Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
17

Consekrationsurkunde der Hauptaltar durch Bischof Conrad von
Havelberg eingeweiht und zehn Jahre darauf der neu erbaute
hohe Chor, wie eine alte 1579 aufgefundene Inschrift besagte,
in den Gewölben vollendet. Eine ganze Reihe von Altarstif-
tungen folgte alsdann dieser erneuten Bauthätigkeit, so aus den
Jahren 1441, 1461, 1471 und 1476, so dafs am Schlusse des
Mittelalters mindestens zehn Nebenaltäre, sowie zwei mit, der
Kirche zusammenhängende ßrüderschaften vorhanden waren. 1)
Ein sehr umfass>ender, wahrscheinlich in Folge einer Feuersbrunst
nothwendig gewordener Restaurationsbau, von welchem nur das
Datum: renov . anno dni. 1501 2) inschriftlich überliefert ist, hat
der Kirche im Wesentlichen ihre noch jetzt erhaltene Gestal-
tung gegeben, wiewohl Feuersbrünste 1598 und 1642 den
stattlichen Thurm zerstört haben und durch ein gleiches Er-
eignifs im Jahre 1821 die Kirche nochmais schwer beschädigt
Worden ist.

Baubeschreibung.

Die zum kleineren Theile aus Granitquadern, gröfstentheils
aber aus Backsteinen errichtete Pfarrkirche zeigt eine dreischif-
fige mit Chorumgang versehene Planbildung, welche mit St. Go-
dehard zu Brandenburg und St. Stephan zu Tangermünde aufs
Engste verwandt ist. Ein oblonger Glockenthurm im Westen
sowie zwei Doppelkapellen an der Süd- wie Nordseite des Chors
ünd eine ebensolche an der Südseite des Langhauses, deren
Obergeschosse emporenartig nach Innen sich öffnen, sind mit
der Kirche direct verbunden. Leicht erkennt man an der ein-
fach massigen Anlage des zweimal abgesetzten Thurmes, sowie
an breit spitzbogigen, abgestuften Granitportalen an demselben
nnd in der Nordmauer, dafs der Thurm gröfstentheils, die Nord-
mauer auf etwa 15 Fufs Höhe als Reste der ersten Bauausfüh-
rung von ca. 1256 erhalten sind.

Das Innere wirkt, trotz übertriebener Schmucldosigkeit durch
hochstrebende und weiträumige Verhältnisse günstig. Alle Ge-
’wölbe ruhen auf glatten basenlosen Rundpfeilern, deren ziem-
üch rohe Kämpferbildung im Schifie aus den umgekehrten Plin-
thensteinen, im Chore aus zwei feinen Gesimssteinen in einfüfsi-
gem Abstande gewonnen worden ist. Das Mittelschiff im
Langhause hat reichere mit Schlufsringen geschmückte Stern-
gewölbe empfangen, während der Chor und die Seitenschiffe nur
einfache aber sehr hochbusige Kreuzgewölbe besitzen. Gleich-
wohl scheinen sämmtliche mit denselben Rippensteinen und in
gleicher Technik construirten Gewölbe aus derselben Bauzeit
vom Anfange des XVI. Jahrh. herzurühren. Das System des
Schiffes ist dem auf Blatt LIII, Fig. 5 mitgetheilten Systeme der
Pfarrkirche St. Jakob von Perleberg sehr ähnlich, nur mit weich-
lich gegliederten Arkadenbogen und etwas feineren Birnenrippen
ausgestattet. Das System des Chores ist in besseren Verhält-

nissen und mit kräftigeren Profilen, wo-
von der Holzschnitt das Detail der Ar-
kadenbogen zeigt, durchgeführt worden.
Die im Chore dreitheiligen, im Lang-
hause meist viertheiligen Fenster zeigen sowohl in der Gesammt-
gestaltung wie Detailbildung denselben Unterschied beider Bau-
fheile. Endlich bestätigt die verschiedene Strukturbildung der
hetreffenden Strebepfeiler diesen wahrnehmbaren Unterschied
vollständig. Die Strebepfeiler des Langhauses sind sehr stark
(fast 6 Fufs tief) nach innen gezogen und oben durch Spitzbo-
gen verbunden worden, wodurch das System von Heiligen-
grabe :!) wiederholt erscheint; während die Strebepfeiler des
Chores durch i Stein vortretende lissenenartige und oben in Ar-
kaden zusammengezogene Wandvorsprünge kaurn angedeutet
sind, und in ihrer ganzen Behandlung an die Kirche Allerheili-
gen zu Tangermünde erinnern. 1)

1) ß;eijel a. a 0. II, 2 ff. III, 353 ff. und Beekmann a. a. O. Th. V, B. II, Kap.
S. 89 ff.

Beckmann a. a. 0. S. 94.

3) Vergl. Blatt LV, Fig. 4 u. 7.

4) Vergl. Blatt XLII, Fig. 4.

II.

Von den mit dem Schiffe verbundenen, sehr einfach und
in landesüblichen Schematen gestalteten Kapellen, welche sicher
geistlichen Genossenschaften als gottesdienstliche Lokale dien-
ten, ist die an der Nordseite des Chores belegene die ältere, da
ihre Detailformen mit denen des Chores völlig übereinstimmen.
Von den beiden Südkapellen verdient die am Langhause eine
Erwähnung, da sie von zwei achteckigen Thürmchen mit mas-
siven Kegelspitzen flankirt wird und ein mit Flach- und Spitz-
bogenblenden ausgestatteter Stufengiebel, sehr ähnlich dem Ost-
giebel der Pfarrkirche zu Wittstock, dieselbe bekrönt. Der Bau
dieser sehr stattlich und luxuriös durchgeführten Kapelle scheint
das letzte der ganzen mittelalterlichen Bauthätigkeit an der Kirche
gewesen zu sein.

Von den in der Kirche früher vorhanden gewesenen Kunst-
werken, Grabsteinen, einem Erzleuchter und Schnitzaltären ist
nichts erhalten. Namentlich ist der Verlust des grofsen sieben-
armigen Leuehters, der nach Beckmann die Inschrift: „Matias
Güde (?) in deme jare unses Heren MVC un XXII dusse lucter
hort to Marie un sunte Anne. u enthielt, lebhaft zu beklagen.

Resultat.

1) Westthurm und Reste der Nordmauer in trefflichem Gra-
nitquaderwerk ca. 1256;

2) Chormauern und Rundpfeiler sowie die Nordkapelle ca.
1430 — 41 — 51;

3) Schiffsmauern, Rundpfeiler und alle Gewölbe vollendet 1501.

6. Die Stadt Lenzen.

Der uralte bereits im Jahre 930 in Folge einer siegreichen
Schlacht der Sachsen gegen die Wenden historisch genannte
und seitdem als ein Hauptsitz des Heidenthums oft erwähnte
Ort Lenzen') wurde wahrscheinlich im Jahre 1239 durch die
Grafen vonSchwerin als deutsche Stadt mit Salzwedel’schem Stadt-
rechte bewidmet 2)- Seit der Mitte des XIII. Jahrh. gehörte die
Stadt den brandenburgischen Markgrafen ebenso unmittelbar,
wie die seit den ältesten Zeiten daneben belegene feste Burg,
und ist trotz des aufserordentlich häufig wechselnden Lehnbe-
sitzes schhefslich im Jahre 1676 an den grofsen Kurfürsten zu-
rückgefallen.

Von mannigfachen kirchlichen, wie profanen Bauwerken,
welche dem Mittelalter entstammten, ist aufser unbedeutenden
Resten auf der Burg nur noch die Pfarrkirche erhalten ge-
blieben.

I. Pfarrkirche St. Katharina.

Historisches.

Wegen des Verlustes aller älteren Urkunden ist iiber Grün-
dung und Bewidmung dieser Kirche nichts weiter bekannt, als
dafs beim Eintritte der Reformation zwölf Altäre darin vor-
handen waren 3)- Schwere Feuersbrünste von 1646 und 1703,
sowie der 1751 erfolgte Einsturz des Westthurmes, haben die
Kirche ihres mittelalterlichen Charakters fast völlig beraubt.

Baubeschreibung.

Die mittelgrofse überwölbte Pfarrkirche, deren Grundrifs
der Holzschnitt darstellt, entstammt verschiedenen Bauepochen,
wiewohl alle älteren Reste entweder völlig untergegangen, oder
unter der Tünche verborgen sind. Eine seltene Sparsamkeit,
ja bis zur Rohheit gesteigerte Dürftigkeit macht sich überall
geltend. Das Langhaus scheint ältere Reste aus der Mitte des

Raumer, Reg. 119 und Riedel a a O. I, 13. II, 59.

2) Riedel a. a. O. I, 15.

3) Riedel a. a. 0. II, 67.

5
 
Annotationen