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Landgüter von Bürgern und Beamten - Lebens- und Wirtschaftsformen
18 Osnabrück, Steinwerk Bierstraße 7. Innenraumrekonstruktion des Erdgeschosses. Die Form der Kamineinfassung und der
Mittelstütze sind nicht belegt, 2011.
Das 14 m lange und 10,10 x 10,70 m breite Gebäude
besetzt die Südostecke eines eigentümlich winkelför-
migen Grundstückes am Ostrand der Altstadt, ehe-
mals unweit des als Bocksmauer bezeichneten Ab-
schnittes der Stadtmauer und des Natruper Tores ge-
legen (Abb. 17).22 Neben der Haupterschließungs-
richtung von Norden, von der Bierstraße aus, verfügt
das Grundstück über eine weitere Zufahrt von Wes-
ten, in Richtung der ehemals hier verlaufenden Stadt-
mauer. Die lange Tradition dieser Zuwegung belegen
nicht nur historische Karten, sondern auch die auf-
wändige Durchfensterung der Westfassade des Stein-
werkes mit Biforienfenstern, die als Schaufassade
demzufolge von der Stadtmauer aus einsehbar war.
Die südliche Grundstücksgrenze markiert bis heute
eine Hofmauer, die in der Verlängerung der Stein-
werkssüdwand an das Gebäude anschließt. Die
archäologische Untersuchung ihrer Fundamentierung
erbrachte den Nachweis, dass sie auf den Resten einer
Vorgängermauer aufsitzt, deren Fundamentunterkan-
te in einer Tiefe von 2,70 m unterhalb des heutigen
Geländeniveaus noch nicht erreicht war. Sie gründet
damit mindestens 20 cm tiefer als das Steinwerk. Das
Alter dieser Substruktion konnte nicht ermittelt wer-
den, sie diente jedoch bereits beiden Latrinenschäch-
ten als Rückwand, deren älteste Füllungsschichten aus
der frühen Neuzeit stammten. Es steht zu vermuten,
dass der Mauerzug in die Bauzeit des Steinwerkes
zurückreicht und die Konstanz der südlichen Grund-
stücksgrenze seit der Aufsiedelung dieses Stadtquar-
tiers in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, spä-
testens um 1200, manifestiert.23 Im Hinblick auf den
aufwändigen Bau des Steinwerkes mit Gewölbe darf
sicherlich auf eine größere Kapitalkraft und Bedeu-
tung des damaligen Bauherrn geschlossen werden.
Möglicherweise geht die eigentümliche Winkelform
des heutigen Grundstückes auf eine vormals große
quadratische Parzelle zurück, die das gesamte Quar-
tier zwischen Bocksmauer, Natruper Tor und Bierstra-
ße eingenommen hatte.
In der bisher zum Thema Osnabrücker Steinwerke
erschienen Literatur wird stets betont, dass die frühen
Steinwerke bauzeitlich keine Feuerstellen besessen
hatten. Der im Steinwerk Bierstraße 7 im Mauerwerk
der nördlichen Traufwand emporgeführte Kaminzug
besaß ehemals eine zartgliedrige Einfassung aus
Werkstein, die nur anhand einer historischen Foto-
grafie überliefert ist. Aufgrund ihrer gotischen For-
mensprache wurde der Ursprung der gesamten
Kaminanlage erst in spätere Zeit datiert.24 Allerdings
lassen sich am freiliegenden Mauerwerk in Ober- und
Dachgeschoss keinerlei Indizien für ein nachträgliches
Anlegen des Kaminzuges finden, eine Maßnahme, die
umfangreiche Eingriffe in die massive Bruchstein-
Landgüter von Bürgern und Beamten - Lebens- und Wirtschaftsformen
18 Osnabrück, Steinwerk Bierstraße 7. Innenraumrekonstruktion des Erdgeschosses. Die Form der Kamineinfassung und der
Mittelstütze sind nicht belegt, 2011.
Das 14 m lange und 10,10 x 10,70 m breite Gebäude
besetzt die Südostecke eines eigentümlich winkelför-
migen Grundstückes am Ostrand der Altstadt, ehe-
mals unweit des als Bocksmauer bezeichneten Ab-
schnittes der Stadtmauer und des Natruper Tores ge-
legen (Abb. 17).22 Neben der Haupterschließungs-
richtung von Norden, von der Bierstraße aus, verfügt
das Grundstück über eine weitere Zufahrt von Wes-
ten, in Richtung der ehemals hier verlaufenden Stadt-
mauer. Die lange Tradition dieser Zuwegung belegen
nicht nur historische Karten, sondern auch die auf-
wändige Durchfensterung der Westfassade des Stein-
werkes mit Biforienfenstern, die als Schaufassade
demzufolge von der Stadtmauer aus einsehbar war.
Die südliche Grundstücksgrenze markiert bis heute
eine Hofmauer, die in der Verlängerung der Stein-
werkssüdwand an das Gebäude anschließt. Die
archäologische Untersuchung ihrer Fundamentierung
erbrachte den Nachweis, dass sie auf den Resten einer
Vorgängermauer aufsitzt, deren Fundamentunterkan-
te in einer Tiefe von 2,70 m unterhalb des heutigen
Geländeniveaus noch nicht erreicht war. Sie gründet
damit mindestens 20 cm tiefer als das Steinwerk. Das
Alter dieser Substruktion konnte nicht ermittelt wer-
den, sie diente jedoch bereits beiden Latrinenschäch-
ten als Rückwand, deren älteste Füllungsschichten aus
der frühen Neuzeit stammten. Es steht zu vermuten,
dass der Mauerzug in die Bauzeit des Steinwerkes
zurückreicht und die Konstanz der südlichen Grund-
stücksgrenze seit der Aufsiedelung dieses Stadtquar-
tiers in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, spä-
testens um 1200, manifestiert.23 Im Hinblick auf den
aufwändigen Bau des Steinwerkes mit Gewölbe darf
sicherlich auf eine größere Kapitalkraft und Bedeu-
tung des damaligen Bauherrn geschlossen werden.
Möglicherweise geht die eigentümliche Winkelform
des heutigen Grundstückes auf eine vormals große
quadratische Parzelle zurück, die das gesamte Quar-
tier zwischen Bocksmauer, Natruper Tor und Bierstra-
ße eingenommen hatte.
In der bisher zum Thema Osnabrücker Steinwerke
erschienen Literatur wird stets betont, dass die frühen
Steinwerke bauzeitlich keine Feuerstellen besessen
hatten. Der im Steinwerk Bierstraße 7 im Mauerwerk
der nördlichen Traufwand emporgeführte Kaminzug
besaß ehemals eine zartgliedrige Einfassung aus
Werkstein, die nur anhand einer historischen Foto-
grafie überliefert ist. Aufgrund ihrer gotischen For-
mensprache wurde der Ursprung der gesamten
Kaminanlage erst in spätere Zeit datiert.24 Allerdings
lassen sich am freiliegenden Mauerwerk in Ober- und
Dachgeschoss keinerlei Indizien für ein nachträgliches
Anlegen des Kaminzuges finden, eine Maßnahme, die
umfangreiche Eingriffe in die massive Bruchstein-