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gebildet.es Werk, welches ein würdiges Seitenstiick zu St. Maria
in Prenzlau und den i)om zu Stendal bildet und zweifellos
mit dem Neubau von St. Katharina zu Brandenburg eng zu-
sammenhängt. Möglicher Weise hat die neue Ausstattung der
Augustiner-Kirche in Königsberg durcli sechs Altäre, welche
1388 feierlicli geweiht wurden, die erneute Anregung zu dem
lange geplanten Neubau gegeben. Etwas früher, um 1360,
hatte auch die Kirche von Schönfliels einen glücklichen Um-
bau als gewölbte Hallenkirche erfahren.

I)er Yerkauf der Neumark seitens des deutschen Kaiser-
liofes an den deutschen Ilitterorden 1402 hat trotz der ge-
scliulten Verwaltung, welche der Hochmeister einsetzen konnte,
dem Lande niclit zum Segen gereicht, weil durch jene Erwer-
bung die alten polnischen Anspriiche auf jene Gebiete durch
den Hafs gegen den Orden auf’s Neue geweckt wurden.

Aucli dauerte die Herrschaft des Ordens zu kurze Zeit,
um werthvolle Früchte für die Baukunst zu zeitigen, denn
seine Maclit brach in der Schlaclit von Tannenberg 1410 zu-
sammen und 1454 liuldigte die Neumark dem Kurfürsten
Friedrich II. von Brandenburg. Die Stadt Königäberg hat
indessen gleich nach Vollendung ihrer Pfarrkirche eine neue
Kapelle St. Gertrud 1409 erriclitet und ein Jahrzehnt später,
etwa 1420, ilir Rathhaus
in hervorragend würdiger
Weise, wenn auch in
lang 'bemessener Zeitfrist
bis 1450 erneuert. Diese
Zeitfrist erklärt sich ohne
Schwierigkeit durcli die
1432 beginnenden und
mehrfach wiederholten,
von religiösem Fanatis-
mus veranlafsten Raub-
und Plünderungsziige der
Hussiten, denen zwar
Königsberg widerstand,
aber andere Städte wie
Woldenberg, Soldin u. A.
zum Opfer fielen. Jene
Raubzüge liaben, wie es
bereits ein Jahrliundert
früher geschehen war,
fast alle Städte und festen Plätze zu mehr oder weniger kost-
spieligen Um- und Erweiterungsbauten an Thoren und Ring-
mäuern veranlafst, welclie wir trotz aller späteren rücksichts-
losen Bescliädigungen noch heute aufrichtig bewundern. Auch
hierin stelit Königsberg an der Spitze mit seinem Schwedter
und Bernickower Tliore, wälirend Friedeberg und Soldin in
angemessener Entfernung folgen. Auffallender Weise ist weder
die Spätgotliik nocli gar die Frührenaissance, innerhalb des
Backsteinbaues, wie wir sie in Sachsen (Zerbst), in der Mittel-
mark (Schlofs zu Cöln), in der Priegnitz (Schlofs Freienstein)
oder Mecklenburg (Fürstenhof zu Wismar) antreffen, vertreten,
denn nur die Tlieile des Schlosses zu Küstrin, welche der
Regierung des Markgrafen Johann entstammen, also der Mitte
und der zweiten Hälfte des XVI. Jalirliunderts angehören,
haben bescheidene, aber traurig verwahrloste Reste jener Bau-
weise noch gerettet.

Kloster- mid Ordensliirchen.

I. Das Kloster Marienwalde.

In den hartnäckigen Kämpfen zwischen den pommerschen
Herzögen und den brandenburgischen Markgrafen in den letzten
Jahrzelmten des XIII. Jahrhunderts hatte das Kloster Kolbatz

in Pommern an seinen Besitzungen — Höfen und Dörfern —
so schAveren Schaden erlitten, dafs die Markgrafen sich zur
Siihne aller Frevel zur Gründung eines Cistercienser-Klosters
verpflichteten, welches die Urbarmachung des Landes und die
deutsche Kolonisation fördern sollte. Es wurde Nemus Sanctae
Mariae genannt. Jene Kriege hatten, Avie die Annales Colba-
zenses lehren, von 1269 — 73 gedauert und die Stiftung er-
folgte 1280, 1) doch erst von 1286 datirt die Urkunde aus
Friedeberg, 2 3) in welclier der umfangreiche Landbesitz genauer
bezeichnet wird. Acht Jahre mufs der Aufbau von Kloster
und Kirelie gedauert habeu, weil erst 1294 der Konvent seinen
Einzug halten konnte — 1294 in die Barnabe venit conventus
in Marienwaldel) Er kam von Kolbatz und dalier ist Marien-
walde eine Enkelin des dänischen Klosters Esrom auf Seeland.
Das Kloster hat den gehegten Erwartungen entsprochen und
sowolil auf dein Stiftungslande neue deutsche Dörfer angelegt,
als auch bei weiteren Erwerbungen innerhalb aller slavischen
Dörfer die deutsche Kultur rastlos gefördert. Gleichwohl war
es durch seine vorgescliobene Lage in der Wildnifs und dicht
an drei Grenzen fortdauernd bedroht und erlitt durch den Ver-
wüstungszug der Polen und Lithauer 1325 sehr grofsen
Schaden. Wie scliAver sein Wohlstand damals und auch nocli

später gelitten hatte, be-
zeugen die Urkunden von
1341, 1345, 1346, 1351
und 1352; in denen von
den Landesherren erst
auf vier, dann auf zAvei,
auf fünf, auf acht und
zuletzt auf zehn Jahre
die Abgaben erlassen
werden, 4) um der Ar-
muth des Klosters abzu-
lielfen. Sclion seit 1341
liat man wegen der Un-
gunst der Lage den Ge-
danken einer Verlegung
erwogen, doch brachte
erst eine grofse Feuers-
brunst, welche räube-
rische Horden veranläfst
hatten, 1347 den Plan
zur Reife, daher beziehen sich liöchstwahrscheinlich die beiden
letzten Urkunden auf jene schwierige Uebergangszeit. Freilicli
Avird ein neuer Klosterbau nicht ausdrücklich envähnt, so dafs
mögliclier Weise der Wiederaufbau an alter Stelle erfolgte. Die
Aufhebung erfolgte durch Markgraf Johann von Küstrin im
XVI. Jahrhundert; er erbaute hier auf dem Klosterlande das
Schlofs Jägersburg bei Regenthin, während alle übrigen Güter
zum Domänenbesitz gesclilagen wurden.

Baubesehreibung.

Der nach Petzold’s Federzeichnung wiedergegebene oben-
stehende Holzschnitt stellt einen Theil, aber den wichtigsten,
des Amtes Marienwalde um 1712 vor. Damals waren die
Klosterkirche, ein erhebliclier Theil des zweigeschossigen Klosters
siidlich von der Kirche sowie das einzeln stehende, sicher ge-
Avölbte und wegen seiner gegliederten Giebel an eine Kapelle
erinnernde Brauhaus vortrefflich erhalten, nur war dem Ost-
fliigel des Klosters bereits ein Thurm mit welsclien Hauben
hinzugefügt und die Küche, das Amtsliaus und der Jägerstall
wolil neu in Fachwerk erbaut worden. Die Westfront der
Kirche, welche damals wahrscheinlich schon seit längerer Zeit

1) Winter, Cistercienser I, S. 361.

2) ßiedel A. XIX, S. 443 ff. und B. I, S. 186.

3) Pertz, Mon. Germ. SS. XIX, S. 716.

4) Riedel XVIII, S. 18 ff
 
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