noeh die letzten Spnren der ehemaligen einfachen aber
künstlerisch gediegenen Durchbildung erkennen. Besser erhal-
ten ist ein östlich daneben belegenes, zweigeschossiges Gebäude
mit flachbogigen Fenstern und schwachen Strebepfeilern, dessen
auf Bl. XLII, Fig. 8 dargestellter Nordgiebel mit schlariken, spitz-
und flachbogigen Blendnischen, Wappenblenden, viereckigen Zin-
nenpfeilern und Maskenreliefs ausgestattet ist und durch diese
Detailformen, wie durch mangelhaftere Technik sich als ein spä-
ter hinzugefügter Aribau zu erkennen giebt. Die Uebereinstim-
mung der sehr derb und roh gebildeten Masken, welche in glei-
cher Gröfse und Bildung an dem Westflügel des Rathhaüses und
an den Kämpfern der Frohnleichnamskapelle von St. Stephan
erscheinen, sowie der Umstand, dafs keine Ziegelstempel auch
an diesem Bautheile vorhanden sind, lassen die begründete An-
nahme zu, dafs dieses Klostergebäude erst am Schlusse des XV.
Jahrh. nach 1480 erbaut worden ist.

Technisches.

Nach den erhaltenen Resten zu urtheilen, ist die Kirclie äus
scharf gebrannten, lebhaft rothen Backsteinen, deren Färbung

und Textur im Innern sichtbar war,
erbaut gewesen. Die Technik wie das
Material an der Kirche sind vorzüglich
und in der Behandlung mit der des
Uenglinger Thores zu Stendal naheVer-
wandt. Minder gut erscheinen Tech-
nik und Material am Klostergebäude,
doch ist clie Verbindung des Giebels
mit dem Hauptgesimse der Langseite
für die Praxis- empfehlenswerth und
wird daher durch den Holzschnitt mit-
getheilt. Das Steinformat beträgt an
der Kirche 10^—11 Zoll, 5—5f Zoil
und 3|—3-t Zoll, an dem Klosterge-
bäude 10j—11 Zoll, 5 — 5;j Zoll und 3 — 3j Zoll.

R e s u 1 t a t.

Die 1438 gegründete Klosterkirche Allerheiligen ist höchst
wahrscheinlich von dem Baumeister des Domes zu Stendal von
1438—1442 erbaut und das südöstlich belegene Klostergebäude
von. 1480—1490 hinzugefügt worden.

{ schon vom Markgrafen Johann I. (1220 —1266) ais Hospitalska-
pelle gegründet worden sein. Die früheste und fast einzige ui'-
| kundliche Erwähriung fällt in das Jahr 1456, in welchem Jahre
Bischof Burchard von Halberstadt die testamentarisch bestimnJe
Dotation eines neu erbauten und begabten Altars in der Elisa-
bethkapelle bestätigt. Dieser Altar wird in dem Verzeichnissc
der Kirchen, Kapellen etc. und ihrer Aüsstattung zu Tangei'-
mtinde nach Einführung der Reformation 1541 als Hochaltai’
genannt'). Weitere Nachrichten fehlen.

Baubeschreibung.

Di.e auf Bl. XLII, Fig. 2, 3, 5 u. 7 dargestellte Ideine Kir-
che besitzt keinen Rest aus der traditionell bewahrten Stiftungs-
zeit, sondern ist vollständig ein Bau aus der zweiten Hälfte des
XV. Jahrh. Wie der Grundrifs Fig. 7 lehrt, entbehrt die eio-
schiffige, polygon geschlossene Bauanlage eines Thurmes, befolgJ
aber das in Stendal so häufig behandelte Prineip, niedrige zwi-
schen den Strebepfeilern ausgebaute Kapellen mittelst rundbogi'
ger Gurtbogen mit dem Schiffe direkt zu verbinden * 2). Die K a'
pelle ist niemals ganz vollendet worden, denn es fehlen dario
die konstruktiv vorbereiteten, aber nicht eingespannten KreuZ'
gewölbe. Nur die Nebenkapellen sind mit Tonnengewölben über-
wölbt und mit flach gelegt.en Steinschichten massiv abgedecU
worden. Das Schiff und die Nebenkapellen werden von einfacb
pröfilirten, zweitheiligen, etw.as gedrückten Spitzbogenfenster' 1
erleuchtet. Die Strebepfeiler treten am Chore zwei Zoh über
die Umfassungsmauern der Nebenkapellen hinaus, während sie
an den Langseiten zurücktreten und erst oberhalb des durch'
laufenden Gurtgesimses emporsteigen. Der in kräftigen, aber gu-
ten Verhältnissen erbaute Chor, dessen Fayade Fig. 5 darstellh
zeigt daher eine in kleinerem Maafsstabe hergestellte Kopie voo
St. Marien zu Stendal, während die Langseiten sich an die Nord'
fa^ade des Domlanghauses daselbst anschliefsen. üeber deo 1
mit dem Hauptportale, einem grofsen Spitzbogenfenster und
zwei flachbogigen Blenden geschmückten Unterbau der West'
front Fig. 2 erhebt sich der abgestufte Giebel, dessen schwer'
fällig abgerundete Pfeiler mit tauförmigen, auf Masken beginneU'
den Diensten besetzt sind. Die mittelste Giebelstufe verdecU
das oblonge, an den Ecken abgestumpfte, mit massiver SpiU e
versehene Glockenthürmchen. Die Detailformen des Giebels, uO'
ter Fig. 3 mitgetheilt, sind zwar in einfachen und reducirte 11
Kunstformeri ausgeführt, können aber die enge VerwandtschaK
mit den entsprechenden Details vom Nordkreuzgiebel an St. Ste'.
phan (vergl. Bl. XXXIX, Fig. 2) nicht verleugnen. Aucli ist cH 0
Thatsache hervorzuheben, dafs einzelne Fragmente dort benutzte 1'
Fiscliblasenfriese hier an St. Elisabeth verwendet worden siu^'
Da ferner die Profile der Westportale beider Kirchen gena' 1
übereinstimmen (jedoch mit der Eins’chränkung, dafs das West'
portal von St, Stephan wegen der Thurmdicke beträchtlich ti e'
fer ist), da endlich dieselben Ziegelstempel 3 * *) an St. Elisabetl 1

vorkommen, wrnlche an den Thünne 11
von St. Stephan in einer Flöhe von
bis 110 Fufs erscheinen, so kann auf d ie
Gleichzeitigkeit dieser Bauausführung el1
mit völliger Sicherheit geschlossen W el’'
den. Von der schon ziemlich nüchtern el1
Profilirung des Westportals giebt J el
Holzschnitt eine Darstellung.

IV. Kapelle St. Elisabeth.

Historische.s.

Dieses in der Vorstadt Hühnerdorf belegene, jetzt als Kö-
nigl. Salzmagazin benutzte Gotteshaus soll der Tradition zufolge

>) Diese Thatsache stützt die S. 60 Anmerk. 1 mitgethcilte Annahme, dafs das Auf-
tleten der Ziegelstempel zu Stendal wie zu Tangermünde erst mit dem Jahre 1440 ersicht-
Hch wird.

x e c n n i s o n e s.

Weder das Material noch die technische Ausführung s’n 1^

o

’) ßiedel a. a. O. XV, 283 u. XVI, 159.

2) Dieses Struktursystem, welches der Dom St. Nikolaus, ferner St. Maria, St. lv3

tharina und St. Anna zu Stendal mehr oder minder vollständig besitzen, erschcint auch Jl
anderen mittelmärkischen und pommerschen Kirchen, so z. B. an St. Godehard zu
denburg, St. Nikolaus zu Berlin, St. Peter nnd Paul zu Stettin und a. O. -

3) Dcr hier befindliche Ziegelstempel ist dem unter den Stempeln des Domes S- 0

mit b bezeichneten sehr ähnlich, nur dafs das Hakenkreuz von einer oblongen, niclit l Ji |J

seitigen Vertiefung umschlossen w-ird.
 
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