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einzelner Kreuzgangstheile, besonders am Ost- und Südflügel,
welche spitzbogige mit Ecksäulchen besetzte Arkadenblenden
und Sägefriese besitzen, der altgothischen Bauepoche, nach dem
Brande von 1269 angehören und zu den wichtigsten und kunst-
historisch entscheidendsten Bauresten in der Mark Brandenburg
gehören.

Der polygone Chor von gleicher Höhe mit dem Langhause,
besitzt einfach geschmiegte, sehr schlanke zweitheilige Fenster,
die von einem fein profilirten G-urtgesimse sich erheben. In
den Untermauern sind breite gedrückte Spitzbogenblenden an-
geordnet. Die schwächer gehaltenen Eckdienste,
welche der Holzschnitt darstellt, werden von recht-
eckigen, schmalen Vorsprüngen eingefafst, die als
Schildbogengesims unterhalb der Gewölbe herum-
geführt sind. In einer besonders reichen aber un-
organischen Gliederung ist in beträchtlicher Höhe
über dem Fufsboden der Anschlufs des Ghors an
das Langhaus bewirkt, indem mittelst eines reich
profilirten Gurtgesimses die alten Pfeiler abge-
schlossen worden und darüber die abgestuften Vorlagen und
Dienste mittelst zierlich gefalteter Tragekonsolen begonnen wor-
den sind. Der spätgothische Charakter vom Schlusse des XIV.
Jahrh. tritt in diesem ganz in Sandstein ausgeführten, hier im
Holzschnitt mitgetheilten Detail sehr bestimmt erkennbar hervor.

Damit stimmen auch die im Chore wie in den Zwillingskapel-
len verwendeten Gewölberippen, Blatt LI, Fig. 6, sowie die Ge-
wölbe und dreitheiligen Fenster der Seitenschiffe überein. Von
der Detailbildung der letzteren, wie von der eines vielleicht noch
später hinzugefügten Nordportals geben Blatt LI, Fig. 3 und 7
eine Vorstellung. Die sämmtlichen prachtvoll gearbeiteten Chor-
schranken mit dem Laienaltar und einem Ambo darüber ent-
stammen aus derselben Bauzeit, kontrastiren aber durch ihren
seltenen Reichthum an Kunstformen und Bildwerk mit der auf-
fallend einfachen Fa^adenbildung des Chors und des nördlichen
damit zusammenhängend errichteten Treppenthurmes.

Zu dieser durch den Bischof Johann III. (Wopelitz) bewirk-
ten Bauausführung, welche erst 1411 beendigt worden ist, ge-
hören noch die erneute Herstellung und Ueberwölbung der Kreuz-
gangsflügel, wobei an die vorhandenen älteren Baureste ange-
schlossen worden ist, eine Thatsache, welche die auf Blatt LI,
Fig. 2 dargestellte Fa<?ade des Südflügels in dem Spitzbogenfriese,
den schlanken Wandblenden, mehr noch in den gedrückten
Spitzbogenarkaden mit schwerfälligem Pfostenwerk erkennen
läfst '). Anschliefsend an die Detailbildung dieses Pfostenwerks
ist schliefslich ein am Westflügel der Stiftsgebäude vorhandener
hoher Südgiebel hergestellt, indem dessen dicke Zwischenpfeiler
mit abgerundet profilirten Spitzbogenblenden ebenfalls aus vier

‘) Dasselbe Pfostenwerk ist an dem Westthurm zu Wilsnack enthalten, der nach 1386
hergestellt von demselben Bischofe Johann III. erbaut worden ist, wie diese Itreuzgangstheile.

II.

Halbrundstäben formirt sind, wie das Pfostenwerk. Der an .und
für sich uninteressante Giebel entstammt wahrscheinlich der
Mitte des XV. Jahrh.

Kunstwerke.

Wenige Kirchen in der Mark haben trotz der Ungunst der
Zeiten eine solche Fülle von ursprünglich zu ihrer Ausstattung
gehörigen Kunstgegenständen bewahrt, wie der Dom zu Havelberg.

In erster Reihe erscheinen die reichgeschmückten sandstei-
nernen Chorschranken, mit deren Westwand ein auf gothischen
Säulen ruhender Laienaltar nebst ambonartigen Lesepult dar-
über verbunden ist. Der ganze Bau ist ein figurenreiches Werk;
zwanzig Scenen der Passionsgeschichte, vierzehn Statuen von
Aposteln und Heiligen unter Baldachinen, andere Reliefs in den
Thürzwickeln aus dem Leben Jesu und eine Fülle von zierlich
gearbeitetem Ornament schmücken diese kostbare, trefflich er-
haltene Kleinbauanlage, welche in einer kräftigen spätgothischen,
doch aber hervorragend künstlerischen Weise behandelt ist und
offenbar zu dem reich durchgeführten Um- und Erweiterungs-
bau des Bischofs Johann III. (Wopelitz) von Ende des XIV. Jahrh.
gehört.

Derselben Bauzeit und demselben kunstsinnigen Bauherren
entstammen sodann drei Steinkadelaber 1), deren gröfserer in
Form eines gothischen sechseckigen Thürmchens gebildet ist,
die beiden andern als Rundpfeiler mit Kapitellen und Basen ge-
gliedert sind. Die letzteren sind noch in einer seltenen Weise
init daran gestellten halblebensgrofsen Figuren geschmückt, welche
nach Tracht und Attributen zu urtheilen, offenbar einen älteren
Prämonstratenser Mönch, einen jugendlichen Novizen, sodann
den Küchen- und Kellermeister des Stifts darstellen. Diese Stein-
leuchter erwuchsen, wie erhaltene Ansatzspuren lehren, aus einer
niedrigen, 3| Fufs hohen Steinbrüstung, welche den Altarraum
von dem Stiftschore trennte. Höchst wahrscheinlich sind alle
diese Skulpturen des Chores, die zu den besten der Mark ge-
hören, in Magdeburg angefertigt worden.

Aufserdem ist eine seltene Folge von bischöflichen steiner-
nen Grabplatten vorhanden, welche die Verstorbenen theils in
flachem Relief gearbeitet, gröfserentheils aber in eingravirten
Umrissen darstellen. Unter diesen 14 Grabsteinen sind zwei,
welche Markgrafen aus dem Ballenstädter Hause darstellen, näm-
lich die beiden zu Bischöfen erwählten, aber nicht konsekrirten
Markgrafen Herrmann f 1291, und Johann f 1292, ferner die
ebenfalls in eingravirten Umrissen hergestellte Grabplatte des
Bischofs Johann III. f 1401, hervorzuheben.

Leider ist die letztere gröfstentheils von einem später er-
richteten prachtvollen Hochgrabe desselben Bischofs bedeckt,
welches die aus weifsem Marmor gehauene Figur des Verstor-
benen in einer edlen und schönen, aber schon fast nachmittel-
alterlichen Behandlung zeigt. An der Ostwand dieses Grabes
standen ehemals zwei Mannorfiguren, von denen nur noch eine
erhalten ist, darüber die Inschrift: ppositus . dns . Jolies . rnolen-
dorp . dns . gherardus . schonhusen\ worin offenbar die Stifter
dieses trefflichen und für die Marken höchst seltenen Kunst-
werks bezeichnet sind.

Unter den Holzschnitzwerken ist eine Reihe von sechs Sitzen
hochalterthümlicher, mit phantastisch gebildeten Thierköpfen an
den Seitenwänden ausgestatteter Chorstühle, (vor der Mitte des
XIII. Jahrh.), ferner zwei Reihen edelgothisch gebildeter, mit
durchbrochenen Seitenwänden, Weinlaub-, Drachen- und Löwen-
figuren geschmückter Chorstühle (Schlufs des XIII. Jahrh.), end-
lich ein zweisitziger Bischofstuhl (vom Schlusse des XIV. Jahrh.)
als nicht unwichtige Reste der einstigen Ausstattung des Chors
zu nennen.

Als das bei Weitem werthvollste Kunstwerk ist endlich das
kolossale Heilandskreuz mit den Figuren der Maria und des Jo-

*) Zwei derselben in treuer Darstellung mitgetheilt in v. Quast und Otte Zeitschr.
Band II, S. 286. Sehr mittelmäfsige Abbildungen dieser beiden höchst interessanten Grab-
platten in Riedel a. a. 0. A. II.

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