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selben Bauzeit stammt, aus der ersten Hälfte oder der Mitte
des XIV. Jahrhunderts, während der Chor etwas früher ent-
standen sein kann. Obschon das Schiff Strebepfeiler besitzt,
ist es doch nie überwölbt worden, denn es felilen liier die
charakteristischen Verzahnungen und Aussparungen für die
Kappen, welche der Chor wohlerhalten zeigt. An der West-
front befanden sich drei schlanke, mit Mafswerk ausgestattete
Spitzbogenfenster. Eine Erwähnung verdienen noch wegen ihrer
einfach scliönen Profilirung: ein Bundfenster, das mit einem
Sechspasse gefüllt war, neben dem Nordportale, und die im
östlichsten Nordwandjoche erhaltene Nische. Ein unverzierter
Triumphbogen schied Langhaus und Chor und in dem Letz-
teren waren starke Eunddienste ohne Basen und Kapitelle an-
geordnet. Der ganze Bau trägt nöch den Charakter früh- und
hochgothischer Baukunst, wie ihn die Klosterkirchen von Chorin
und Ruppin so würdig vertreten.

Steinformat: 11 Vs, 5 5/s und 3 7/s Zoll.

Westlich von der Ivirche liegt die Buine des Klosters.
Deutlich erkennbar ist ein grofses Oblong von etwa 16 Achsen,
dessen Front in zwei hohen Geschossen erhalten ist. Die
westliche Langseite war zwar unten im Innern gewölbt, ent-
behrte aber der Strebepfeiler, nur an den Ecken standen zwei
diagonale Stützpfeiler, welche man nachträglich hinzugefügt

hatte. An der Nordseite, und
zwar im Westtlieile, hat sich der
Rest eines schönen, etwas zier-
lich gegliederten Portals erhalten,
dessen Einfassungsprofil durch
den Holzschnitt dargestellt wird.
Die interessante Südfront, welche
auf Blatt, LXXXX Fig. 8 im
restaurirten Zustande mitgetheilt wird, ist ein späterer Zusatz
gewesen, wie solches aufsen und innen an den Steinen und der
minderwerthigen Technik erkannt werden kann. Die wohl-
erhaltene Abdeckung der Strebepfeiler zeigt Fig. 3. In der
Südwestecke lag wahrscheinlich das zweischiffige und
4jjjjHf|f|i. siebenjochige Refektorium, dessen Kreuzgewölbe auf
sechs Pfeilern ruhten. Trefflich gezeichnete Rippen,
sowolil Diagonalrippen — vergl. den Holzschnitt —
wie Schildrippen und ebensolche Konsolen sind liier vor-

handen gewesen, so dafs der Kernbau auch hier sicher der
besten Phase der frühgothischen Kunst ent-
jL stammt. Eine schmale Fensteröffnung in der
Westmauer, deren Ueberdeckung der Holz-
schnitt darstellt, zeigt die engste Verwandt-
schaft mit ähnliclien Oeffnungen bezw. Blen-
den an der Westfront von Chorin und der
Klosterkirche von Berlin, der Pfarrkirche von Eberswalde u. A.
Steinformat: 11, 57s und 3 7/s Zoll.

II. Klosterkirche zu Gramzow.

Historisclies.

Wie in der Einleitung bereits angedeutet, hatte der
Pommernfürst Ratibor im Jabre 1148 auf einer Zusammen-
kunft mit sächsischen Fürsten imd Bischöfen in Havelberg
gelobt, zur weiteren Befestigung des Christenthumes in seinen
Landen ein Prämonstratenser-Kloster gründen zu wollen. Er
hielt Wort, denn schon um 1150 zog eine aus dem Prä-
monstratenser - Domstifte zü Havelberg; erlesene Brüderschaar
nach Grobe auf der Insel Usedom, um dort neben der
alten Burg und unter ihrem Schutze die Missionsarbeit zu be-
ginnen. Das Kloster hatte von seinem Stifter eine wahrhaft
fürstliche Ausstattung an Landbesitz empfangen, mtr lag der-
selbe weit zerstreut in allen Gauen des Herzogthumes und

reichte bis nach Colberg und Belgard. Aucli beliinderten die
Feldzüge, welche Heinrich der Löwe im Bunde mit dem Dänen-
könige Waldemar 1164 und 1166 gegen die Wenden unter-
nahm, ein Aufblühen des Klosters. Es kam sogar zu einer
voriibergehenden Auflösung desselben, aber die Söhne Ratibor’s
liielten an der Stiftung des Vaters pietätvoll fest und statteten
nach der Rückkehr der Mönche das wiedererstandene Ivloster
1168 mit neuen Gütern aus. Unter diesen wird urkundlich
das in der Ukermark belegene Dorf Gramzow mit der Kirche
zum dauernden Besitze überwiesen. 1) Weil dieser zwar in der
tiefsten Wildnifs, aber an sich selir günstig belegene Platz den
Fürsten wohl geeignet erscliien, die Missionsarbeit nocli besser
zu fördern, so beschlossen sie, hier ein neues Prämonstratenser-
kloster als Tocliter von Grobe zu gründen. Es mufs dies
1177 geschelien sein, weil seitdem in der Aufzählung der
Grobe’schen Besitzungen Gramzow fehlt. Weil aber die erneute
Gründung mit Hilfe des Konventes von Jerichow aü der Elbe
zu Stande kam, wurde Gramzow ein Tochterkloster niclit von
Grobe, sondern von Jerichow. Zu Patronen wählte man die
Jungfrau Maria und den Evangelisten Johannes.

Obwohl die Ukermark schon 1250 als Brautschatz fiir
Hedwig, Gemahlin Johanns I., an die Mark Brandenburg kam,
so liaben die Herzöge von Pommern sich mit ausdauernder Treue
ihrer alten Stiftung noch lange angenonnnen, wie Urkunden
von 1264 und 1289 beweisen. 2 3) Unter grofsen Anstrengungen
und Mühewaltungen brachten die ersten Pröpste das Stift und
seinen Besitz bis 1235 zu einer gedeililichen Entwickelung, s)
so dafs damals sowohl das Kloster als auch die Kirche voll-
endet gewesen sind. Leider hatte der Konvent wegen der Ent-
legenheit des Ortes — es fehlte an schützenden Burgen in der
Nähe — von Räubereien und Erpressungen so schwer zu leiden,
dafs er sich schon 1245 die tapferen Markgrafen Johann I.
und Otto III. zu Schirmvögten erwählte. 4 5) Bald darauf mufs
ihm auch das Abhängigkeitsverhältnifs zum Bischofe von Camin
lästig geworden sein, denn er erwirkte sich in Avignon 1295
das Privilegium aus, dem päpstlichen Stuhle direkt unterstellt
zu werden. In der Mitte des XIV. Jahrhunderts — 1354 —
traten die Pommerschen Herzöge durch Vertrag mit Ludwig
dem Römer wieder in den Besitz des Klosters und behielten
es bis 1472, in welchem Jahre es an Brandenburg zurückkam.

Wann dasselbe aufgehoben worden ist, steht nicht fest,
doch mufs es bald nach der Mitte des XVI. Jahrhunderts ge-
schehen sein, weil Gramzow 1581 als ein Ritterlehen in den
Händen des kurfürstlichen Rathes Bernd von Arnim erscheint.
Einige Jahre später — 1584 — wurden dann für die kui'-
fürstliche Herrschaft neue Gebäude errichtet, urn hier inmitten
grofser Waldungen in der Jagdzeit zu residiren. Mit dem
ebenfalls aufgehobenen 'Kloster Seehausen wurde es um 1590
zu einem Klosteramte verbunden. Die Klosterkirche überstand
die massenhaften Zerstörungen des dreifsigjährigen Krieges und
blieb noch lange in so gutem Zustande, dafs sie 1687 den
eingewanderten Hugenotten für ihren reformirten Gottesdienst
überlassen werden konnte. Als Vorbereitung zu dieser Mafs-
regel war schon ein Jahr früher die während des Krieges
ganz verwahrloste und theilweis eingestürzte Pfarrkirche des
Städtchens wieder hergestellt worden, um den Lutheranern,
welche bislier die Klosterkirche benutzt hatten, als Gotteshaus
zu dienen. Leider beschädigte eine furchtbare Feuersbrunst
1717 die grofse Klosterkirche derartig, dafs sie zur Ruine
wurde 6) und dem o-ewöhnlichen Schicksale solcher Baureste,

' O

1) Hasselbach u. Kosegarten, Cod. Pom. diplom. S. 61.

2) Dreger, Cod. Pom. I, S. 4V3 und Hasselbach S. 249.

3) Winter, Die Prämonstratenser, S. 212.

4) Eiedol XIII, S. 484.

5) de la Pierre, Gesch. d. Ukermark, S. 403. — Riedel in den Miirk.
Forschungen I, S. 197 giebt für den Brand das Jahr 1705 und dieses falschc Datum
hat Berghaus II, 309 wiederholt, während Bergau S. 389 ebenfalls irrthümlich
1714 meldet. Nur Fidicin liat das richtige Jahr in seinen Territorien IV, S. 212.
 
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