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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Die Schafställe der Nordheide — Hameln: Niemeyer, Heft 10.1994

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Krummsparrenschafställe
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https://doi.org/10.11588/diglit.51141#0049
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Krummsparrenschafstäl le

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Die beiden Giebelseiten verraten zunächst
nichts vom inneren Aufbau des Gebäudes.
Man könnte ein Ständergerüst im Inneren
vermuten, doch sind die Giebelgefüge nur
vorgesetzt. Die Hauptsparren dagegen stehen
auf einem Steinsockel, werden allerdings
durch eine kräftige Schwelle zusammen-
gehalten und schwingen sich naturwüchsig
gebogen zum First empor, wo sie mit
Scherzapfen in üblicher Weise verbunden
sind. Im Gegensatz zu den reinen Dach-
schafställen weist dieses Gebäude Seiten-
wände in Fachwerkkonstruktion auf. Der
untere Teil der Sparren schmiegt sich in diese
Wand geradezu ein. Insgesamt ist das Gebäu-
de wesentlich kräftiger gebaut als die bisher
betrachteten Ställe. Bei den Sparren handelt
es sich um starke, kantig bearbeitete Eichen-
stämme. Auch die Einfügung der
Hahnenbalken ist recht solide; ihre Unter-
stützung durch breite Kopfbänder ermög-
lichte eine tragende Funktion der einge-
zogenen Balkenlage.
Bauten dieser Art - die auch als Cruck oder
Pseudocruck bezeichnet werden - sind inzwi-
schen selten geworden. Demgegenüber
fanden sie im haus- und heimatkundlichen
Schrifttum eine sehr ausführliche Würdigung.
Vor allem ist die in mancher Hinsicht bereits
erschöpfende, viele technische Details be-
rücksichtigende Darstellung Lindners zu
nennen. Lindner erklärt sehr schlüssig den
einfachen Bauplan solcher Gebäude, die er
vor allem auf der Stader Geest angetroffen
hat, ohne die Frage der Herkunft des Bau-
gedankens zu überstrapazieren <113>. „Die
Verwendung krummgewachsener Hölzer
ermöglichte es, mit geringem Aufwand, vor
allem an Arbeit, einen Raum herzustellen von
größerem Inhalt, als ihn die seitenwandlose
Hütte, über gleicher Breite gespannt, schafft.
... Soll eine feste Außenwand auf den Längs-
seiten gebildet werden, so benutzte man nicht
den steileren, unteren Teil der Binder dazu.
Kleine Stiele sind dann vor sie auf die
Schwelle gesetzt oder, da es dazu oft an Platz
fehlte, angeschärft äußerlich an ihnen befe-
stigt. ...In anderen Beispielen sind diese
kleinen Stiele selbständig und unabhängig
von den Bindern auf die Schwelle gesetzt,
durch ein Rähm verbunden, auf das sich ein
dem Binder angeblattetes Zangenholz auf-
kämmt.“

Ahrens < 114> setzt sich mit dieser Bauweise
anläßlich der Beschreibung eines vielleicht
aus dem Beginn des 17. Jahrhunderts stam-
menden Stalles aus Wesel, heute Freilicht-
museum am Kiekeberg, auseinander. Nach
Schepers <115> sind die nach Art von Spitz-
bögen konzipierten Krummspannbauten
Reste einer urtümlichen Bauweise. Diese
Bauweise findet sich in der Tat in einigen
hochmittelalterlichen Gebäuden Englands in
vollendeter Weise ausgebildet < 116>. In
Deutschland kommt sie allerdings (nach
Schepers) „in abgelegenen Heidegebieten des
deutschen Nordwestens, im Hümmling, im
Wildeshausener Höhenland und südlich der
unteren Elbe (Umgebung von Stade)“ vor. Es
handelt sich übrigens ausschließlich um
Nebengebäude, zum Teil mit recht proviso-
rischem, schuppenartigem Charakter. Abbil-
dung 17 zeigt als Beispiel ein kleines
Backhaus in Krummspannkonstruktion in
Godenstedt.


Abb. 17: Godenstedt, Lkrs. Rotenburg/W.,
Backhaus in Cruck-Bauweise

Obgleich solche Gebäude vielleicht zwei-
hundert bis dreihundert Jahre alt sein mögen,
können Bezüge zu vorgeschichtlichen Bau-
techniken wohl kaum hergestellt werden.
Andererseits dürften solche Gebäude, beson-
ders Schafställe, regional wesentlich stärker
verbreitet gewesen sein, als das heutige
spärliche Vorkommen vermuten läßt. Wahr-
scheinlich sind alle vier in der Landes-
aufnahme des 18. Jahrhunderts verzeichneten
Außenschafställe von Holtorfsbostel gleich-
artig gebaute Cruck-Konstruktionen gewe-
sen; vielleicht gilt das auch für die meisten
der zwölf Außenschafställe von Everstorf.
 
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