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Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Gewölbe- und Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen
Restaurierungsgeschichte170
1904 Entdeckung der Wandmalereien im Zuge der
geplanten Neuausmalung171
1905/06 Freilegung durch örtlichen Malermeister und
Entfernen schadhaften Verputzes172
1910 Restaurierung der Malereien im Schiff mit male-
rischer Überarbeitung des Bestands und Neuausma-
lung des Chors aufgrund mittelalterlichen Malerei-
befunds durch einen hannoverschen Kirchenmaler.173
1956 Restaurierung durch einen Kirchenmaler aus
Delmenhorst. Neuanstrich des Hintergrunds der figür-
lichen Malereien und Vereinfachungen der Ausma-
lung.174
1993 Restauratorische Untersuchung der Wandmale-
reien und des Inventars durch einen Bremer Restau-
rator.175
2000 Restauratorische Untersuchung und Proberes-
taurierung an der Verkündigungsdarstellung der
Nordwand durch einen Restaurator aus Schwalm-
stadt. Reinigung und Festigung der Malerei. Retu-
schen von Fehlstellen in der Figur des Erzengels.176
Restauratorische Maßnahmen 1904-10
Auffindung und Freilegung
1904 plante die Kirchengemeinde, die Kirche neu
auszumalen. Im Rahmen dieser Arbeiten entdeckte
man Malereien und benachrichtigte den hannover-
schen Provinzialkonservator Reimers, der sich dafür
aussprach, die Malereien freilegen zu lassen.177 Da-
raufhin untersuchte Kirchenmaler Ebeling aus Han-
nover die Wände und legte einen Teil der Malereien
frei. Konsistorialbaumeister Mohrmann plädierte in
einem Gutachten für eine vollständige Freilegung.
Ebeling könne jedoch aufgrund „seiner starken Be-
schäftigung die Arbeit des Freilegens nicht persönlich
übernehmen, es gibt aber junge Maler in genügender
Zahl, die schon um zu lernen gegen geringe Ver-
gütung sich diese [I] Arbeit unterziehen würden."178
Die Kirchengemeinde beauftragte den ortsansässigen
Malermeister Semsroth mit der Freilegung und Pastor
Wehmeyer zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden:
„Erfreulicherweise hat sich beim Abklopfen noch viel
von der alten Malerei erhalten lassen. An einzelnen
Stellen ist allerdings wenig geblieben; was darin sei-
nen Grund haben wird, daß die Malerei dem
Anschein nach nicht unmittelbar auf den Verputz
gemalt ist, sondern daß dieser Verputz zuerst gestri-
chen und dann erst vermalt ist. ... Die Apsis scheint 2
x vermalt zu sein. Leider hat sich hier nicht viel halten
lassen."179
Semsroth legte sämtliche Malereien an Wänden und
Gewölben frei, bis auf wenige Bereiche, an denen
zwei Malschichten übereinander lagen. Mit der
Freilegung dieser nicht näher bezeichneten Stellen
wollte man warten, bis Kirchenmaler Ebeling ein-
traf.180 Welche Maßnahmen man hier ergriff, ist archi-
valisch nicht belegt.
Aus dem Schriftverkehr sind einige technische Details
zu entnehmen, wie beispielsweise die Freilegungs-
methode. Das genannte „Abklopfen" ist sicherlich
wörtlich zu nehmen. Aufliegende Tünchen wurden
mit dem Hammer soweit gelockert, dass sie abfielen.
Zusätzlich entfernte man verbliebene Anstriche mit
Spachteln und Drahtbürsten, wovon einige Spuren an
den Malereien zeugen. Der zitierte Bericht des Pastors
zeigt, dass man sich der mittelalterlichen Maltechnik
und der dadurch entstehenden Schwierigkeiten bei
der Freilegung bewusst war. Im Vergleich mit der
Freskotechnik ist die Haftung der Malschichten an der
grundierenden Kalktünche gering, die Gefahr, sie mit
den jüngeren Anstrichen abzunehmen dagegen um
so größer. Den Umstand, dass die Freilegung nicht
schadensfrei verlief, nahm man in Kauf. Auch eine
fragmentarisch erhaltene mittelalterliche Malerei
erschien von großem Wert. Wehmeyer berichtete
weiter, dass sich auch die ornamentale Bemalung der
Gewölbe an einzelnen Stellen nicht erhalten ließe, der
Befund aber dafür ausreiche, „daß aus diesem das
Fehlende sich zumeist leicht rekonstruieren läßt."181
Die Malereien an den Wänden zeigten nach der
Freilegung unterschiedliche Erhaltungszustände:
„Daneben ist dann auch eine Reihe von Bildern auf-
gedeckt, teilweise deutlich, teilweise nur in Umrissen.
Deutlich zu erkennen sind: die Verkündigung Mariae,
die Geburt Jesu mit einer von Engeln getragenen
Inschrift: Gloria in ..., die Madonna mit dem Jesus-
kinde auf dem Arme, umgeben von einem Strahlen-
kranz und 2 Engeln. Weniger deutlich sind: ein Reiter
im Kampf mit einem Drachen, und ein anderes Bild,
dessen Bedeutung ich nicht erkennen kann. Außer
diesen sind dann noch mehrere Bilder da, von denen
nur einzelne Figuren geblieben sind."182 Diese
Beschreibung verdeutlicht, dass die Darstellungen der
Nordwand besser erhalten waren als die der Südwand
und dass die Malereien im unteren Bereich der
Triumphbogenwand soweit reduziert waren, dass nur
Einzelheiten, nicht aber die Darstellungen erkennbar
waren.
In der Apsis ließen sich die Darstellungen nach der
Freilegung nur erahnen. Wehmeyer vermutete, dass
sich an den Wänden eine Apostelreihe und darüber
die vier Evangelisten befänden. Die Darstellung Christi
in der Mandorla war nicht erkennbar.183
Restaurierung
Für die Instandsetzung der Malereien liegt ein Kos-
tenvoranschlag des Kirchenmalers Ebeling vor:
„Gewölbeflächen einschl. der Gurtbögen im Schiff-
raum ... mit vorgefundenen spätgotischen Malereien.
Nachdem der noch vorhandene Leinfarbenanstrich [I]
u. dergl. mehr, sowie schadhafte Stellen mit Kalk-
verputz andererseits entfernt sind, die Gewölbeflä-
chen mit verdünnten [I] Casein tränken u. mit Casein-
farben lasierend zu tönen, die Bemalung nach den
Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Gewölbe- und Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen
Restaurierungsgeschichte170
1904 Entdeckung der Wandmalereien im Zuge der
geplanten Neuausmalung171
1905/06 Freilegung durch örtlichen Malermeister und
Entfernen schadhaften Verputzes172
1910 Restaurierung der Malereien im Schiff mit male-
rischer Überarbeitung des Bestands und Neuausma-
lung des Chors aufgrund mittelalterlichen Malerei-
befunds durch einen hannoverschen Kirchenmaler.173
1956 Restaurierung durch einen Kirchenmaler aus
Delmenhorst. Neuanstrich des Hintergrunds der figür-
lichen Malereien und Vereinfachungen der Ausma-
lung.174
1993 Restauratorische Untersuchung der Wandmale-
reien und des Inventars durch einen Bremer Restau-
rator.175
2000 Restauratorische Untersuchung und Proberes-
taurierung an der Verkündigungsdarstellung der
Nordwand durch einen Restaurator aus Schwalm-
stadt. Reinigung und Festigung der Malerei. Retu-
schen von Fehlstellen in der Figur des Erzengels.176
Restauratorische Maßnahmen 1904-10
Auffindung und Freilegung
1904 plante die Kirchengemeinde, die Kirche neu
auszumalen. Im Rahmen dieser Arbeiten entdeckte
man Malereien und benachrichtigte den hannover-
schen Provinzialkonservator Reimers, der sich dafür
aussprach, die Malereien freilegen zu lassen.177 Da-
raufhin untersuchte Kirchenmaler Ebeling aus Han-
nover die Wände und legte einen Teil der Malereien
frei. Konsistorialbaumeister Mohrmann plädierte in
einem Gutachten für eine vollständige Freilegung.
Ebeling könne jedoch aufgrund „seiner starken Be-
schäftigung die Arbeit des Freilegens nicht persönlich
übernehmen, es gibt aber junge Maler in genügender
Zahl, die schon um zu lernen gegen geringe Ver-
gütung sich diese [I] Arbeit unterziehen würden."178
Die Kirchengemeinde beauftragte den ortsansässigen
Malermeister Semsroth mit der Freilegung und Pastor
Wehmeyer zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden:
„Erfreulicherweise hat sich beim Abklopfen noch viel
von der alten Malerei erhalten lassen. An einzelnen
Stellen ist allerdings wenig geblieben; was darin sei-
nen Grund haben wird, daß die Malerei dem
Anschein nach nicht unmittelbar auf den Verputz
gemalt ist, sondern daß dieser Verputz zuerst gestri-
chen und dann erst vermalt ist. ... Die Apsis scheint 2
x vermalt zu sein. Leider hat sich hier nicht viel halten
lassen."179
Semsroth legte sämtliche Malereien an Wänden und
Gewölben frei, bis auf wenige Bereiche, an denen
zwei Malschichten übereinander lagen. Mit der
Freilegung dieser nicht näher bezeichneten Stellen
wollte man warten, bis Kirchenmaler Ebeling ein-
traf.180 Welche Maßnahmen man hier ergriff, ist archi-
valisch nicht belegt.
Aus dem Schriftverkehr sind einige technische Details
zu entnehmen, wie beispielsweise die Freilegungs-
methode. Das genannte „Abklopfen" ist sicherlich
wörtlich zu nehmen. Aufliegende Tünchen wurden
mit dem Hammer soweit gelockert, dass sie abfielen.
Zusätzlich entfernte man verbliebene Anstriche mit
Spachteln und Drahtbürsten, wovon einige Spuren an
den Malereien zeugen. Der zitierte Bericht des Pastors
zeigt, dass man sich der mittelalterlichen Maltechnik
und der dadurch entstehenden Schwierigkeiten bei
der Freilegung bewusst war. Im Vergleich mit der
Freskotechnik ist die Haftung der Malschichten an der
grundierenden Kalktünche gering, die Gefahr, sie mit
den jüngeren Anstrichen abzunehmen dagegen um
so größer. Den Umstand, dass die Freilegung nicht
schadensfrei verlief, nahm man in Kauf. Auch eine
fragmentarisch erhaltene mittelalterliche Malerei
erschien von großem Wert. Wehmeyer berichtete
weiter, dass sich auch die ornamentale Bemalung der
Gewölbe an einzelnen Stellen nicht erhalten ließe, der
Befund aber dafür ausreiche, „daß aus diesem das
Fehlende sich zumeist leicht rekonstruieren läßt."181
Die Malereien an den Wänden zeigten nach der
Freilegung unterschiedliche Erhaltungszustände:
„Daneben ist dann auch eine Reihe von Bildern auf-
gedeckt, teilweise deutlich, teilweise nur in Umrissen.
Deutlich zu erkennen sind: die Verkündigung Mariae,
die Geburt Jesu mit einer von Engeln getragenen
Inschrift: Gloria in ..., die Madonna mit dem Jesus-
kinde auf dem Arme, umgeben von einem Strahlen-
kranz und 2 Engeln. Weniger deutlich sind: ein Reiter
im Kampf mit einem Drachen, und ein anderes Bild,
dessen Bedeutung ich nicht erkennen kann. Außer
diesen sind dann noch mehrere Bilder da, von denen
nur einzelne Figuren geblieben sind."182 Diese
Beschreibung verdeutlicht, dass die Darstellungen der
Nordwand besser erhalten waren als die der Südwand
und dass die Malereien im unteren Bereich der
Triumphbogenwand soweit reduziert waren, dass nur
Einzelheiten, nicht aber die Darstellungen erkennbar
waren.
In der Apsis ließen sich die Darstellungen nach der
Freilegung nur erahnen. Wehmeyer vermutete, dass
sich an den Wänden eine Apostelreihe und darüber
die vier Evangelisten befänden. Die Darstellung Christi
in der Mandorla war nicht erkennbar.183
Restaurierung
Für die Instandsetzung der Malereien liegt ein Kos-
tenvoranschlag des Kirchenmalers Ebeling vor:
„Gewölbeflächen einschl. der Gurtbögen im Schiff-
raum ... mit vorgefundenen spätgotischen Malereien.
Nachdem der noch vorhandene Leinfarbenanstrich [I]
u. dergl. mehr, sowie schadhafte Stellen mit Kalk-
verputz andererseits entfernt sind, die Gewölbeflä-
chen mit verdünnten [I] Casein tränken u. mit Casein-
farben lasierend zu tönen, die Bemalung nach den



