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schiffsmauern, der Clior, zwei der Vierungsbogen und die drei
Apsiden abgebrochen und das Querscliiff durch Benutz'ung als
Getreidespeicher seiner kirchlichen Bestimmung entfremdet wor-
den, so dafs nacli Vermauerung der rundbogigen Schiffsarkaden
die ursprüngliche Anlage auf das alte Mittelschiff beschränkt
worden ist. Gleichwohl läfst sich bei genauerer Untersuchung der
noch vorhandenen und bei der späteren Erbauung des Schlosses
zum Theil anderweitig verwendeten Baustücke die Gestaltung
der alten Klosterkirche mit Sicherheit ermitteln.

Die ganze Bauanlage ist in Brüchsteinmauerwerk aus Plötz-
ker Sandsteinen erbaiit worden. Neben den einfach geschmieg-
ten rundbogigen Thür- und Fensteröffnungen sind als äufseres
Dekorationsmotiv nur der einfache Bogenfries und scliwach vör-
tretende Eck- und Mittellissenen verwendet worden. Daher be-
sitzt die ursprünglich zweithürmige Westfront (der nördliche
Thurm ist bis auf die Untergeschosse abgebrochen) eine so
strenge und ernste Fapadengliederung, dafs sie in ökonomischer
Hinsicht nur von der ganz sclimucklosen fast halbrohen West-
fapade des Havelberger Domes übertroffen wird. 1) Sie stimmt
in der Anordnung zweier quadratischer Treppenthürme neben
einem vorspringenden Glockenhause mit St. Maria zu Magdeburg
überein, — nur dafs diese Kirche zwei Rundthürme besitzt, —
und darf als direktes Vorbild für die späteren Westfronten zu-
nächst von St. Godehard zu Brandenburg, 2) später von der Klo-
sterkirche zu Jerichow und von dem Dome zu Stendal aufgefafst
werden. Zu Leitzkau scheinen die Obergeschosse der Thürme
nachträglich hinzugefügt worden zu sein, wie aus den zierlichen
Mittelsäulen der zweitheiligen Klangöffnungen des Südthurmes

hervorgeht. Die betreffende Kapitell-
bildung, welche der Holzschnitt ver-
anschaulicht-, erinnert schon an die
derben Knospenkapitelle des begin-
nenden Übergangsstyls in Sachsen
und dürfte wohl die Vermuthung einer
Bauzeit vom Anfange des XIII. Jahrh.
für die Obertheile der Thürme recht-
fertigen. Einen ungleich strengeren
Charakter besitzen die aus fast ku-
bischen Bruchsteinen aufgemauerten
Schiffspfeiler, deren Kämpfer theils attische Basenformen, theils
schräse mit Scliachbrettmustern oder Rankenschematen belegte
Schmiegen zeigen, so dafs mit völliger Sicherheit eine Bauaus-
führuno' aus der Mitte des XII. Jahrh. erkannt wird. Die ur-

Ö

sprünglich reichere Durchbildung einzelner Portale, insbeson-
dlere der bestimmt vorhanden gewesenen Krypta lassen zahl-

reiche Fragmente, die an ein-
zelnen Punkten des Schlosses
später wieder verwendet wor-
den sind, erkennen. Bemer-
kenswerth ist darunter ein
.schöner Porphyrschaft, ganz
ähnlich denen im Chore des
Domes zu Magdeburg, wel-
cher wahrscheinlich als ein
Geschenk des Erzbischofs
Norbert aus Ottonischen Schätzen nach Leitzkau gekommen ist.

J) Vergl. Blatt LII, Fig. 2.

2) Vergl. Band I, S. 25 clen Holzsehnitt.

Die vorstehenden Holzschnitte geben von der Kapitellbildung
der Kryptasäulen und Gestaltung der Thürkämpfer eine Dar-
stellung. Ihre enge Verwandtschaft mit anderen obersächsischen
Details aus derselben Epoche wie zu Frohse, Gottesgnade, Heck-
lingen etc. ist unverkennbar.

Von der ehemaligen reicheren Ausstattung der Kirche sind
jetzt noch zwei Grabsteine erhalten, deren einer im Mittelschiffe
liegend und in eingravirten Umrissen die Figur
eines Mönches darstellend, mit sehr unleserlicher
Umschrift die Grabstätte eines der letzten Pröpste
(vom Anfange des XVI. Jahrh.) bezeichnet, wäh-
rend der andere, auf der Arkadenbrüstung des
Südthurmes eingemauert, durch vorzügliche Pro-
filirung und einfach edle Gestaltung, denn nur
ein Vortragekreuz ist darauf eingemeifselt, dem
XII. Jahrh. entstammt und jedenfalls eine der
ältesten Grabstätten ursprünglich bezeichnet hat.
Seiner einfachen Schönheit und Seltenheit halber
ist dieser Grabstein, — der vielleicht der äl-
teste der in der Mark Brandenburg noch er-
haltenen ist, — durch den Ilolzschnitt veran-
schaulicht worden.

Schloss Leitzkau.

An der Nordseite der Klosterkirche und direkt an dieselbe
angebaut, erstreckt sich die selten grofsartige Schlofsanlage, wel-
che aus drei einzelnen Theilen besteht. Der in beträchtlicher
Entfernung von der Kirche, aber in der Flucht des Querschiffs
erbaute älteste Theil, zeigt sich als ein auf massivem Unterbau
stehendes Fachwerksgebäude mit Erkerthurm und hohen Dächern,
welches in seiner einfachen schmucklosen Behandlung sich als
ein ephemerer Gelegenheitsbau zu erkennen giebt, und da es
noch heute den Namen des „Jagdschlosses“ führt, vielleicht dem
Markgrafen Johann, Bruder des Kurfürsten Joachim II, welcher
Leitzkau von 15,54—1564 besafs, seine Entstehung verdankt.
Die beiden andern Bautheile des Schlosses, welche sehr bald
nach einander erbaut worden sind, bilden zwei parallele Flügel
nördlich von der Kirche, welche beide, — der eine an das Quer-
schiff, der andere an die Westfront dicht an die Klosterkirche
stofsen und ursprünglich mit dieser selbst einen 100 Fufs brei-
ten Schlofshof eingeschlossen haben, dessen vierte Seite nach
dem Klostergarten sich öffnete. Beide Flügel, von denen der
östliche den Namen „Althaus“, der westliche den Namen „Neu-
haus“ führt, sind mit Benutzung mäncher Reste der Klosterkirche
in norddeutschen Renaissanceformen mit gepaarten Steinkreuz-
fenstern, derben säulenbesetzten Rundbogenportalen, hohen Dach-
giebelerkern und polygonen Treppenthürmen in Bruchsteinen er-
baut, alle reicher gegliederten Theile aber in vorzüglichem Sand-
steinquaderbau hergestellt worden, so dafs bei dem grofsen Maafs-
stabe und der einfach ernsten Totalgestaltuno; eine bedeutende
architektonische Wirkunir erzielt worden ist. Von seltenster

ö

Schönheit und von einem äusgezeichneten Meister ist der nörd-
liche Abschlufs des „Altliauses“, dessen Arkadengallerie in drei
Geschossen neben einem daselbst befindlichen polygonen Trep-
penthurme sich ursprünglich nach aufsen liin öffnete. Dieser
Theil des Schlosses ist ganz aus geschliffenen Sandsteinqua-
dern in so reinen Verhältnissen und mit solchem Aufwande
von skulptirten Kunstformen erbaut worden, dafs er die besten
Theile des Heidelberger Schlosses erreicht und in Norddeutsch-
land schwerlich seines Gleichen haben dürfte. Eine Reihe in-
schriftlicher Daten und Wappen über den Portalen, nämlich an
der Südhälfte des „Neuhauses“, 1566 erbaut durch Hilmar von
Münchhausen, sodann an der Nordhälfte daselbst, erbaut durch
Statius von Münchhausen (Sohn des Hilmar), endlich 1581 an
jener schönen Gallerie bestiinmen die Baugeschiclite des Schlos-
ses in erwünschter Weise.
 
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