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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: St. Michaelis in Hildesheim — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 34.2008

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Brandorff, Helmut: Die archäologischen Unersuchungen in St. Michaelis, Hildesheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.51162#0118
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Helmut Brandorff

Inspektor C. W. Hase (1857). Im Zuge der Nutzung
der Kirche als Wandelhalle für die Insassen der als
Irrenhaus genutzten Klostergebäude nach der Säku-
larisierung war das Seitenschiff abgebrochen worden
(Abb. 39).
Seit 1870 besaß die Michaeliskirche eine Heizung
(Abb. 40). Die älteste Anlage wurde mit den Ver-
brennungsgasen einer Kohlefeuerung betrieben. Die
Kanäle waren zum Teil aus Ziegeln gemauert und zum
Teil unvermörtelt in den Boden gelegt. Im Mittelschiff
vor der Westvierung war an dieser Heizung nachträg-
lich eine Verengung des Querschnitts vorgenommen
worden. In den Jahren vor 1910 wurde eine neue
Heizung installiert. Sie funktionierte durch Konvek-
tion, indem sich die Raumluft an durch Roste abge-
deckten Warmwasserleitungen in aus Ziegeln gemau-
erten Kanälen im Fußboden erwärmte. Die jüngste
Heizanlage war eine Warmluftgebläseheizung mit
Kanälen aus Beton, deren Installation 1960 mit
Modifikationen 1970 erfolgt war. Diese Heizung hatte
die massivsten Bodeneingriffe zur Folge gehabt. Der
Heizungskeller befand sich zu allen Zeiten unter der
Westvierung und füllt den Raum darunter nach den
jüngsten Umbauten vollkommen aus.
Die Fundamente für die Treppen zu den Treppen-
türmen sind aus wiederverwendeten Sandstein-
blöcken nach 1945 neu errichtet worden.
Sonstige Befunde
An den Fundamentunterkanten im Osten der Kirche
zeigte sich Schichtenwasser, welches während der
Grabung immer mal wieder bis zur Hälfte der unters-
ten Steinlagen anstieg. Auch ansonsten ist der Boden
im Osten schon in geringer Tiefe recht feucht. Der
Kanal für eine Ableitung des Wassers außen am
Südostturm (Schnitt 20) zeigt, dass dieses Problem
wohl schon zur Bauzeit der Kirche erkannt worden
war.16 Im Nordwesten ist der Untergrund dagegen
außerordentlich fest und trocken. In ungestörten Be-
reichen reicht der gewachsene Boden bis unmittelbar
unter den bisherigen Fußbodenaufbau bzw. die da-
runterliegenden Schuttschichten. Die ursprüngliche
Oberfläche hatte offenbar ungefähr die Höhe des
heutigen Fußbodenniveaus und war für die Bauar-
beiten großflächig einplaniert worden.
Im mittleren Bereich des Hauptschiffes (Schnitt 10)
wurde eine mit Schutt verfüllte Grube aufgedeckt, in
der sich Formteile aus Stuckgips, unter anderem eine
menschliche Figur, befanden. Es handelt sich offen-
sichtlich um Reste der südlichen Chorschranke bzw.
des Lettners in der Westvierung (s. Beitrag ,Brandt').

Die von Joseph Bohland dokumentierten Befunde lie-
ßen sich nicht verifizieren. An keiner Stelle, wo er
„Fundamentgruben" oder „Fundamentreste" ver-
merkt hatte, befanden sich derartige Befunde. Des-
gleichen fanden sich in der Krypta keinerlei Hinweise
auf Fundamente einer Heilig-Kreuz-Kapelle als Vor-
gängerbau der Michaeliskirche bzw. der Krypta (s.
Beitrag ,Kruse').
Exkurs zur Geschichte seit der Reformation
und Ausblick
Die Klosterkirche St. Michaelis zu Hildesheim war am
12. November 1542 nach der Einführung der Refor-
mation in Hildesheim von den Lutheranern als Pfarr-
kirche „übernommen" worden.17 Das Benediktiner-
kloster St. Michaelis blieb zwar bestehen, aber den
Mönchen war es nur noch erlaubt, im westlichen Teil
der Kirche die Bernwardskrypta, den Hochchor da-
rüber und das Nordwestquerhaus für ihre Gottes-
dienste zu nutzen. Wie überall in Deutschland ging
auch in Hildesheim die Reformation nicht vollkommen
friedlich vor sich und es blieb bis zur Säkularisation
1803 bei einem meist unerfreulichen Nebeneinander
von Klosterkonvent und evangelischer Gemeinde in
St. Michaelis. Das Kloster war aufgelöst und die
Kirche geschlossen worden. Die Krypta verbleibt aller-
dings auch danach unter katholischer Obhut und die
Zugänge zur Kirche blieben zugemauert. Die Micha-
elisgemeinde bekommt erst über 50 Jahre später
ihren Kirchenraum zurück. Baumaßnahmen und
Renovierungen wurden von den beiden Konfessionen
bis in die jüngste Vergangenheit überwiegend ge-
trennt durchgeführt, wenn man von dem Wieder-
aufbau nach dem Krieg einmal absieht.
Erst im Jahre 1978 wurde mit der Öffnung des Süd-
zugangs der Krypta überhaupt wieder eine Verbin-
dung zum Kirchenraum geschaffen. Jetzt, mit der der-
zeitigen Sanierung, kam eine wirklich intensive
Zusammenarbeit zwischen den Konfessionen zu Stan-
de. Der nördliche Zugang zur Bernwardskrypta ist in-
zwischen auch wieder eröffnet und die bisher aus-
schließlich katholische Sakristei soll von beiden Kon-
fessionen benutzt werden können. Die neue Heizung
wird in Zukunft erstmalig sowohl den evangelischen
als auch den katholischen Teil von St. Michaelis erwär-
men. Die Feierlichkeiten zur 10OO-Jahrfeier 2010 be-
geht man sicherlich ebenfalls gemeinsam.
 
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