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Stilgefühl deutlich bekunden. Nur in Brandenburg und von
hier aus nach Sachsen und der Altmark sich verbreitend, liat
noch eine eigenartige, wenn auch bescheidene Nachblütlie statt-
gefunden, welche eine Erwähnung verdient. Die hei dem Bau
von St. Katharina ausgehildete ivunstvolle Technik scheint
nicht völlig ausgestorben zu sein, denn wir treffen sie wieder
sowohl hei den spätgothischen Umbauten des Domes als auch
hei der Nordkapelle von St. Godehard; insbesondere aher bei
dem Neubau des Altstädter Rathhauses in einer anmuthig
spielenden Sinnesweise mit Fischblasen - Mustern an Kreis-
blenden, Friesen u. s. w., welche auf Stendaler Baukunst zu-
rückweist, Nachdem dann der Brandenburger Biscliof seine
neue Schlofskapelle in Ziesar in reicher Fassung 1470 neu
erbaut liatte liefs sie der Erzbischof von Magdeburg 1480 für
seine Besidenz in Wolmirstedt wiederliolen, während in der-
selhen Zeit der Magistrat von Tangermünde die stattlichen
Kreuzflügel von St. Stephan daselbst mit noch gröfseren und
viel aufwändigeren Praehtportalen solcher Art schmücken liefs.
Man liat mit starker Yerminderung an dieser Riclitung lange
festgehalten, sowolil in der Altmark wie in der Priegnitz,
wie Stendal (Domkreuzgang), Ruppin (Sieclienhauskapelle),
Heiligengra.be (1490) und Alt-Ivrüssow (1520) heweisen. In
der Mitte des XVI. Jahrhunderts ist sie erloschen.

Nach den Vorbildern von St. Maria in Prenzlau und
St. Katharina in Brandenburg sind aus den oheren Laufgängen
schliefslich Emporen erwachsen, welche in Ziesar und kurz
vorher in St. Katharina zu Salzwedel (Frohnleichnamskapelle)
1467 eine bedeutsame Rolle spielen. Indessen ist dieses
wichtige Raumgestaltungsmotiv nirgends zu gröfserer Bedeu-
tung gelangt, wie etwa in der obersächsischen vom Erzgehirge
bis nach Wittenberg reichenden spätgothischen Bauschule.
Wolil aber hat man von dorther das konstruktive Princip
der Reihungen entlehnt, welclie bald zu seltsamen gekünstelten
Versuchen führten und zuletzt mit den handwerksspielerischen
Zellengewölben schlossen, welche Jüterbock — Rathhaus (1506),

Bernau — Marienkirche (1519) und Brandenburg — St. Peter
(1526) noclr hewahrt liahen.

Die Mark Brandenburg ist ein kleines Gebiet des Reiclies
gewesen und ein Aufsengebiet, in welchem selten Frieden
herrschte. Auf einem kargen Boden, von inneren und äufseren
Feinden oft bedroht, safs die deutsche aus allen Stämmen ge-
misclite Bevölkerung, deren Aufgabe es war, die alte ererbte
Kultur und Gesittung festzuhalten und durch eigene Arbeit
mehren zu lielfen. Mit eisernem Fleilse und einer Zähigkeit
olrne Gleichen liat sie es auf allen Gehieten gethan, auch
auf dem der Baukunst. Der spröde Granitbau hlieb nicht
ohne Pflege und der aus den Niederlanden stammende bild-
same Backsteinbau hat, mehrfach von aufsen beeinflufst, aber
im Grunde immer selbständig eine so reiche und eigenartige
Entwickelung erfahren, dafs seine Schöpfungen trotz der
Grenzen des Materiales und trotz der bescheidenen Baumittel
nehen den monumentalen Steinbauten des inneren Deutschlands
einen achtbaren Platz behaupten. Hölier steigt aber der Werth
der märkischen Baukunst, wenn man ihre Denkmäler mit den
Denkmälern der übrigen baltischen Länder vergleicht. Die
hanseatische Baukunst liat kraft ihrer politischen Grundlage und
ganz ungewöhnlichen Mittel stolzer und imposanter gebaut, der
Deutsche Ritterorden schuf seine Burgen, Städte und Dörfer
einheitlicher, planvoller, ja aufwändiger, als es in der Mark
möglich war, aber wie sehr tritt die schlesisclie, pommersclie
und polnische Ziegelbaukunst bei einem Vergleiche gegen die
märkische zurück. Nur der Backsteinbau Mecklenburgs ist ein
gleichalteriger und ebenbürtiger Bruder gewesen; er liat eine
älmliche Entwickelung durchgemacht und durcli die Gunst des
Schicksals etwas länger gelebt wie dieser. Indessen besit.zt er
weder so alte Denkmäler wie Havelberg und Jerichow, nocli
eine so vielseitige und fonnvollendete städtische Baukunst, wie
Brandenburg, Prenzlau, Frankfurt, Stendal und Tangermünde sie
geschaffen liaben und noch heute zum Rulime der Mark besitzen.
 
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