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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0087
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arn ünken Elbufer dem Einflusse der Havel gegenüber bele-
§ ene Burg schon damals hatte, geht aus den beiden Thatsachen
ervor, dafs Kaiser Heinrich II. einer Zusammenkunft mit sla-
Hschen Fürsten halber 1005 sich daselbst aufhielt und Kaiser
j °nrad II. nacli persönlicher Besichtigung dieselbe 1032 stär-
^ er befestigen liefs. Aber als ein weit vorgeschobener Posten
es deutschen Reiches unterlag die Burg den wechselnden Schick-
Sa-len jener blutigen Kriege und blieb ein zwischen den streiten-
j < n Parteien schwankender Besitz, bis die völlige Unterwerfung
er Priegnitz und die Erwerbung des Havellandes durch Albrecht
en Bären auch diesen Grenzgegenden gröfsere Sicherheit ver-
Schaffte und eine friedliche Entwickelung des Landes begründete.
^ chon. vor dem Jahre 1150 hat die damals um die Burg Wer-
en erfolgte bürgerliche Ansiedelung städtische Gerechtigkeit em-
t angen. Zehn Jahre später, 1160, konnte Albrecht der Bär,
^° n seinem Pilgerzuge in das heilige Land zurückkehrend, die
^ ereits vorhandene Pfarrkirche zu Werben dem St. Johanniter
1 ferorden, dessen gesegnete Wirksamkeit er in Palästina ken-
nen gelernt hatte, übergeben. Eine damit verbundene, später
'Gfach vermehrte Güterschenkung veranlafste den Johanniter
^ nen zur Gründung einer Komthurei, welche ihren Sitz bis zu
1 m neuester Zeit erfolgten Säkularisation stets in Werben be-
* en hat. Die Stadt ist während des Mitteialters nicht zu der
neutung und Stellung gelangt, welche Stendal und Tanger-
nbnde besafsen, gleichwohl sind einige Bauwerke vorhanden,
^Gche von dem Selbstbewufstsein und Iiunstsinne der Bewoh-

Nach dem .Untergange

ner

üiehr

em rühmliches Zeugnifs ablegen.

^ erer kleiner Kapellen und Stadtthore besitzt die StadtWer-
6n noch jetzt: 1) die Pfarrkirche St. Johannes, 2) die Kapelle
b Spiritus und 3) das Elbthor.

I. Pfarrkirche St. Johannes.

Historisclies.

^ Wie oben erwähnt., ist diese Pfarrkirche schon 1160 vor-

^"nderi gewesen und damals dem Johanniter Orden von Albrecht

^ Bären nebst anderem Güterbesitze vereignet worden'). Al-

gi’ündungen, Mefsstiftungen und vielfache Schenkungen im

nnd XIV. Jahrh., besonders im Anfange des letzteren durch

^ le Gemahlin und den Sohn des Markgrafen Iierrmann (f 1308)

°hen den Wohistand der Kirche bedeutend 2). Auch Abiafser-

ennngen sind urkundlich überliefert, so 1344 zur Förderung

f ai Gerehrung eines Marienbildes, 1358 für die Abendglocke, 1407

1 die Kirche und 1414 zur Baukasse, zur Beleuchtung und

nern Ausstattung der Kirche 3). Mit dem letztgedachten Ab-

e hing eine früher in der Kirche befindlich gewesene In-

■ lnt zusammen, welche den Anfang eines Neubaues auf 1412

gab ^ 1). Dafs der grofse Stadtbrand im J. 1439, welcher Mark-
graf tji • . D ’

^ c -eriedrich den Jüngeren veranlafst-e, eine fünfjährige' Abga-

j^tfreiheit zu bewilligen 5), auch die Kirche betroffen hat, ist

ij l0hem Grade wahrseheinlich. Im J. 1443 6) wird eine.St. Otti-

en~Kapelle gegründet und 1474 reich dotirt. Auf einen damals

cS ePabten Erweiterungs - und Ergänzungsbau bezieht sich

an einem Chorkreuzgewölbe befindliche kurze Inschrift: Am-

a 1466, renovata 1614 etc., welche Angabe durch das an den

G'acht

tu


,vollen Glasgemälden des Chores mehrfach vorhandene Da-

!' ls dem

1467 wesentlich bestätigt wird. Mit den Altarstiftungen

tunff

J. 1511 und 1512 wurde die innere kirchliche Einrich-

L54.9 a^S eschlossen. Bei der Einführung der Reformation im J.
~ Waren aufser dem Hochaltare 20 Nebenaltäre vorhanden.

L Riede] a. a. O. VI. 9.

3 2 Uiedel a. a. O. VI. 16, 17, 22 und 24.

4| Riedel a. a. O. VI. 29, 34, 48 und 49.

ttachr- , Nur durch R üdemann’s Sammlungen a. a. O. S. 100 ist diese niclit unwichtige
'! cht überliefert worden.

J Riedel a. a. O. VI. 418.

1 Riedel a. a. O. VI. 57.

Die schweren Leiden des 30jährigen Krieges, namentlicli eine
Beschiefsung 1631, betrafen auch die Kirche, ohne dieselbe aber
wesentlich zu beschädigen; nur die hohe Thurmspitze mufste
1713 wegen Baufälligkeit abgeträgen werden.

Baubeschreibung.

Die auf Bl. XLIII und XLIV dargestellte mittelgrofse Hal-
lenkirche besteht- aus dem dreischiffigen Langhause ünd dem ob-
longen Westthurme. Jedes der drei Schiffe ist an der Chorseite
polygon geschlossen, das Mittelschiff im halben Zehnecke, die
Seitenschiffe im halben Sechsecke, auch-sind die Nebenchöre der
Letzteren mit dem Hauptchore durch einen überwölbten Verbin-
dungsgäng unterhalb der hochgestellten Fenster verbunden wor-
den, so dafs eine Art von gemeinsamer Choranlage entsteht.
Vergl. den Grundrifs Bl. XLIII, Fig. 6.

Eine genaue anälytische Untersuchung läfst erkennen, dafs
die ganz in Backsteinen a-usgeführte Kirche erhebliche Reste aus
vier verschiedenen Bauzeiten bewahrt.

Der alterthümlichste Bautheil ist der oblonge Westthurm,
welcher im Erdgeschosse mit einem Tonnengewölbe überwölbt,
in seiner äufsern Erscheinung (sehr ähnlich den Thürmen der
kleinen Dorfkirchen bei Jerichow Bl. XXIV) mit Ecklissenen,
Rundfenstern, Stab- und Sägefriesen ausgestattet, alle Kennzei-
chen eines. romanischen Baues vom XII. Jahrh. besitzt und höchst

wahrscheinlich der schon 1160 vor-
handenen Pfarrkirche als Glocken-
thurm angehörte ]). Nur das obere
als Glockenstube dienende Stock-
werk, welcbes breite spitzbogige,
durch Backsteinsäulen, zwei- und
dreifach getheilte Fenster besitzt, die
wie der Holzschnitt lehrt, eine Vor-
stufe für die Bildung des ältesten
gothischen Maafswerks darstellen, ist
in einer späteren Bauzeit, ca. 1220,
entstanden.

Von einer Bauausführung aus
dem Anfange des XIV. Jahrh. sind die unteren Theile der Sei-
tenschiffsmauern auf Süd- und Nordseite ' erhalten, welche bei
den spätern Umbauten zwar geschont, aber durch veränderte
Axentheilung und entsprechende Strebepfeilerstellung so verän-
dert worden sind, dafs es schwer hält, von der damals neu er-
richteten Kirche eine gesicherte Vorstellung zu gewinnen. Nur
zwei vermauerte Portalreste auf Süd- und Nordseite mit reiehen
Profilen und krabbengeschmückten Wimpergen besitzen hinrei-
chend sicliere Kennzeichen, um die Annahme eines stattlichen
und umfangreichen Neubaues in dem ersten Viertel des XIV.
Jahrh. zu begründen, auf dessen Herstellung die oben angeführ-
ten Wohlthätigkeitszeugnisse der Herzogin Anna von ßreslau und
ihres .Sohnes Johannes in den Jahren 1313, 1317 und 1319 zu
beziehen sein möchten.

Zur dritten Bauzeit gehören die fünf westlichen Jochreihen
des Langhauses mit ihren oberen Umfassungsmauern und Schiffs-
pfeilern, nur. die Arkadenbogen und Gewölbe sind noch später,
zur Zeit des Chorbaues, erneuert worden. Von der mit nicht ge-
ringem Aufwande hergestellten Bauausführung geben die Fig. 1,
2,3,5 auf Bl. XLIV und Fig. 3 und 4 auf Bl. XLIII eine de-
taillirte Darstellung. Das Pfeilersystem des Innern, äuf Bl. XLIV,
Fig. 5 nebst dem dazu gehörigen Detail Fig. 2 mitgetheilt, De-
folgt im Wesentlichen die Pfeilerbildung der St. Stephans-Kirche
zu Tangermünde, mit der geringen Abweichung, dafs die viel-
fach gestabten Pfeiler hohe runde profilirte Plinthen und Sok-
kel empfangen haben, während die formlos gegliederten Käm-
pfer beibehalten worden sind. Günstiger gestaltet erscheint das

’). Die völlige AbweSenheit von Granitmaterial. an diesem Thurme läfst darauf schlie-
fsen, dafs die älteste Pfarrkirche St. Johannes ein von Niederländern ausgefiihrter Eau ge-
wesen ist, deren Ansiedlung in und bei Werben auch anderweitig urkundlich gesichert ist.

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