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d. h. mit Wall und Graben geschirmt und 1293 sclienkten die
Markgrafen der armen Stadt ihre Burg mit der Erlaubnifs, die-
selbe abzubrechen und die Steine zum eigenen Aufbau zu ver-
wenden; gleichzeitig verliehen sie ilir das Stadtrecht von Bran-
denburg. Dennoch ist die Stadt trotz ihrer günstigen Lage zu
einer weiteren Entwickelung nicht gelangt. Sparsam sind daher
die Nachrichten. 1345 l) und 1352 2) werden neue Alta-rstif-
tungen in der Pfarrkirche erwähnt und 1354 wird dem Cister-
cienser Nonnenkloster zu Ziesar das Anerbieten gemacht, der
gröfseren Sicherheit lialber seinen Sitz nach dem befestigten
Rathenow zu verlegen, zu welchem Zwecke ilnn die Pfarrkirche
einverleibt werden sollte. Im Jahre 1394 iiberfiel der Erz-
bischof Albert III. von Magdeburg die Stadt in treulos listiger
Weise und plünderte sie aus; 1409 wurde sie den Quitzow’s
verpfändet, welche sie stark befestigten. Die ferneren Schick-
sale sind fiir baugeschichtliche Zwecke oline Bedeutung.

Pfarrkirche St. Maria und St. Andreas.

Etistorisches.

Die Griindungszeit dieses Gotteshauses ist unbekannt und
läfst sicli, da urkundliche JSTachrichten fehlen, nur durch bau-
analytische Untersuchung bis auf gewisse Zeitgrenzen hin fest-
stellen. Einiger Altarstiftungen in der Mitte des XIY. Jahr-
hunderts wurde schon gedacht. Am Schlusse des XV. Jahr-
hunderts hat man einen grofsen Umbau vorbereitet, zu welchem
1503 Kollektengelder dienten. Dafs dieser bald darauf in
Gang gekommen ist, beweisen zwei auf Ziegeln in Majuskeln
und Minuskeln höchst körrekt eingeschnittene Inschriften an
dem Nordportale des Langhauses, welche das Datum 1517
überliefern. Der Eintritt der Reformation scheint dann den
Bau unterbrochen zu haben, weil die Gewölbe laut einer gleich-
zeitigen, jetzt niclit mehr vorliandenen lateinischen Inschrift erst
1559 beendigt worden sind. Spätere Baunachrichten von 1580,
1589, 1709, 1776 und 1779 beziehen sich iiberwiegend auf
Reparaturen. Zuletzt ist die Kirche 1823 mit einem neuen
stattliclien quadratisclien Glockenthurme in gothischen Stil-
formen ausgestattet worden, nachdem der alte oblonge roma-
nische Westthurm mit Satteldach und Dachreiter wegen Bau-
fälligkeit abgebrochen worden war. 3)

Baubeschreibung.

Wie der Grimdrifs auf Blatt LXXIII Fig. 5 erkennen
läfst, bildet die Kirche eine sehr komplizirte und wenig har-
monische Bauanlage, welche aber durch die Art, mit der man
das wachsende Raumbedürfnifs in den verschiedenen Zeiten zu
befriedigen gesucht hat, auch in praktischer Beziehung lelirreich
ist. Ursprünglich bildete sie eine breite, einschiffige Kreuz-
ldrche mit Langchor, drei Apsiden und einem oblongen West-
thurme mit Dachreiter und war daher den beiden Granitkirchen
zu Ziesar und Gr. Wusterwitz so ähnlich wie möglicli. Hier-
von sind nocli erhalten die im Grundrisse dunkel getönten
Bautheile, nämlich die Süd- und Nordmauer des Querschiffes
und die beiden Nebenapsiden. Ferner erkennt man aus Ab-
bruchsspuren, dafs der Langclior schmaler als das Langliaus
gewesen sein mufs und dafs daher höchstwahrscheinlich aucli
(lie besondere Eigenthümlichkeit jener beiden analogen Bauten,
dafs ihre Nord- und Siidgurte fehlen, auch hier vorhanden war.
Dafs dieser Stiftungsbau ein spätromanischer Bau, der sicher
dem XIII. Jahrhunderte entstammte, gewesen ist, geht auch
aiis noch erhaltenen Bautheilen liervor. Der Südkreuzflügel
desitzt aufser dem breit durchschlungenen Bogenfriese — das
Kranzgesims fehlt leider — noch seine Ecklesijien, sowie ein
kleines dreifach abgestuftes Rundbogenportal nebst zwei ver-

1) Riedel S. 415. 2) Wagner, Denkwürdigkeiten von Ratkenow.

3) Abbildung bei Merian, Brandenburg S. 95.

mauerten hochsitzenden Fenstern, welche schon spitzbogig
schliefsen. Den gleichen Baucliarakter zeigt das Nordkreuz-
schiff; aucli hier sind die Ecklesinen, der durchsclilungene Bogen-
fries — durcii eine Sägeschicht vermehrt — und ein Portal
vorhanden, welches aber, wie Fig. 4 lehrt, reicher gegliedert als
die Südpforte, im Spitzbogen geschlossen ist. Der alte Stiftungs-
bau wurde zuerst nach Osten erweitert, indem man nach Ab-
]>ruch des Langchores und seiner Apsis einen hochgothischen
dreischiffigen hallenartigen Polygonchor, welclier mit sieben
Seiten des regelmäfsigen Yierzehneckes scliliefst, anbaute. Dieser
Bautheil ist ein tüchtiges, wenn auch im Innern selir einfach
dui'digebildetes Werk, denn sein Schwer-
punkt liegt im Aeufseren. Achteckige Pfeiler
im Langhause mit Kämpfern von derber,
halbrolier Fassung (s. nebenstelienden IIolz-
schnitt) •— die Basen sind unsichtbar —
tragen die Gewölbe, welche offenbar so
niedrig als möglich gelialten wurden, um
das alte Langhaus nicht zu stark zu überragen. Dreifach ge-
bündelte Wanddienste, gleichfalls ohne Kapitelle entsprechen den
Pfeilern, die Rippen haben den Birnenstab und bilden kleine
Schlufsringe. (Vergl. den Holzschnitt.) Die Gewölbe
sind in mittelmäfsiger Technik erbaut und lassen
durch clie Art der Rippenstellung — vergl. den
Grundrifs - die Unsicherheit und Schwerfälligkeit
bei der Ausführung nicht verkennen. Die drei-

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theiligen Fenster mit schlichtem durchschiefsenden
Stabwerke, welches ein besseres und älteres Stab-
a\ci v veiciängt lat, sitzen nicht sehr hoch, sind aber energisch
profihrt. 1)

rn *. )<IS ^ cu^ se( e ^ eb Chores übertrifft das Innere, denn seine
. eCUUC * e S(^ lcdte aber Avirkungsvolle, an Cliorin er-

innem e 10 uung vergl. Fig. 7 — befriedigen vollkommen.
Die absatzlos aufsteigenden Strebepfeiler sind miten ein Mal
gegürtet und nach erfolgtem Absatze durch Abschrägung an
(i<i Seiicn eendigt. Aus bautechnischen und stihstischen
Gründen darf man den Chorbau der Mitte des XIV. Jahi-
hunderts zuschreiben, in welcher Zeit 1354 bei dem Mark-
^iafen Uu aaü^, dic cmste Absicht bestand, des besseren Schutzes
w >ei c en onvent der Cistercienser Nonnen von Ziesar nach
at enow zu verlegen und wo ziemlich gleichzeitig 1345 und
1352 neuer Altarstiftungen gedacht wird.

fVon den beiden Nebenkapellen am Cliore ist die südliche

St. Andreas

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mäfsigen Achtecks mit schwachen Strebepfeilern und kleinen
Spitzbogenfenstern aufgebaut, vergl. Grundrifs Fig. 5 mit Facade
Fig. 2 und Durchschnitt Fig. 1, besitzt sie im Innern mittelst
Ueberkragung einer Ecke ein neuntheiliges Kreuzgewölbe auf
Rippen uncl Konsolen und aufsen ein steil geführtes Backstein-
dacli mit kleinen Ziergiebeln abgeschlossen uncl von einem
Steinkreuze bekrönt. Dieser Bautheil — jetzt Sakristei —
wird wahrscheinlich dem Chorbaue unmittelbar gefolgt sein,
Avie aus seinen wenigen aber guten Einzelformen hervorgeht.
Die Nordkapelle ist in ähnlichen Massen Avie St. Anclreas, aber
als Halbrundbau mit, grad verlängerten Schenkeln erbaut worden.
Im Innern besitzt sie aufser clem siebentheiligen Kreuzgewölbe
auf saftigen Birnenrippen und halbpyramidalen Konsolen flach-
bogige Wandnischen und kleine gedrückte Spitzbogenfenster.
Vergl. den Quersclmitt Fig. 1. Aufsen sincl schwache Strebe-
pfeiler im Unterbau angeordnet und iiber diesem erhob sich ein
reichgegliedertes Obergeschofs, welches vermuthlich ein hohes
Kegeldach trug. Leider ist dieser Obertlieil nur in so
wenigen Bruchstücken erhalten, dafs es schwer hält, seinen
oberen Abschlufs zeiclinerisch wiederherzustellen. Fig. 3 veran-
schauliclit im Grundrisse und Aufrisse, die letzten Reste dieses

1) Leider sind in neuester Zeit die Fenster verschmälert und zweitheilig

gemacht worden.
 
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