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9 Im Dezember 1936 wird das Parterre im Großen Garten von Erwerbslosen vollständig erneuert. Foto: Wilhelm Hauschild.
Historisches Museum Hannover, HAZ-Hauschild-Archiv.
Es schloss sich sofort die ehrgeizige Neugestaltung
des Großen Gartens an. Hier ist nicht der Ort, die
gesamten Überlegungen und Pläne zu referieren, nur
so viel: Was man heute als historisches Gartendenkmal
ansieht und touristisch bewirbt, ist in Wirklichkeit die
erneuerte und in weiten Teilen komplett veränderte
Gestalt des Großen Gartens von 1937, herbeigeführt
durch Erwerblose mit über 100.000 Tagwerken (Abb.
9). Am 13. Juni 1937 wurde der Große Garten mit
einem Festakt eingeweiht, unter Beteiligung der
Spitzen des Weifenhauses, des bürgerlichen Hannover
unter Führung Menges und der lokalen NS-Prominenz.
Der aus Hannover stammende NSDAP-Gauleiter
und Reichserziehungsminister Rust propagierte den
neugestalteten Garten als großen Erfolg des NS-
Regimes mit den Worten: „die bewundernswürdige
Ordnung Herrenhausens [sei] symbolisch für die
neue innere und äußere Ordnung des deutschen
Vaterlandes. Und dass, wie dieser Garten, auch
Deutschland seinen großen Gärtner gefunden habe."
Eine anschließende Festwoche sah 500.000 Besucher,
Herrenhausen erwies sich als der große Magnet.'2
Sämtliche Grünprojekte konnten noch vor Kriegsbe-
ginn abgeschlossen und deshalb als Leistung des
NS-Regimes propagandistisch herausgestellt werden.
Die hannoversche Bevölkerung begrüßte die viel-
fältigen neuen oder umgestalteten Grünanlagen als
willkommene Erweiterung der Naherholungsmög-
lichkeiten. Ob tatsächlich alle Hannoveraner glei-
chermaßen profitierten oder z. B. Juden und Sinti nur
eingeschränkten Zugang hatten, konnte sich bislang
nicht quellengestützt klären lassen. Im Jahr 2009 hat
sich die überlebende jüdische Hannoveranerin Margot
Kleinberger an ihre Kindheit erinnert: „Überall hatten
sie jetzt Schilder ,Für Juden verboten' angebracht.
Sogar auf der Bank am Maschsee, auf der wir mit
unserem Kindermädchen so gerne gesessen hatten,
durften wir nicht mehr Platz nehmen."13 Vergleichbare
Erinnerungen anderer jüdischer Hannoveraner oder
hannoverscher Sinti sind allerdings nicht überliefert,
Verwaltungsakten, die solche Maßnahmen bestätigen
würden, ließen sich bislang nicht auffinden.
Aber selbst wenn Hannover nicht mit direkten Be-
nutzungsverboten für Grünanlagen hervorgetreten
sein sollte, so bleibt festzuhalten, dass mit den
Grünprojekten von der JADEGA bis zum Löns-Park
eine subtile Umsetzung der NS-Rassentheorie im
scheinbar ideologiefreien Raum des Stadtgrüns gelun-
gen war und sie durch populäre Vermarktung und
propagandistische Einbindung in die NS-Erfolge einen
Beitrag zur Legitimierung des Regimes unterhalb der
direkt politischen Ebene und damit zur Herstellung
der angestrebten „Volksgemeinschaft" leisteten. Man
mag dies für marginal halten, in den offiziellen Dar-
stellungen zur Stadtgeschichte wird dieser Aspekt
nicht behandelt.
9 Im Dezember 1936 wird das Parterre im Großen Garten von Erwerbslosen vollständig erneuert. Foto: Wilhelm Hauschild.
Historisches Museum Hannover, HAZ-Hauschild-Archiv.
Es schloss sich sofort die ehrgeizige Neugestaltung
des Großen Gartens an. Hier ist nicht der Ort, die
gesamten Überlegungen und Pläne zu referieren, nur
so viel: Was man heute als historisches Gartendenkmal
ansieht und touristisch bewirbt, ist in Wirklichkeit die
erneuerte und in weiten Teilen komplett veränderte
Gestalt des Großen Gartens von 1937, herbeigeführt
durch Erwerblose mit über 100.000 Tagwerken (Abb.
9). Am 13. Juni 1937 wurde der Große Garten mit
einem Festakt eingeweiht, unter Beteiligung der
Spitzen des Weifenhauses, des bürgerlichen Hannover
unter Führung Menges und der lokalen NS-Prominenz.
Der aus Hannover stammende NSDAP-Gauleiter
und Reichserziehungsminister Rust propagierte den
neugestalteten Garten als großen Erfolg des NS-
Regimes mit den Worten: „die bewundernswürdige
Ordnung Herrenhausens [sei] symbolisch für die
neue innere und äußere Ordnung des deutschen
Vaterlandes. Und dass, wie dieser Garten, auch
Deutschland seinen großen Gärtner gefunden habe."
Eine anschließende Festwoche sah 500.000 Besucher,
Herrenhausen erwies sich als der große Magnet.'2
Sämtliche Grünprojekte konnten noch vor Kriegsbe-
ginn abgeschlossen und deshalb als Leistung des
NS-Regimes propagandistisch herausgestellt werden.
Die hannoversche Bevölkerung begrüßte die viel-
fältigen neuen oder umgestalteten Grünanlagen als
willkommene Erweiterung der Naherholungsmög-
lichkeiten. Ob tatsächlich alle Hannoveraner glei-
chermaßen profitierten oder z. B. Juden und Sinti nur
eingeschränkten Zugang hatten, konnte sich bislang
nicht quellengestützt klären lassen. Im Jahr 2009 hat
sich die überlebende jüdische Hannoveranerin Margot
Kleinberger an ihre Kindheit erinnert: „Überall hatten
sie jetzt Schilder ,Für Juden verboten' angebracht.
Sogar auf der Bank am Maschsee, auf der wir mit
unserem Kindermädchen so gerne gesessen hatten,
durften wir nicht mehr Platz nehmen."13 Vergleichbare
Erinnerungen anderer jüdischer Hannoveraner oder
hannoverscher Sinti sind allerdings nicht überliefert,
Verwaltungsakten, die solche Maßnahmen bestätigen
würden, ließen sich bislang nicht auffinden.
Aber selbst wenn Hannover nicht mit direkten Be-
nutzungsverboten für Grünanlagen hervorgetreten
sein sollte, so bleibt festzuhalten, dass mit den
Grünprojekten von der JADEGA bis zum Löns-Park
eine subtile Umsetzung der NS-Rassentheorie im
scheinbar ideologiefreien Raum des Stadtgrüns gelun-
gen war und sie durch populäre Vermarktung und
propagandistische Einbindung in die NS-Erfolge einen
Beitrag zur Legitimierung des Regimes unterhalb der
direkt politischen Ebene und damit zur Herstellung
der angestrebten „Volksgemeinschaft" leisteten. Man
mag dies für marginal halten, in den offiziellen Dar-
stellungen zur Stadtgeschichte wird dieser Aspekt
nicht behandelt.