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108

Resten die Thatsache, dafs die Kirehe trotz aller Schlichtheit
einen so liohen Kunstwerth besessen liat, dafs die Erhaltung
ihrer Reste eine Ehrenpflicht für alle betheiligten Behörden
sein mufs. Die zweitheiligen Fenster des Schiffes lagen in

Wandnischen, die von
sehr flachen, mit Rund-
stäben verselienen
Strebepfeilern gebildet
wurden und die gut ge-
gliederten und ldar
getheilten Sterngewölbe
ruhten auf kräftigen
Achtecksdiensten, wel-
che Gesimskonsolen
trugen. Yergl. den
nebenstehenden Holz-
schnitt. Die westlichen
jüngeren Joche besafsen
schon Bündeldienste von
drei Rundstäben. Der
noch erhaltene West-
giebel mit diagonalen
Eckstreben besitzt ein reicli profilirtes Hauptportal oline
Kämpfer (s. nächsten Holzschnitt), daneben zwei tiefe Blend-
nischen. Darüber folgt im Hauptgeschosse eine Wandgliederung

von einem hohen Mittel-
fenster und zwei ebensol-
chen Blendnischen, alle drei
zweitheilig und mit einem
Kreise statt des Mafswerkes
versehen. Der Giebel selbst
ist mit grofsen und kleinen
Spitzblenden, sowie sieben
schlichten Fialen geschmückt.
Der Clior hatte — jetzt vermauerte — dreitheilige Fenster
und abgestufte Strebepfeiler; unter seinem vielfach zerstörten
Hauptgesimse ist ein quadratisch gelagerter nasenbesetzter
Gitterfries angeordnet.

Steinformat: 1 f V-i, 5 3/i und 4 Zoll.

Hospital-Kapelle St. Georg.

Dieser vor dem Berneckower Tliore belegene Backsteinbau
wird urkundlich zwar erst 1370 genannt, ist aber zweifellos
50 — 60 Jahre älter. Im Jahre 1703 stürzte der Westgiebel
em und wurde bald darauf erneuert; eine zweite Restauration
hat 1866 stattgefunden. Das kleine gewölbte Kirchlein ist ein-
schiffig und besteht nur aus zwei Jochen, welche ein einfacher
Quergurt trennt; nach Osten liegt der in fünf Seiten des Acht-
eckes geschlossene Poljgonchor, nach Westen das
oblonge Kreuzgewölbe, beide von derben Rippen
fp 1 * (Holzschnitt) getragen. Die Chorfenster liegen in
zweifacli abgestuften Schildwänden und ihre Rippen
setzen sparsamer Weise auf quergelegten Gesimssteinen auf.
Alle Fenster sind zweitheilig mit einfachem Schlusse und die
Strebepfeiler ein Mal abgestuft, das Dach ist von seltener
Steilheit. Der in verminderten Barockformen erneuerte Giebel
zeigt grofse Halbvoluten an den Seiten und einen Halbkreis-
giebel auf der Spitze.

Steinformat: 1 lVä, 57i> und 3V4 Zoll.

Hospital-Kapelle St. Gertrud.

Das vor dem Schwedter Thore liegende Hospital nebst
Kapelle wurde urkundlich 1409 mit Genelimigung des Johan-
niter - Ordens vom Rathe zu Königsberg gestiftet und bald

darauf erbaut. Die Kapelle wurde im XVI. und XVII. Jahr-
hundert für wirtlischaftliche Zwecke benutzt, aber 1684 nach
erfolgter Wiederherstellung als St. Johannes-Kirche neu geweiht
und diesen Xamen führt sie noch.

Es ist ein einfacher, zweijochiger und in drei Seiten des
Achteckes geschlossener, gewölbter Backsteinbau von kleinen
Mafsen. Mit Rücksicht auf das fünfkappige, mit einer Quer-
rippe schliefsende Kreuzgewölbe besitzt er kein Westportal,
sondern zwei gegenüberliegende spitzbogige Pforten in der
Xord- und Südmauer. Unter den ziemlich breiten, dreitheiligen
Fenstern befinden sich im Innern in jeder Wandseite zwei
flachbogige Xischen, eine Anordnung, welche in jener Epoche
häufig auftritt und für Zeitbestimmungen wichtig
ist. Die schwach gekehlten Rundstabrippen (PIolz-
schnitt) entbehren der Schlufssteine und das Xord-
portal besitzt ein Umrahmungsprofil, das auch an
der Pfarrkirche vorkonnnt. Die Strebepfeiler setzen ein Mal
ab und der an der Mitte der Westfront angeordnete trug einst
ein rechteckiges Glockenthiirmchen, wie der Südgiebel der
Klosterkirche, doch fehlt leider die Spitze.

Steinformat: IIV4 — IU/2, 5 3/s — 5V2 und 3Vi Zoll.

Das Rathhaus. 1)

Wie der Holzschnitt erkennen läfst, bildet dasselbe einen
regelmäfsigen zweigescliossigen Rechteckbau aus Ziegeln von

45 Fufs Breite und 157 Fufs Länge,
welcher von Südost nach Xordwest
orientirt ist. An seinen kurzen Seiten
besitzt er zwei reich gestaltete, mit
Anwendung von Glasurziegeln her-
gestellte Fronten, welche auf Blatt CXI
Fig. 1 und 2 abgebildet worden sind.
Die scliönere von beiden ist die am
Markte belegene Vorderfacade Fig. 1.
Xur an dieser Seite ist das Rathlmus,
abgesehen von dem unterwölbten Kel-
lergeschosse, in beiden Stockwerken
mit kreuzgewölbten Räumen versehen,
und durch eine Quermauer, welche
einst fialenbesetzt das lange Satteldach
durchschnitt und überragte, nach hin-
ten abgeschlossen. Der darauf folgende,
sehr lange Hinterraum war in beiden
Geschossen — jetzt nur nocli unten
— durch zwei Stielreihen mit Sattel-
hölzern und Unterzügen, wie der Holz-
schnitt auf nächster Seite oben es
darstellt, hallenartig in drei Scliiffe
getlieilt, welche jetzt in banausischer
Weise durcli Fachwerkswände zu ein-
zelnen Räumen verbaut sind. Auf der
entgegengesetzten Seite nach Xordwesten sclxliefst die oben ge-
nannte Hinterfront, Fig. 2. Von den beiden Langseiten aus
dem Mittelalter stehen nur nocli die nxit, Fenstern und Blenden
verzierten Mauern des Erdgeschosses, während das wahrschein-
lich im Anfange des XVIII. Jahrhunderts erneuerte Ober-
geschofs mit einer backsteinernen dorischen Pilasterstellung
nebst Gebälk versehen ist. Im XVII. Jahrhundert trug das
Rathhaus, wie aus dem Prospekte bei Merian hervoi’gelit,
einen backsteinernen Glockenthurnx, der mit einer doppelten,
zierlich durchbrochenen, welschen Haube, in welcher die Rath-
haus- uixd Feuerglocke hing, bekrönt war. Als' dieser mit
dem oben erwähnten Mittelgiebel sicher konstruktiv zusammen-

1) Die Schaubilder der beiden Bathhausfronten bei Bergau S. 450 u. 451

geben von der feinen Durchbildung der Architektur keine 1 Vorstellung.
 
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