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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0098
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88

2) 1400—10 Giebel der Süd- und Nordseite,

3) 1450 — 68 Chor, Gewölbe und Liebfrauen-Rapelle,

4) 1490—1500 Frohnleichnamskapelle.

IV. Franziskaner Klosterkirche.

Historisches.

Aus den Nachrichten, welche sich auf den in der Mitte des
XIII. Jahrh. auf der Altstadt Salzwedel angesiedelten Franziska-
ner-Konyent beziehen, geht hervor, dafs der Orden 1280 zum An-
kaufe von Grundstücken geschritten ist und die von ihm erbaute
Klosterkirche 1287 schon bestand '). Hieran schliefst sich die
baugeschichtlich wichtige Nachricht, welche eine am Lettner (bis
1837) vorhanden gewesene Inschrift folgendermafsen überlieferte:

Anno MCCCCXXXV inceptum fuit praesens opus novi chöri
et completum est Anno MCCCCLIII in die S. Marcii per magistrum
Henricum Reppenstorf * 2).

Die urkundliche Nachricht, dafs sich 1457 die Kramergilde •
verpflichtet, in der neuen Kirche der Franziskaner ein Fenster
für XX Mark zu erhalten 3), steht mit diesem Neubau des Cho-
res in direkter Beziehung. Noch bedeutender war der Erweite-
rungs- und Umbau, welchen eine noch vorhandene in Stein gra-
virte und vergoldete deutsche Inschrift an einem Schiffspfeiler
mittheilt. Dieselbe lautet:

Annö dni M° CCCCXCIII diu 'wart se gebraken. pet. brantz
gardian. Darunter steht: simon breslaw. mur-rnan (?)

Endlich wurde im J. 1514 der Thurm (ein Dachreiter) vom
hohen Chore nach dem Kirchendache verlegt (propter sonitvm
campanae) und eine neue Glocke angeschafft 4). Der Baumeister
(magister in arte arcliitectonicd) desThurmes hiefs Johannes Möller
und war ein aus Lüchow gebürtiger Slave 5). Leider ist dieser
Glockenthurm im J. 1807 abgetragen worden. In Foige späte-
rer Reparaturbauten von 1578, 1828 und 1837 ist die Kirche
jetzt noch wohl erhalten.

Baubeschreibung.

Die auffailend grofse, über 200 Fufs lange Klosterkirche be-
steht aus dem sechsjochigen Langhause, mit welchem an der Süd-
seite ein eben so langes Seitenschiff' verbunden ist und dem ein-
schiffigen dreijochigen, poiygon (in 7 Seiten des Zwölfecks) ge-
schlossenen Chore, welchen ein Lettner von dem Langhause
trennt. Der Chor ist rings mit Strebepfeilern umstellt, aber das
Langhaus entbehrt derselben vollständig. Auf der Nordseite hängt
dasselbe nämlich mit Kreuzgang und Klostergebäuden eng zu-
sammen und an der Siidseite sind sämmtliche Strebepfeiler nach
Innen gelegt und Kreuzgewölbe dazwischen gespannt worden,
so dafs das südliche Seitenschiff durch hohe hallenartige Kapel-
len erweitert erscheint.

Ohne Schwierigkeit erkennt man, dafs der ganze Bau das
Resultat einer dreifachen Bauthätigkeit gewesen ist, deren ein-
zelne Epochen durch die urkundlichen Nachrichten und die oben
mitgetheilten Inschriften zweifellos gesichert sind. Der höchst
einfach gehaltene Unterbau der ganzen West- und Nordmauer
am Mittelschiffe bis auf ca. 20Fufs Höhe ist der Rest des Stif-
tungsbaues von der Mitte des XIII. Jahrh. Neben den deutli-
chen Abbruchs- und Ansatzspuren ist namentlich die erhaltene

') Danneil a. a. O. S. 69 ff.

2) Danneil a. a. O. S.74. — Es ist wahrscheinlich, dafs der Name des Baumeisters:
Eeinstorf und nicht Reppenstorf gelautet hat und nur in Folge ciner sehlechten Les- oder
Sclireibart als Reppenstorf überliefert worllen ist. Sollte diese Vermuthung richtig sein, so
wiirde sich die Thatsache ergeben, dafs derselbe Meister wenige Jahre darauf (1456) bei der
Bau-Ausführung von St. Godehard zu Brandenburg tliätig gewesen ist. Vergl. iiber diese
Bauthätigkeit S. 24 ff.

3) Urk. in Danneil. Urkundenbuch, No. 44.

4) Die bei dieser Gelegenheit in den Thurmknopf gelegte Nachricht riihmt die Ein-
wohner und nennt die Innungen, welche dabei Hülfe geleistet. Nur die Schneider der Alt-
stadt hatten sich ausgeschlossen und daher iiberliefert die Nachricht: ■ „sed in antiqua civi-
tate fuerunt sartores frivoli." Beckmann a. a. O. Buch I, Sp. 56.

5) Derselbe Baumeister liat die grofse Pfarrkirche St. Maria 7.u .Bernau 1519 iu den

Gewölben vollendet.

südliche Ecklissene nebst dem hohen Plinthengesimse an der
alten Westfront (welche auffallend an die Westfrontbildung voü
Diesdorf erinnert) von besonderer Wichtigkeit.

Der in schönen Verhältnissen erbaute und durch die hoch-
gestellten dreitheiligen Fenster hell beleuchtete Chor beruht auf
Motiven des Domes zu Stendal und entspricht mit seinen guten
Kunstformen der überlieferten Bauzeit. Die Untermauern siu^
mit gedrückten Spitzbogenblenden gegliedert, zwischen deneU
schwach vorspringende Wandvorlagen emporsteigeu. Die bus 1'
gen Kreuzgewölbe, deren Birnstabrippen von Blattkonsolen g e'
tragen werden, zeigen das seltene Motiv, dafs eine in der Rich-
tung der Längenaxe durchlaufende Rippe sämmtliche Gewölbß
durchschneidet.

Das Langhaus ist durch die inschriftlich gesicherte Bauth»
tigkeit von 1493 wesentlich umgestaltet worden, denn die be-
deutende Höhenerhebung und die nach Süden hin vorgenom-
mene Erweiterung haben die räumlichen Abmessungen des alten
Baues total verändert. Im Ganzen ist aber das bei allen Fran-
•ziskanerkirchen auftretende Princip einer grofsen SparsamkeJ
in der Verwendung von Kunstformen auch hier unverkennbai'-
Die Gliederung der fünf Rundpfeiler, welche das Mittelschiff vo 11
dem südlichen Seitenschiffe trennen, ist der Pfeilerform der St>
Marienkirche zu Stendal nachgebildet. Diese Pfeiler sind an
vier Seiten mit dreifach gebündelten Rundstäben besetzt, toA
Plinthen und ringförmigen Kämpfern versehen und tragen d lß
einfach abgestuften, aber in gebrochenen Kanten gegliederteü
Gurtbogen. Die nach innen gelegten Strebepfeiler sind ebenfalB
an den Ecken abgekantet und mit demselben Kapitell wie die
Rundpfeiler geschmückt. Die breiten Fenster sind im InnerO
nur einmal, aber sehr tief abgestuft und besitzen dreitheilig eSi
gut gezeichnetes Stabwerk. Die beiden Südportale, welche 111
das Langhaus führen, sind aufserordentlich nüchtern profilirt, so
dafs sie gegen die übrigen Kunst- und Strukturformen, welch e
im Wesentlichen ein noch kräftiges Gepräge zeigen, sehr z’ 1'
rückstehen.

In dieselbe, dem Schlusse des XV. Jahrh. angehörende Spät'
zeit mufs die Erbauung des dreijochigen, mit Kreuzgewölben über-
wölbten Lettners gesetzt werden, da die Rundpfeiler desselbe 11
mit denselben Formsteinen hergestellt worden sind, welche de 1
Rundpfeiler in der Sakristei der St. Marienkirche besitzt. Vergl-
S. 86.

R e s u 1 t a t.

Von dem Griindungsbaue zwischen 1250 und 1280 sind m 11
Mauerreste an der Nord- und Westseite erhalten. Der schön e
Chor ist von 1435—1453 und das weiträumige zweischiffig e
Langhaus von 1493 — ca. 1500 erbaut worden.

V. Klosterkirche St. Spiritus.

Aus einem, in der östlichen Vorstadt — dem Perwer
belegenen Hospital nebst Kapelle, welches die Markgräfin Mech'
thildis im J. 1240 gestiftet hatte, erwuchs wenige Jahre dara'h
um 1260 eine klösterliche Anlage für regulirte Chorherren,
che durch die Gunst der Markgr. Johann I. und Otto III. (Söh' 11'
der Mechthildis) mit Güterbesitz und päpstlichen Indulgenzen at 1?'
gestattet wurde. Durch reiche Ablafsertheilungen am Schlusse d eP
XIII. Jahrh. befördert, scheint der Reiehthum und das Anseh e11
dieses von den Landesherren mit Vorliebe begünstigten Klost el' ?
später so bedeutend gestiegen zu sein, dafs das Patronat de 1
Neustädter Pfarrkirche St. Katharina dem Konvente 1320 übe J'
geben wurde. Aus den ferneren Jahrhunderten seiner Existeü 7'
sind zwar sehr zahlreiche, aber für die Baugeschichte unintei’ eS'
sante Nachrichten vorhanden. Das Kloster wurde 1540 aufg 6'
hoben, aber die merkwürdige Kirche, welche nach einem thed'
weisen Einsturze der Gewölbe durch die Fürsorge des grofs el1
Kurfürsten im J. 1686 reparirt worden war, erhielt sich bis z" 111
Schlusse des vorigen Jahrhunderts, wo der wichtigste Theil, d ;lS
 
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