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wand eine Zerstörung dureh die Polen 1271 so rasch, dafs
die Markgrafen Otto, Albrecht und Otto ihr 1281 ein Pri-
vilegium ertheilen konnten, wonach alle übrigen Städte ihr
Iveclit aus Soldin holen sollten. Ans dieser Urlcunde erhellt
gleichzeitig, dafs auch Mönche schon festen Fufs hier gefafst
hatten, 1) während wir aus einer Urkunde von 1289 erfahren,
dafs das betretfende Kloster dem Dominikaner - Orden an-
gehörte. 2) Bald darauf — 1298 — gründete Markgraf Albert
hier ein Kollegiatstift St. Peter und Paul für zwölf Dom-
herren, welchem er die alten Güter der Tempelherren überwies
und gleichzeitig das Patronat über die Stadtkirchen von Sol-
din, Landsberg, Berlinchen und Bärwalde verlieh. Dieses
Domstift sollte otfenbar ein Seitenstück zu dem von Stendal
bilden, welches 110 Jahre früher in der Altmark entstanden
war. Die Gunst der anhaltinischen wie bayrischen Landes-
lierren blieb der Stadt und dem Stifte fortdauernd treu,' wie
sehr wichtige Rechtsverleiliungen von 1317 und 1335 beweisen;
in der ersteren wird die Stadt Reelitsmittelpunkt für mehrere
Städte, in der zweiten gewinnt das Stift das Patronat über
Lippehne, Woldenberg, Friedeberg und Warnitz. 3) Stiftungen
von Gilden und Altären werden erwähnt 1326, 1336 und
1349. Gleicliwohl haben die unsicheren politischen Yerhält-
nisse, die Wirren nacli Waldemar’s Auftreten sowie die fort-
dauernden Kämpfe mit den Polen dem Wolilstande der Staclt
wie dem des Stiftes geschadet; das Letztere erhielt deshalb
1350 noch das Patronat iiber Schönfliefs, Mantel und Morin
und 1353 das gleiche Recht über Straufsberg. Noch wertli-
voller war der Gnadenakt Luclwig des Römers 1356, indem er
fiir clie im Bau begriffene Stiftskirche (ihre Fundamente waren
schon gelegt) gestattet, dafs man zehn Jalire lang alljährlich
zehn Ruthen Holzes aus seinen Wäldern schneiden und zum
Bau verwenden clürfe. 4) Acht Jahre später scheint der .Neubau
vollendet gewesen zu sein, weil 1363 der Marienaltar (Hoch-
altar) und 1364 der heilige Geistaltar gestiftet werden. 5 *) Im
Jahre 1412 wird eine Marienbrüderschaft erwähnt. Bei dem
furchtbaren Hussiteneinfalle von 1433 war alles geflüchtet und
der Feind fand die Stadt verlassen und wüst. Die weiteren
geschichtlichen Nachrichten sind nicht von Belang, 1535
brannte ein Drittel der Stadt mit dem Rathhause ab, 1538
wurde das Domstift aufgehoben und die Domkirche zur Pfarr-
kirche gemacht. Im XYIH. Jahrliundert wird das Domini-
kaner - Kloster zu Schulzwecken eingerichtet, naclidem die
Reformirten bereits 1738 die Klosterkirche erhalten hatten;
endlich verwüstete 1785 ein grofser Brand die Stadt.

Der Dom, jetzt Pfarrkirche St. Peter und Paul.°)

Baubesclireibung. 7)

Der Grundrifs Blatt CXV Fig. 1 zeigt eine sehr grofse,
aber sehr sclilichte Anlage, bestehend aus einem kolossälen
Westthurme von 44 Fufs Seite im Quadrate, einer dreischiffigen
Hallenkirche von drei Jochen und einem einschiffigen platt-
geschlossenen Langchore von zwei Jochen. Nördlich vom
Chore und mit seiner Ostmauer fluclitrecht liegt eine zwei-
geschossige Kapelle (jetzt Sakristei) sowie einige Nebenräume,
wie das Treppenhaus zu den Emporen, eine Vorhalle u. s. w.
Eine zweite eingeschossige Kapelle befindet sich nördlich des
Langhauses an der Nordostecke. Ein holier Giebel scheidet
Schiff und Clior und ein achteckiger Backsteinhelm krönt, den
trotzig schwerfälligen Thurm, vergl. Fig. 2 und 3. Der Cha-

X) Riedel XVIII, S. 440 ff. 2) Riedel a. a. O. S. 441.

3) Riedel XVIII, S. 445 u. S. 451 ff. 4) Riedel XVIII, S. 470.

5) Riedel XVIII, S. 473 ff. 6) Schaubild des Thurmes bei Bergau S. 711.

7) Wegen der sehr grofsen Mafse des Bauwerkes mufsten die durchgängig

festgehaltenen Mafsstäbe verlassen werden. Es wurde daher der Grundrifs 1 : 480
und die Fafaden, der Durchschnitt und das System 1:240 gezeichnet.









rakter äufserster Derbheit beherrsclit das ganze Aeufsere und
in dieser Beziehung bildet der Dom ein Unikum in der Mark.

Trotz mehrfacher An- und Umbauten, welche die Kirche
erhalten und erlitten hat, sind docli aus der Stiftungszeit vom
Schlusse des XIII. Jahrhunderts erhebliche Reste vorhanden,
welche sicher beweisen, dafs jener alte Dom ein frühgothischer,
aus kubischen Granitquadern und Ziegeln liergestellter Bau
gewesen ist. Yon ihm sind erhalten die Mauern des Chores,
etwa 7 — 9 Fufs hoch, ferner die Thurmmauern, durchschnitt-
lich 60 Fufs hoch, und vermuthlich aucli alle Fundamente des
Langhauses. Er war, wie aus der geringen Stärke der Chor-
mauern und aus dem Mangel an Strebepfeilern hervorgeht,

nicht gewölbt, sondern besafs Holz-
decken. Ob er basilikal gestaltet
war, läfst sich niclit entscheiden,
docli ist dies wegen der Analogien
von Berlinchen 1280, Friedeberg
1285 und Schiefelbein 1300 wahr-
scheinlich. Von Einzelheiten ist nur
eine kleine, dreifacli gestufte Granit-
pforte m der Südmauer des Chores
gerettet worden — deren Profil
nebenstehender Holzschnitt wieder-
giebt —, und aufserdem die Back-
steinfenster an drei Seiten der drei unteren Thurmgeschosse;
alles deutet hier auf den Anfang des XIV. Jahrhunderts.

Von dem in der Mitte des XIV. Jahrhunderts errichteten,
mit grofser Sparsamkeit geführten und etwa 1363 beendigten
Neubau rüliren höchstwahrscheinlich die achteckigen Pfeiler,
Mauern und Strebepfeiler des Langhauses, ferner die flachen
Avie tiefen Strebepfeiler des Chores und endlich der zwei-
geschossige Anbau im Nordosten her, welcher vielleicht eine
Brüderschaftskapelle (Kaland oder dergl.) gewesen ist. Charak-
teristisch für diese Epoche sind die hohen gescluniegten zwei-
theiligen Fenster sowie die selir ungleich gegliederten Strebe-
pfeiler. Vergl. das System des Aeufseren Fig. 4 und das des
Inneren Fig. 5. Jener Anbau, der nach Osten einen grofsen,
in der Mauer liegenden Spitzbogen mit einem Fenster darin
— vergl. die Ostfront Fig. 3 —- und flache Eckstrebepfeiler
besitzt, zeigt an der Nordseite unten niedrige, zweitheilige
Spitzbogenfenster und oben selir niedrige, aber breite und tief-
gelaibte Flachbogenfenster, welche wolil frülier viertheilig waren.
Ihre flachen Strebepfeiler waren, wie es scheint, mit Rund-
nischen, Pfosten und Ziergiebeln reich besetzt und gegliedert
wie an den Marienkirchen zu Königsberg i. N. und Star-
gard i. P., docli ist dieser Sclimuck in einer späteren Zeit
brutal abgeschlagen worden. Die Nordkapelle mit grofsem drei-
theiligen Spitzbogenfenster, einem Giebel und flaclien aus-
genischten Strebepfeileru trägt einen ähnlichen, doch etwas
jüngeren Charakter als die Sakristei. Beide gehören vermuth-
lich in die zweite Hälfte des XV. Jahrhunderts, wohin auch
das oberste Thurmgeschofs mit seinen gruppirten Fenstern und
Blenden sowie der achteckige, in neuester Zeit wieder her-
gestellte Backsteinhelm zu setzen sind.

Auffallender Weise fehlen nun zu diesen Bautheilen des
XIV. und XV. Jahrhunderts alle Gewölbe, insbesondere die-
jenigen des Langhauses und des Chores, denn die jetzt da-
selbst vorhandenen sind erst irn XVII. Jahrhundert hergestellt
worden. Wie aus dem Grundrisse sclion hervorgeht und das
System des Inneren es genauer andeutet, sind iiberall Längs-
tonnen mit oben aufgelegten Verstärkungsgurten angeordnet
worden, in welche Seitenstichkappen einschneiden, die den Ge-
wölbescheitel nicht erreichen. Gleichzeitig hat man damals die
spitzbogigen Längsarkaden erneuert und durch an ihnen an-
gelehnte Zwergstützen im reducirten Barockstile eine tekto-
nische Verbindung mit den Kämpfern der alten Achteckspfeiler
herzustellen gesucht, Vergl. Fig. 5 System des Inneren. In
 
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