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I. Die Pfarrkirche St. Lorenz.

Dieselbe istin unbekannter Zeit, wahrscheinlich im XII. Jahrh.
gegründet, und später am Schlusse des XIII. Jahrh. als ein go-
thischer Gewölbebau erneuert worden. Ihre erste Erwähnung
fällt in das Jakr 1340. In Folge mehrfacher Beschädigung selbst
theilweiser Zerstörung, wobei sie den Obertheil des Thurmes
und alle Gewölbe eingebüfst, ist die ursprüngliche Anlage nur
fragmentarisch erhalten. Die Kirche besteht aus dem Westthurm,
dem 3schiffigen Langhause von 4 Jochen und dem 2jochigen in
fünf Seiten des Achtecks geschlossenen Chore. Der gröfsere
Theil der Bauanlage, nämlich der Thurm, die Schiffspfeiler (wo-
von zwei rund, die anderen vier kreuzförmig gestaltet sind),
sowie der Chor zeigen die einfach strenge Gliederung der go-
thischen Baukunst vom Ende des XIII. Jahrh. Andere
Theile wie der gröfste Theil der Südmauer gehören in
das XIV. Jahrh. Nicht uninterressant in technischer
Beziehung ist die Profilirung der 3theiligen, jener
Zeit entstammenden Spitzbogenfenster. E)er Holzschnitt
giebt eine Darstellung, aus der namentlich die einfache
Ueberführung der abgerundeten oder abgefasten Pro-
filsteine in einfache Abstufungen hervorgeht.

Am Thurme befinden sich: ein schlichtes sand-
steinernes Memorienkreuz und eine Gedächtnifstafel
mit der Kreuzigung, unten der knieende Donator. Die
nur theilweis leserliche Umschrift lautet: Anno dni.
MCCCCLIX. martims toyse.

II. Die Kapelle St. Anna.

Ueber die Gründung dieser kleinen achteckigen ungewölb-
ten Kapelle am Fufse des Domberges ist keine Nachricht vor-
handen, doch lassen ihre Formen mit Sicherheit einen Bau vom
Ende des XV., werm nicht vom Anfange des XVI. Jahrh. er-
kennen. Schwach vortretende lissenenartige Strebepfeiler be-
grenzen die Ecken und endigen mit schwacher Schmiege unter-
halb des einfach abgerundeten Hauptgesimses. Hochgelegene,
gekuppelte Flachbogenfenster ') (in jeder Achtecksseite ein Paar)
erleuchten den kleinen Bau, der von Süden nach Norden orien-
tirt, eine flachbogige Eingangsthür besitzt, und neben den ge-
kuppelten Fenstern an den Obermauern mittelst flachbogiger
kreisförmiger Blenden sehr einfach dekorirt ist. Das Steinfor-
mat beträgt 10|Zoll, 5| Zoll und 3| Zoll. Die mit mäfsigen
Mitteln und ohne feineren Kunstsinn erbaute Kapelle gewährt
nur darin einiges Interesse, als sie zu den in den Marken sel-
ten erscheinenden Centralanlagen gehört.

III. Die Hospitalkirche St. Spiritus.

Dieselbe ist am Schlusse des XIV. Jahrh. gegründet 2), aber
jedenfalls wie die erhaltene Bauanlage lehrt, nach dem grofsen
Stadtbrande des J. 1450 nochmals erneuert worden. Es ist ein
oblonger einschiffiger Bau, in der Gesammtanlage mit den schö-
nen Schlofskapellen von Ziesar und Wollmirstedt verwandt, nur
entbehrt derselbe der Gewölbe. An der südlichen Langseite be-
findet sich die reich gegliederte, flachbogig überwölbte aber
spitzbogig umrahmte Hauptthür, die von einem dicken Rund-
stabe in der Form eines gedrehten Taues und einer Plattenum-
rahmung von Reliefthonplatten mit Masken und Ranken umschlos-
sen wird. Die reiche Detailbildung dieser Pforte beruht auf den
besseren Bauanlagen zu Tangermünde und Stendal, insbesondere
den schönen Thoren daselbst. Auch die zierliche elegante Pro-
filirung der ehemals 3theiligen Fenster entspricht diesem An-
schlusse. In Stelle der sonst üblichen Strebepfeiler sind die

>) Genau wie clie Unterfenster an der St. Johannes-K. zu Brandenburg. Bl. XX,
Fig. 2.

2) Biedel. a. a. 0. A. I, 37.

II.

' Fensterpfeiler mit sehr schlanken Spitzbogenblenden ausgestat-
tet, welche von der Plinthe aufsteigen und unterhalb des ge-
putzten Hauptgesimsfrieses aufhören. Man darf die Bauzeit die-
ses trotz schwerer Beschädigung und Entstellung noch immer
zierlich anmuthigen Bauwerkes ungefähr in das Jahr 1480 stellen.

B. Die Stadt Sandow.

Die Gründung dieses auf dem rechten Elbufer gegenüber von
Werben belegenen Dorfes, welches später zur Stadt erwuchs,
fällt in das XII. Jahrh. und darf wie im Bande I., S. 34 und S. 38
Note 2 hervorgehoben worden ist, der ersten Kolonisationsthä-
tigkeit der in den Jahren 1146 und später eingewanderten Nie-
derländer zugeschrieben werden. Diese Annahme gründet sich
einerseits auf die Namensgleichheit der beiden Orte Seehausen in
der Wische und Sandow an der Elbe mit zwei andern sicher
beglaubigten Ansiedlungslokalen Santou Und Seehausen im Erz-
stifte Bremen, andrerseits auf die Thatsache, dafs Sandow bis
zum Jahr 1363 zu demjenigen Theile der Altmark gehört hat,
worin die erste Ansiedlung der niederländischen Kolonisten durch
Albrecht den Bären und Bisch. Anselm v. Havelberg bewirkt
wurde A). Am entscheidensten wird diese Vermuthung, die sich
wegen Verjustes aller städtischen Urkunden nicht dokumenta-
risch erweisen läfst, dadurch bestätigt, dafs in Sandow eine alt-
romanische Backsteinkirche vorhanden ist, welche mit den älte-
sten Kirchen des Landes Jerichow auf das Engste verwandt ist
und jedenfalls gleicher Bauzeit entstammt. Wann das Dorf San-
dow mit deutschem Stadtrechte bewidmet worden ist, ist unbe-
kannt, da es an anderweitigen speciellen Nachrichten über die
Geschichte dieses alten Ortes mangelt.

Die Pfarrkirche St. Martin.

Dieselbe ist wie der Holzschnitt darstellt, eine dreischiffige

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Basilika mit schmalem oblongem Chor, an den sich eine halb-
kreisförmige Apsis lehnt, während die Seitenschiffe mit zwei
kleinen in der Mauerstärke angelegten Nebenapsiden heendigt
sind. Ein breiter oblonger Thurm begrenzt im Westen die ein-
fach gestaltete Bauanlage, deren Grundrifs mit den entsprechen-
den der Stiftskirche von Grofs Beuster -), der Pfarrkirche St. Ni-
kolaus vor Brandenburg 3) und der Dorfkirche zu Schönhausen ')
in allen wesentlichen Theilen übereinstimmt. Auch die innere
Gliederung und die Facadenbildung entspre-
chen in Struktur- wie Kunstformen den ge-
nannten Bauwerken, nur dafs Sandow, insbe-
sondere im Chore und der Hauptapsis alter-
thümlicher als Schönhausen erscheint und sich
enger an St. Nikolaus vor Brandenburg an-
schliefst. Die rundbogigen Arkaden werden,
wie das im Holzschnitte dargestellte System
des Innern lehrt, von kreuzförmigen Pfeilern
getragen, unter denen dem südlichen Portale
gegenüber auch zwei derbe Rundsäulen mit

O Ö

trapezschildigen Würfelkapitellen wie in Schönhausen erscheinen.

') Vergl. Riedel. Mark Br. 1, 30. Note 2.
2 ) Vergl. Band I, S. 92.

3) Vergl. Blattlll, Eig. IV.

4) Vergl. BlattXXIV, Fig. IV.

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