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59

Ueberlassung des Marktzolles yoel Seiten des Markgrafen Herr-
mann. x) Ein Jalir später, naclidem eine Stadterweiterung voll-
zogen war, ersckeint zum ersten Male der Doppelname: „in
nova oivitate Eberswalde u, der bis heute haften geblieben ist. 3)
Die im Jahre 1499 von einem furchtbaren Brande betroffene
Stadt besafs am Schlusse des Mittelalters aul'ser der Pfarr-
kirche drei mit Kapellen verbundene Hospitäler: das Heilige-
Geist-, St. Gertrud- und St. Georg-Hospital. Nur die Pfarr-
kirche und die Kapelle St. Georg sind noch erhalten.

Pfarrkirche St. Maria-Magdalena.

tlistorisehes.

Ihre Gründung fällt, — wie yorher erwähnt — um die Mitte
des XIII. Jahrhunderts, denn die Einweiliung des Hochaltares
hat spätestens 1251 stattgefunden. Die damals geweihte Kirche
ist sicher ein Granitbau gewesen. Wie lange derselbe aus-
gereicht hat, wissen wir nicht sicher, docli mufs um dieWende
des Jahrhunderts ein Neubau zum Abschlufs gekommen sein,
dessen besonderer Gönner Markgraf Albrecht III. gewesen ist.
Denn er dotirt 1229 einen Frühmefs-Altar (der Barbara,
Dorothea und des heiligen Ivreuzes) zur dauernden Gedächtnifs-
feier seiner Eltern in reichlicher Weise und gründet sechs Jahre
später — November 1300 —• drei Altäre daselbst, nachdem
er wenige Monate früher die Weichbildsgrenze der Stadt fest-
gesetzt hatte. 3) Bald darauf — 1301 — ist er gestorben.
Die weiteren urkundlichen Nachrichten mit Ausnahme des
Brandes von 1499 liefern keine wertlivollen Beiträge zur Bau-
geschichte. Am Schlusse des Mittelalters besafs die Pfarrkirche
aufser dem Hochaltare acht Nebenaltäre und eine Kapelle der
Kalandsgilde.

Banbeschreibung. 4)

Die Kirche ist eine dreischiffige, vierjochige, gewölbte
Pfeilerbasilika mit oblongem in die Kirche eintretenden West-
thurme, einschiffigem Langchore von zwei Jochen und dem
Polygone, welches in sieben Seiten des Zwölfeckes geschlossen
ist. Yor dem westliehen Hauptportale befindet sich eine kleine
gewölbte Vorhalle und neben dem Langchore an der Süd- wie
Nordseite sind zweigeschossige Doppelkapellen angeordnet.

Der Stilcharakter entspricht der früh- und hochgothischen
Epoche; dabei treten yerwandtschaftliche Züge mit Berlin
(Kiosterkirche) und Chorin hervor. Der Kern cler Kirche und
sicher der älteste Tlieil ist das auffallend breite Langhaus und
der ebenso weiträumige Langchor, welcher ursprünglich platt-
gesclilossen und durch einen dreiarkadigen Lettner vom Schiffe
getrennt war.

Das Langhaus erinnert ebenso selir durch seine basilikale
Baumgestaltung, als durch seine Pfeilerbildung und Einzelheiten
an das Langhaus und den Langchor der Klosterkirche zu
Berlin, obschon die enge Achsenstellung seiner Pfeiler die schöne
freie Durchsicht, welche Berlin’s Kirche auszeichnet, niclit ge-
stattet. Und auch hier hat sich ein ähnlich plastischer Trieb
für originelle Kapitellbildungen geregt wie dort. Die beiden
mehrfach verstümmelten Pfeilersorten: Achteck- und Rund-
pfeiler, mit alten und jungen Diensten besetzt, nebst ihren
Kämpfern und Basen stellt Blatt LXXXYIII Fig. 1 und 5
dar. An den schräg geschnittenen, sehr derben Uebergangs-
kämpfern sieht man nebeneinander frühgothische Blätter (z. B.
Eichen), sowie spätromanische Banken und Blätter verwendet,
auch kleine Menschen und Thiere (Drachen wie Eichhörnchen)

1) ßiedel XII, 285. 2) Biedel XII, 286. 3) Kiedel XII, 284.

4) Die I$rche hat von 1874 — 76 durch Blankenstein und Düsterhaupt einen
so durchgreifenden Umbau erlitten, dafs ich mich im Wesentlichen auf die Mit-
theilung meiner beiden analytischen Untersuchungen von 1857 und 1858 be-
schränken mufs. Abbildungen des Grundrisses und der Perspektive bei Bergau,
S. 327 und 328.

sind sichtbar. 1) Die gothischen Fenster in den Seitenschiffen
sind zweitheilig und die fast zierliclien Strebepfeiler — ähnlich
den Strebepfeilern am Lichtgaden in Chorin — zwei Male
abgesetzt Diese Bautheile, der Kern der Kirche, müssen
dem stattliclien Neubau zugeschrieben werden, welcher Dank
der besonderen Gnnst und Fiirsorge des Markgrafen Albrecht III.
1300 vollendet und durch die Stiftung von drei Altären an
einem Tage feierlich abgeschlossen wurde. Fiir einen solchen
frühgothischen Bau sind schon die auffallend grofsen Mauer-
stärken bei schwäclilichen Strebepfeilern ausschlaggebend. 2)

Ferner spricht dafür die Existenz alter hoher Spitzbogen-
fenster •— nur die Obertheile sind sichtbar — in den Wänden
des Langchores, sowie der schlichten runden Wanddienste,
welche die später erneuerten Gewölbe tragen. 3) Aus derselben
Epoche stammt auch noch das in seinen Spitzbogenwülsten
durch Rosettenscheiben naiv belebte Südportal, welches
Blatt LXXXYIII Fig. 6 veranschaulicht. Seine Kämpfer sind
in steifer befangener Weise figurirt behandelt worden. Man
erkennt reclits noch ein Einhorn, einen Mann mit Fischen,
einen menschenköpfigen Löwen, einen mit Früchten beladenen
Esel u. A., rechts fünf sitzende männliche Figuren und in den
beiderseitigen Kehlen Pflanzenwerk, besonders Weinblätter. In
den beiden Ecken dicht an den Strebepfeilern erheben sich
cylindrische schlanke Fialen wie am Westgiebel zu Halberstadt,
auf den Thürmen der abgebrochenen Harlunger Bergkirche bei
Brandenburg und am Pfortenhause des Klosters Chorin. Vergl.
Blatt LXIX Fig. 9, wo allerdings als letzter Rest nur noch
die Basis der einen Fiale rechts in der Ecke zu sehen ist.

Gegen die Mitte des XIY. Jahrhunderts hat man die Ge-
wölbe erneuert, den Polygonchor hinzugefügt und die reich
gestaltete Westfront zum Abschlusse gebraclit. Der Chor hat
schöne schlanke Yerhältnisse und ist gut gegliedert, sowohl in
den zweitheiligen streng profihrten Fenstern, wie in den Strebe-
pfeilern, deren Abschlufs auch in Spandow’s Pfarrkirche vor-
kommt. Alles erinnert hier an Chorin, die Fensterprofile, das
Stabwerk, das Hauptgesims, unter welchem ein Plattenfries
ähnlich dem Anthemienfriese am Chore zu Chorin angeordnet
ist. Edel und vornehm, vor allem flüssiger als das alterthümliche
Südportal ist das Nordportal gestaltet, welches Blatt LXXXVIII
Fig. 3 wiedergiebt. Reich gebündelte Einfassungen treten liier
auf und Birnenstäbe kommen darin vor. Dabei fehlt es nicht
an plastischem Kleinschmuck in den Kämpfern, links die klugen
und rechts die thörichten Jungfrauen. An der westliclien Thurm-
vorhalle, die mittels eines breiten Spitzbogens, der durch zwei
Rundpfeiler mit cylindrischen Fialen eingefafst stets geöffnet
war — vergl. Blatt LXXXVIII Fig. 4 — steigert sich der an
den Kämpfern ausgebreitete Reliefschinuck zu einer plastischen
Wiedergabe wichtiger Ereignisse aus dem alten und neuen
Testamente, welche an den entsprechenden Stellen des Innen-
portales mit der Leidensgeschichte Christi und dem Weltgerichte
schliefsen. Bei der Kleinheit des Mafsstabes und der Schwierig-
keit der Technik — denn alles ist aus lufttrockenem Thone

geschnitten und dann gebrannt_konnte der künstlerische Er-

folg nur ein mäfsiger sein, dennoch bleibt das Ganze eme
hochbedeutsame Leistung der märkischen Kunst füi die Mitte
des XIY. Jahrhunderts.

Der oblonge Thurm wächst in einer Flucht mit den Fronten
der Seitenschiffe glatt empor und ist ähnlich wie die Thürme
zu Gransee mit spitzbogigen Blenden und Fenstem geschmückt.

1) Ein mit phantastischen Thieren dekorirtes Kapitell bei Bergau, S. 329.

2) Wegen der Verbauung durch Emporen und der dicken Ueberputzung
war ein genaues analytisches Kesultat nicht zu gewinnen. Doch darf man aus
der auffallend starken Ostmauer bezw. dem Triumphbogen zwischen Schiff und
Langchor schliefsen, dafs über ihnen ursprünglich ein hoher Giebel stand, an den
sich das Dach des Langchores, der wieder mit einem Giebel schlols, anlehnte.

3) Leider sind im XVI. oder XVII. Jahrhundert die alten Spitzbogenarkaden
des Langhauses, sowie die Seitenschiffsgewölbe herausgenommen worden, um Em-
poren ernbauen’ zu können. Die Ersteren wurden durch Flachbogen und die
Letzteren durch scharfgratige Kreuzgewölbe ersetzt.
 
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