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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Die Schafställe der Nordheide — Hameln: Niemeyer, Heft 10.1994

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Primäre Kübbungsschafställe mit Ankerbalkengefüge
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https://doi.org/10.11588/diglit.51141#0136
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Primäre Kübbungsschafställe mit Ankerbalkengefüge

denen ja immer balkenlastig gelagert wurde.
Hier wäre ein durch die Einhälsung ge-
schwächter Ankerbalken funktionell unter-
legen und statisch stärker gefährdet. In einem
Kübbungsschafstall in Klein-Ippensen
werden diese Gegebenheiten deutlich. Als
Innenständer hatten hier ehemalige Wand-
ständer eines Ankerbalkengebäudes Ver-
wendung gefunden. Offenbar hatte es aber an
Eichenholzbalken gefehlt, so daß Weichholz-
ankerbalken eingebaut wurden. Wie Abbil-
dung 96 erkennen läßt, ist einer der Balken
an seiner Einhälsung abgerissen bzw. abge-
schoren und zeigt damit die charakteristische
Unterlegenheit der Ankerbalkenkonstruktion
bei entsprechender Belastungen.
In der Tat besitzt die Mehrzahl aller
Kübbungsställe dieses weniger geeignete
Konstruktionsmerkmal auch nicht; vielmehr
überwiegen Gefügeverbindungen, die sich
stark an die in den Bauernhäusern selbst
herrschenden Bautraditionen anlehnen, wo-
bei sogar deren regional- und zeittypischen
Varianten bei den Schafställen „durch-
schlugen“. Diese Varianten der Innenstän-
derschafställe werden uns vor allem unter
bauhistorischen, aber auch unter regional-
historischen Gesichtspunkten beschäf-
tigen.
Das Vorkommen von Schafställen mit
Innngefüge und zwei Kübbungen überhaupt
ist eine erstrangige regionale Besonderheit.
In diesem Zusammenhang sei auf die
Verbreitungskarte mit der Gesamtheit aller
dieser Schafställe hingewiesen (Karte VII).
Sie kann allerdings keinen Anspruch auf
Vollständigkeit erheben; in erster Linie
wurden diejenigen Ställe verzeichnet, die von
den Verfassern persönlich besichtigt werden
konnten, und von denen auch viele heute
bereits verschwunden sind. Ergänzend wur-
den auch einige Beispiele eingetragen, die
nach Fotos und heimatkundlichen Veröffent-
lichungen, insbesondere der Alberschen
Fotokartei <175>, sicher identifiziert werden
konnten. Das trifft für mehrere Beispiele
(Ovelgönne, Emsen, Halvesbostel, Elstorf,
Emmen) aus dem Landkreis Harburg zu, in
welchem der Bestand an Schafställen bereits
seit vielen Jahrzehnten stärker geschrumpft
ist als auf der benachbarten Sittensener-
Zevener Geest.

In einem großen Bereich des Untersuchungs-
gebietes sind jedenfalls außer einigen
Krummsparren-Schafställen ausschließlich
Zweiständer-Kübbungs-Schafställe aufzu-
finden gewesen, während Wandständer-
schafställe hier fehlen. Es handelt sich um die
östliche Stader Geest, den Altkreis Bremer-
vörde sowie um den westlichen Abschnitt des
Altkreises Harburg - historisch gesehen also
um den größten Teil des ehemaligen Erz-
bistums Bremen und seines östlich angren-
zenden Einflußbereiches.
Will man weniger weit in die Geschichte
zurückgehen, so kann darauf hingewiesen
werden, daß das besagte Gebiet sich bis in
das 20. Jahrhundert hinein stark nach den
wirtschaftlichen Zentren Stade und Buxtehu-
de ausgerichtet hatte. Diese Städte waren die
wichtigsten landwirtschaftlichen Absatz-
märkte der Region. Der aus Hollenstedt
stammende Volkskundler Eduard Kück
<176> berichtet darüber:
„Der Wollhandel brachte den Landleuten
einen guten Gewinn. Die Wolle, die sie nicht
zum eigenen Bedarf nötig hatten, wurde in
die Stadt zum Kaufmann gefahren, sie kauf-
ten dafür ein. So war es eine Art Tauschhan-
del. Jeder Kaufmann hatte seine festen
„Wull-buern“ und dadurch eine feste ländli-
che Kundschaft. Da die Schafe sich rasch
und reichlich vermehrten, war der Landmann
auch in der Lage, Schafe selbst in großer
Menge zu verkaufen: oft trieb er 60 - 70
Stück auf den Markt an, andere kaufte ihm
der Schlachter ab, der sie nach Bedürfnis
nach und nach abnahm. In Buxtehude wur-
den im Laufe des Sommers nicht weniger als
sechs Schafmärkte abgehalten, die weit und
breit berühmt waren, zumal auch Kühe,
Schweine und Gänse zum Verkauf kamen.
Mit den Männern waren die Frauen dort,
alles handelte und verkaufte und manches
Stück Geld blieb sofort bei den Buden-
besitzern und den Kaufleuten. Diese Schaf-
märkte, deren Termine feststanden, genossen
in der ganzen Umgegend solches Ansehen,
daß sie sogar als Zeitbestimmungen dienten.
De Dirn is Wüschen dat irst’ un twet’
Schapmark geburn, oder:
Dat wür na dat foft’ Schapmark, as uns’
Vader dot blev. “
 
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