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"Unter der GrasNarbe" <Veranstaltung, 2014, Hannover>; Schomann, Rainer [Editor]; Schormann, Michael Heinrich [Editor]; Wolschke-Bulmahn, Joachim [Editor]; Winghart, Stefan [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; VGH-Stiftung [Editor]; Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur [Editor]; Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Unter der GrasNarbe: Freiraumgestaltungen in Niedersachsen während der NS-Diktatur als denkmalpflegerisches Thema : Dokumentation der Tagung vom 26.-29. März 2014 in Hannover — Petersberg: Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG, Heft 45.2015

DOI article:
Zittlau, Reiner: Die Gedenkstätte Bergen-Belsen aus Sicht der Denkmalpflege
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51271#0083
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Nordwestseite immer noch der Eindruck eines Laby-
rinths mit verschlungenen Wegen als Metapher des
Unheimlichen und Bösen erhalten, in dem man wei-
terhin Lagerorte und Reste von Lagerbauten sucht.
Wenn ich das Freiraumkonzept in der beschriebenen
Form richtig verstehe, dann ist in diesen Waldberei-
chen eine wesentliche denkmalpflegerische Aussage
erhalten geblieben. Nach dieser sind Vergessen und
Erinnern, Verdrängen und Gedenken nebeneinander
existierende Haltungen, die sieben Jahrzehnte Auf-
arbeitung geprägt haben. Sie sind weiterhin als Zeit-
zeugnisse ablesbar. Machen wir uns klar, wofür die
Gleichzeitigkeit von Erinnern und Vergessen steht.
Wir überwinden die Gräuel des Krieges nur langsam
angesichts der „biographischen Verflechtungen" un-
serer Eltern- und Großelterngeneration. Wir selbst
sind aber mit Eltern und Großeltern enger verbunden
als mit öffentlichen Erinnerungsthemen. Je länger die
Gegensätze im öffentlichen Bewusstsein verankert
sind, desto länger bleiben sie auch ein Thema der
deutschen und der internationalen Gesellschaft, das
fruchtbar und bewusstseinsfördernd wirkt. Anschau-
licher als durch den Wald über den Lagerrelikten in
Bergen-Belsen kann man dieses Phänomen kaum er-
leben (Abb. 9).

Für den zukünftigen Umgang mit freigelegten Gebäu-
defundamenten empfehlen wir von Seiten der Denk-
malpflege die Erarbeitung eines Erhaltungskonzepts,
das dem beschleunigten Verfall und der Durchwur-
zelung, das aber vor allem Aufwand und Kosten in
Grenzen hält. Vorstellbar wäre als Grundlage dafür
eine geophysikalische Geländeprospektion, mit der
die Existenz und die Lage vorhandener Fundamente
genau erfasst werden kann. Bei den bisherigen Frei-
legungen müssten Abdeckungen oder Oberflächensi-
cherungen erfolgen, damit die fortschreitenden Schä-
den nicht in wenigen Jahren zu Totalverlusten führen.
Aus meiner Sicht dürfen angesichts des rapiden Ver-
falls Fundamentoberkanten, Estrich oder Zementputz-
flächen durchaus handwerksgerecht repariert werden,
um sie mittel- bis langfristig sichtbar lassen zu kön-
nen. Die Frage, wie die Originalität der Bausubstanz
bewertet wird, sollte bei der Minderwertigkeit der ver-
wendeten Baumaterialien relativ leicht im Konsens zu
lösen sein. Bei Abdeckungen, die in der Mehrzahl zu
empfehlen sind, könnten auch künstlerische Aktionen
zu einer höheren Anschaulichkeit führen. Der virtuelle
Rundgang, der sich derzeit in der Entwicklung durch
die Gedenkstättenstiftung befindet, wird ohnehin
mehr Anschaulichkeit vermitteln als die spärlichen
Fundamentreste des einstigen KZs.


9 Dichter Wald im Bereich des sowjetischen Kriegsgefangenenlagers, mit freigeschnittenen Arealen, auf denen Baracken
standen, 2014. Foto: Reiner Zittlau, Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege.
 
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