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Archäologie und Informationssysteme
Ansatzpunkte stehen. Das primäre Ziel ist neben dem
wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn die Aufgabe,
die „Wahrheit" über die menschliche Geschichte auf
Basis ihrer wissenschaftlichen Fakten zu schreiben.
Wissenstheoretische Basis ist hier der Positivismus. In
der archäologischen Forschung bedeutet dieser An-
satz, dass historische Aussagen empirisch am Material
überprüft werden können. In praktischer Hinsicht
muss die archäologische Forschung Fundstellen und
Funde erschließen und neue Forschungsmethoden zu
ihrer Auswertung generieren. Dies geschieht zum Teil
durch Berufswissenschaftler, im Rahmen akademi-
scher Qualifizierungen oder auch durch Laienforscher,
seien es Sammler, Detektorengänger und andere. Die
hier im Laufe der Jahrzehnte gewonnenen Fakten
werden in Landesaufnahmen erfasst. Dabei werden
sie einerseits als absolut und wertneutral angesehen,
andererseits ist das Wissen um die Fehlerhaftigkeit
dieser Datenbestände ein „alter Hut". Ein wichtiger
Aspekt ist hier die Urheberschaft, denn das Wissen
um den Datenlieferanten ist neben Datum- und Orts-
angabe ein wichtiges Element der Authentizität der
erhobenen Daten. Wem gehören aber diese Daten?
Die Antwort erscheint hier relativ einfach, wenn die
Daten von Mitarbeitern der Landesarchäologien erho-
ben werden. Auch wenn der einzelne Mitarbeiter der
Urheber seiner Daten ist, so besitzt doch der Arbeit-
geber die Verwertungsrechte an diesen Daten. Sie ist
auch einfach, wenn die Denkmalfachämter im Rah-
men der Raumplanung (zum Beispiel Strategische
Umweltprüfung [SUP], Umweltverträglichkeitsprü-
fung [UVP] etc.) die Übergabe von Daten an Außen-
stehende (zum Beispiel Grabungsfirmen, externe
Fachgutachter) einfordern können. Die Antwort ist im
Gegensatz dazu nicht so einfach, wenn Daten durch
externe Forschungsinstitutionen, archäologische
Museen, Universitäten oder von privater Seite (zum
Beispiel Laienforscher) erhoben werden. Hier steht
den konkreten rechtlichen Regelungen eine überge-
ordnete Entwicklung im Wissenschaftsbetrieb gegen-
über, die unter dem Konzept der Kommunalität
bekannt geworden ist. Es geht auf den Soziologen
Robert Merton (Social theory and social structure,
1949) zurück und schließt wissenschaftliche Eigen-
tumsrechte an wissenschaftlichem Wissen aus. Wenn
wissenschaftliche Fakten/Daten also keinen Besitzer
haben, dann steht einem Informationsaustausch
nichts mehr entgegen.
Allerdings hat diese geforderte Datenfreiheit auch
ihre Schattenseiten und bringt Wissenschaftler unter
Umständen in Gewissenskonflikte, wenn die Anwen-
der (zum Beispiel Politiker, Wirtschaft oder gar Sektie-
rer) sich an Daten oder wissenschaftlichen Ergebnis-
sen bedienen. Daher war die wissenschaftliche Welt
insbesondere nach den Atombombenabwürfen be-
müht, Kontrolle über die eigenen Daten zu bekom-
men. Diese politische Instrumentalisierung kennt die
Archäologie auch. So haben zunächst die drei großen
europäischen Nationalstaaten, England, Frankreich
und das Deutsche Reich versucht, seit Ende des
18. Jahrhunderts ihr hohes Alter mit Bodenfunden zu
belegen. Triebfeder dieser Entwicklung war die Not-
wendigkeit der jungen Nationalstaaten, starke Identi-
fikationspunkte zu liefern. Vor dem Hintergrund die-
ser Erfahrungen erscheint es angebracht, die Polarität
von freiem Datenzugang und dem Missbrauch dieser
Daten bei der Schöpfung neuer Geschichtsmythen im
Hinterkopf zu haben.
Open data und die
archäologisch-denkmalpflegerische Praxis
Derzeit ringen die unterschiedlichen Institutionen der
archäologischen Denkmalpflege um eine gemeinsame
Position im Hinblick auf den Austausch und die Frei-
gabe von Daten. Stichwort ist der Begriff „open da-
ta", der, durch Politik und öffentlichen Druck ge-
wünscht, den Rahmen der Diskussion vorgibt. Aus
archäologischer Sicht müssen im Rahmen der thema-
tischen Erörterung, neben dem zuvor dargestellten
Bezugsrahmen, drei analytische Ebenen unterschie-
den werden.
A) Den übergeordneten Rahmen bildet die juristische
Dimension. Diese reicht von der Definition des
Begriffs „Datum", das heißt: eine Information außer-
halb einer Textform (Bilder, raumbezogene Daten,
Statusdaten usw.), bis hin zu Fragen der Zugäng-
lichkeit von Daten, die in unterschiedlichen Gesetzen
geregelt sind.
B) Dem gegenüber steht die administrative Ebene.
Diese ist in der modernen archäologischen Denkmal-
pflege durch zwei Unterebenen geprägt.
Die erste Unterebene umfasst die Herstellung von
Archivgut und damit Daten zu geleisteter archäologi-
scher Feldarbeit (Prospektion, Ausgrabung usw.), die
der Forschung und Öffentlichkeit verfügbar gemacht
werden sollen. Leitbilder sind hier die Stichworte
Bürgerfreundlichkeit und transparentes Verwaltungs-
handeln, die sich parallel zu dem Konzept des mündi-
gen Bürgers entwickeln. Hier treffen sich das Recht
auf informelle Selbstbestimmung und die Veröffent-
lichungspflicht der öffentlichen Stellen.
Problematisch ist dieser Bereich immer dann, wenn
kommerzielle Interessen ins Spiel geraten und die zur
Verfügung gestellten Daten einen Mehrwert erzeu-
gen, der nicht der Allgemeinheit zugutekommt und
dessen Ausbeutung vielmehr durch Partikularinteres-
Archäologie und Informationssysteme
Ansatzpunkte stehen. Das primäre Ziel ist neben dem
wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn die Aufgabe,
die „Wahrheit" über die menschliche Geschichte auf
Basis ihrer wissenschaftlichen Fakten zu schreiben.
Wissenstheoretische Basis ist hier der Positivismus. In
der archäologischen Forschung bedeutet dieser An-
satz, dass historische Aussagen empirisch am Material
überprüft werden können. In praktischer Hinsicht
muss die archäologische Forschung Fundstellen und
Funde erschließen und neue Forschungsmethoden zu
ihrer Auswertung generieren. Dies geschieht zum Teil
durch Berufswissenschaftler, im Rahmen akademi-
scher Qualifizierungen oder auch durch Laienforscher,
seien es Sammler, Detektorengänger und andere. Die
hier im Laufe der Jahrzehnte gewonnenen Fakten
werden in Landesaufnahmen erfasst. Dabei werden
sie einerseits als absolut und wertneutral angesehen,
andererseits ist das Wissen um die Fehlerhaftigkeit
dieser Datenbestände ein „alter Hut". Ein wichtiger
Aspekt ist hier die Urheberschaft, denn das Wissen
um den Datenlieferanten ist neben Datum- und Orts-
angabe ein wichtiges Element der Authentizität der
erhobenen Daten. Wem gehören aber diese Daten?
Die Antwort erscheint hier relativ einfach, wenn die
Daten von Mitarbeitern der Landesarchäologien erho-
ben werden. Auch wenn der einzelne Mitarbeiter der
Urheber seiner Daten ist, so besitzt doch der Arbeit-
geber die Verwertungsrechte an diesen Daten. Sie ist
auch einfach, wenn die Denkmalfachämter im Rah-
men der Raumplanung (zum Beispiel Strategische
Umweltprüfung [SUP], Umweltverträglichkeitsprü-
fung [UVP] etc.) die Übergabe von Daten an Außen-
stehende (zum Beispiel Grabungsfirmen, externe
Fachgutachter) einfordern können. Die Antwort ist im
Gegensatz dazu nicht so einfach, wenn Daten durch
externe Forschungsinstitutionen, archäologische
Museen, Universitäten oder von privater Seite (zum
Beispiel Laienforscher) erhoben werden. Hier steht
den konkreten rechtlichen Regelungen eine überge-
ordnete Entwicklung im Wissenschaftsbetrieb gegen-
über, die unter dem Konzept der Kommunalität
bekannt geworden ist. Es geht auf den Soziologen
Robert Merton (Social theory and social structure,
1949) zurück und schließt wissenschaftliche Eigen-
tumsrechte an wissenschaftlichem Wissen aus. Wenn
wissenschaftliche Fakten/Daten also keinen Besitzer
haben, dann steht einem Informationsaustausch
nichts mehr entgegen.
Allerdings hat diese geforderte Datenfreiheit auch
ihre Schattenseiten und bringt Wissenschaftler unter
Umständen in Gewissenskonflikte, wenn die Anwen-
der (zum Beispiel Politiker, Wirtschaft oder gar Sektie-
rer) sich an Daten oder wissenschaftlichen Ergebnis-
sen bedienen. Daher war die wissenschaftliche Welt
insbesondere nach den Atombombenabwürfen be-
müht, Kontrolle über die eigenen Daten zu bekom-
men. Diese politische Instrumentalisierung kennt die
Archäologie auch. So haben zunächst die drei großen
europäischen Nationalstaaten, England, Frankreich
und das Deutsche Reich versucht, seit Ende des
18. Jahrhunderts ihr hohes Alter mit Bodenfunden zu
belegen. Triebfeder dieser Entwicklung war die Not-
wendigkeit der jungen Nationalstaaten, starke Identi-
fikationspunkte zu liefern. Vor dem Hintergrund die-
ser Erfahrungen erscheint es angebracht, die Polarität
von freiem Datenzugang und dem Missbrauch dieser
Daten bei der Schöpfung neuer Geschichtsmythen im
Hinterkopf zu haben.
Open data und die
archäologisch-denkmalpflegerische Praxis
Derzeit ringen die unterschiedlichen Institutionen der
archäologischen Denkmalpflege um eine gemeinsame
Position im Hinblick auf den Austausch und die Frei-
gabe von Daten. Stichwort ist der Begriff „open da-
ta", der, durch Politik und öffentlichen Druck ge-
wünscht, den Rahmen der Diskussion vorgibt. Aus
archäologischer Sicht müssen im Rahmen der thema-
tischen Erörterung, neben dem zuvor dargestellten
Bezugsrahmen, drei analytische Ebenen unterschie-
den werden.
A) Den übergeordneten Rahmen bildet die juristische
Dimension. Diese reicht von der Definition des
Begriffs „Datum", das heißt: eine Information außer-
halb einer Textform (Bilder, raumbezogene Daten,
Statusdaten usw.), bis hin zu Fragen der Zugäng-
lichkeit von Daten, die in unterschiedlichen Gesetzen
geregelt sind.
B) Dem gegenüber steht die administrative Ebene.
Diese ist in der modernen archäologischen Denkmal-
pflege durch zwei Unterebenen geprägt.
Die erste Unterebene umfasst die Herstellung von
Archivgut und damit Daten zu geleisteter archäologi-
scher Feldarbeit (Prospektion, Ausgrabung usw.), die
der Forschung und Öffentlichkeit verfügbar gemacht
werden sollen. Leitbilder sind hier die Stichworte
Bürgerfreundlichkeit und transparentes Verwaltungs-
handeln, die sich parallel zu dem Konzept des mündi-
gen Bürgers entwickeln. Hier treffen sich das Recht
auf informelle Selbstbestimmung und die Veröffent-
lichungspflicht der öffentlichen Stellen.
Problematisch ist dieser Bereich immer dann, wenn
kommerzielle Interessen ins Spiel geraten und die zur
Verfügung gestellten Daten einen Mehrwert erzeu-
gen, der nicht der Allgemeinheit zugutekommt und
dessen Ausbeutung vielmehr durch Partikularinteres-