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bogige Blenden zwischen den Oberfenstern des Langhauses glie-
dern sehr bescheiden die Umfassungsmauern.

Alle diese Eigenthümlichkeiten zeigen den engen Zusam-
menhang des Stiftungsbaues init altmärkischen und mecklenbur-
gischen Bauwerken der altgothischen Epoche. Insbesondere läfst
die Wandgliederung den engen Anschlufs an Neuendorf, die
Vorliebe für abwechselnd roth und schwarzgrüne Steine den
Zusammenhang mit Diesdorf und Salzwedel nicht verkennen.

Der polygon gestaltete Chor besitzt gut gemauerte Kreuz-
und Sterngewölbe auf birnenförmigen Rippen, welche sich auf
polygonen Kapitellkämpfern, die von Runddiensten getragen
werden, erheben. An den Gewölben sind rundstabförmige Schild-
rippen vorhanden, und die Gewölbekappen sind init schwachem
Busen emporgewölbt. Die dreitheiligen Chorfenster sind aufsen
wie innen ohne Profilsteine theils abgestuft, theils abgeschmiegt
hergestellt. Das aus gewöhnlichen Mauersteinen hergestellte
Stabwerk ist Restauration. Die am Ohore befindlichen Strebe-
pfeiler setzen wie an der Stephans-Kirche zu Tangermünde an
dem Obertheile nach drei Seiten hin ab. Obschon die Verhält-
nisse des Chors niedrig und breit sind, fast an einen Kapitelsaal
erinnernd, so maclit dieser Bautheil dennoch einen günstigen
Eindruck.

Die Strebepfeiler der Siidfacade sind sehr später Zusatz,
sehr unbeholfen erbaut, während die ganze Kirche verständig
und gediegen hergestellt ist. Gleichzeitig mit oder bald nach
dem Chorbaue, den man wegen seiner ernsten Haltung nicht
viel über die Mitte des XIV. Jahrh. stellen darf, sind auch die
in dem Fa^adensystem, Fig. 1., erscheinenden dreitheiligen Ober-
fenster nachträglich in die Obermauer eingebrochen worden, wäh-
rend man die ursprünglichen, sehr viel schlankeren eintheiligen
Oberfenster vermauert hat. Durch diesen Zusatz, wie durch die
Aufführung der rohen Strebepfeiler, ist die einheitliche Erschei-
nung der Kirche wesentlich beeinträchtigt worden.

von Havelberg Markgraf Otto der Lange an der Stelle der Wie-
derentdeckung der vergrabenen Hostie ein Nonnenkloster zu
erbauen, in welchem das Heiligthum in würdiger Weise von
jungfräulicher Hand aufbewahrt werden könne.

Die Stiftungsurkunde, welche L289 ausgestellt worden sein
soll, ist nicht mehr vorhanden, auch fehlt es an näheren bau-
geschichtlichen Daten über Errichtung oder Umbau der Kloster-
kirche. Denn in dem zahlreichen Urkundenschatze ist nur eine
Urkunde, worin eine Familie von Gülen 76 Mark Silber zum
Bau des Klosters (ad structuram claustri sanctimonialiumj ’)
herzugeben verspricht, vom Jahre 1319 vorhanden, die eine
baugeschichtliche Nachricht überliefert. Alle übrigen Urkunden
beziehen sich auf Besitz-Erwerbungen, Vermächtnisse, Altar-
gründungen und ähnliche Angelegenheiten des im Laufe des
XIV. Jahrh. zu sehr ausgedehntem Güterbesitze gelangten Klo-
sters 1 2 3). Im Anfange des XV. Jahrh. hatte das Kloster durch
die völlige Rechtsunsicherheit, welche bis zum mannhaften Auf-
treten der Hohenzollern in den Marken, insbesondere in der
Priegnitz herrschte, an seinen Einkünften namhafte Einbufsen
erlitten. Erst in der zweiten Hälfte des XV. Jahrh. besserten
sich diese Verhältnisse, so dafs neue Erwerbungen stattfinden
konnten. Nach dem Eintritte der Reformation, welcher der
Konvent sich anfangs hartnäckig widersetzte, gelang es doch
detn Stifte, in ähnlicher Weise wie das benachbarte Kloster Ma-
rienfliefs, seine Existenz und seine bedeutenden Güter als pro-
testantisches Damenstift zu retten. Obschon der 30jährige Krieg
auch dieses Stift nicht verschonte, sind doch die wesentlichsten
Gebäude, nämlich die Klosterkirche mit dem Kreuzgange und
den Stiftsgebäuden sowie eine isolirt belegene Kapelle, welche
traditionell als „ heilige Grabeskapelle “ bezeichnet wird, noch
wohl erhalten :J).

Baubeschreibung.

Technisches.

Das Steinformat beträgt an der Westfront und den Lang-
seiten meistens lli Zoll, 5,j Zoll und 3j Zoll; doch kommen aueh
hin und wieder extragrofse Backsteine von 17 Zoll Länge,
5,i Zoll Breite und 3j Zoll Stärke vor. An den Chormauern
erscheint das Maafs von 11 Zoll, b\ Zoll und 3^ Zoll.

Resultat.

Das Langhaus und der Westtheil des hohen Chors gehören
in die Zeit des Stiftungsbaues von 1231 —1240; der Chor kann
schätzungsweise zwischen 1350 — 60 gestellt werden. Als ein
zwar ungewölbtes aber früh datirtes altgothisches Bauwerk ist
die Klosterldrche von einigem Interesse, zumal ihr Zusammen-
harig mit Neuendorf und Güldenstern die Annahme bestätigen
liilft, dafs in den nordöstlichen eben erst germanisirten Slaven-
ländern die altgothische Baukunst, wenn auch nur sporadisch,
früher aufgetreten ist, als in dem eigentlichen Mitteldeutschland.

III. Klosterkirche Heiiigen Grabe.

Historisches ').

Auch dieses zwischen den Städten Wittstock und Pritzwalk
belegene Kloster ist als ein Nonnenkloster des Cistercienser-
Ordens, und zwar als Tochterkloster von Neuendorf, noch im
XIII. Jahrh. gestiftet worden. Die Stiftung wurde durch eine
wunderthätige Hostie veranlafst, die 1287 durch einen sächsi-
schen Juden aus der Kirche des benac-hbarten Dorfes Techow
geraubt und mifshandelt, geblutet und zur Entdeckung des Mis-
sethäters geführt haben soll. Nachdem das Sakrament wieder
aufgefunden worden war und viel Zulauf des Volkes herbeige-
zogen hatte, entschlofs sich auf Antrieb des Bischofs Heinrich

') Vergl. Märkische Forsch. I, S. 166 ff. und Iliedel a. a. 0. A. I, 463.

I. Die Klosterkirche.

Die Klosterkirche ist ein stattlicher einschiffiger Gewölbe-
bau von 7 Jochen, dessen polygoner Chor in fünf Seiten des
Achtecks geschlossen ist. Die westliche Hälfte der Kirche
wurde ursprünglich von einer ausgedehnten Nonnen - Empore
eingenommen, die zwar verschwunden ist, deren Existenz aber
durch die in der Nordmauer vorhandenen ldeinen spitzbogigen
Oberfenster gesichert ist. Die sehr hochbusigen Kreuzgewölbe
ruhen auf mageren Rippen und besitzen weder Schlufssteine
noch Kämpferkonsolen, so dafs die Bauausführung sich als eine
in streng ökonomischem Sinne durchgeführte zu erkennen giebt.
Die Facaden bestätigen diese Annahme. Mit Ausnahme des
Chorpolygons sirid alle Umfassungsmauern aus Granitmauer-
werk in ziemlich regelloser Technik erbaut; nur die Fenster
und Thüreinfassungen, sowie die Ecken und Obertheile der
Strebepfeiler sind in Backsteinen hergestellt. Die Fenster sind
breit, zweitheilig und einfach abgeschmiegt; die Strebepfeiler
sind mit höchst einfachen Kehlgesimsen ausgestattet und setzen
nach drei Seiten ab. In der Westfront er-
scheint ein reich aber, wie der Holzschnitt
zeigt, sehr nüchtern profilirtes Hauptportal
ohne Kämpfer und Basen, ganz aus dunkel-
schwarz glasirten Backsteinen gemauert.
In gleicher Weise ist das breite Spitzbogen-
fenster darüber sowie ein aus Kreuzstäben
formirter Gitterfries hergestellt. Ueber dem
Letzteren erhebt sich der einfache mit profilirten Spitzbogen-
blenden gegliederte Giebel, den jetzt ein roher Fachwerksthurm
bekrönt.

1 ) Riedel a. a. O. A. I, 481.

2) Vergl. Riedel a. a. 0. A. I, 466 ff.

3) Wenn Riedel in den Märk. Fo’rschun'gen I, S. 166 ff. sagt, dafs die Kloster-
anlage von Heiligen Grabe sehenswerther sei, als die entspreehcnden von Chorin oder Leh-
nin , so ist dies ein Irrthum, denn weder in kunsthistorisehem noch technischem Sinne
läfst sich diese Behauptung begründen.
 
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