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"Unter der GrasNarbe" <Veranstaltung, 2014, Hannover>; Schomann, Rainer [Editor]; Schormann, Michael Heinrich [Editor]; Wolschke-Bulmahn, Joachim [Editor]; Winghart, Stefan [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; VGH-Stiftung [Editor]; Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur [Editor]; Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Unter der GrasNarbe: Freiraumgestaltungen in Niedersachsen während der NS-Diktatur als denkmalpflegerisches Thema : Dokumentation der Tagung vom 26.-29. März 2014 in Hannover — Petersberg: Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG, Heft 45.2015

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Meiners, Uwe: „Die Gunst des Augenblicks": zur Gründungsgeschichte des Museumsdorfs Cloppenburg in den 1930er Jahren
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https://doi.org/10.11588/diglit.51271#0107
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Uwe Meiners
)ie Gunst des Augenblicks" - Zur Gründungsgeschichte des Museumsdorfs Cloppenburg in den 1930er Jahren

zufällt, verweist auf die Bedeutung, die dieser frühen
Dokumentationsaufgabe zugunsten des Heimatmuse-
ums eingeräumt wurde. Ganz in diesem Sinne fielen
denn auch die Beurteilungen aus, die dem Museum
anlässlich seines zehnjährigen Bestehens im März
1932 zuteil wurden. Es strahle eine „hohe Kultur"
aus, schrieb Diedrich Steilen in der Zeitschrift „Nie-
dersachsen", und den Fotografien des Bilderwerks
bescheinigte er eine außerordentliche Dokumenta-
tions-Qualität, die von der hohen Ästhetik einer „regi-
onalen Volkskunst" zeugte.17
Es ist nur zu verständlich, wenn Heinrich Ottenjann
solch anerkennende Worte beflügelten.18 Sein Be-
mühen um die heimatliche Kulturgeschichte hatte zu
Beginn der 1930er Jahre die fachliche Wertschätzung
und kulturpolitische Anerkennung gefunden, die zur
Umsetzung seiner ehrgeizigen Pläne - nämlich die
Gründung eines eigenständigen Freilichtmuseums zur
ländlich-bäuerlichen Kulturgeschichte - erforderlich
waren. Es darf auch nicht verwundern, dass eine auf
die Darstellung des „Heimatlichen" reduzierte Kul-
turgeschichte denjenigen sehr sympathisch war, die
im „bodenständigen Volkstum" die Chance für die
„Erneuerung nationaler Größe" sahen.19 Genau das
aber formulierte Gauleiter und Reichsstatthalter Carl
Rover, ganz im Sinne der Vorstellungswelt seiner in-
zwischen an die Macht gekommenen NSDAP, als er
den Cloppenburger Freilichtmuseumsgedanken im
Januar 1934 auf einer Museumskundgebung kraft
seines Amtes zu stärken versuchte:
„Dieses Herrliche, dass die Männer in Cloppen-
burg sich zum Ziel gesetzt, lohnt sich, deutsche
Männer und Frauen, zu unterstützen, damit uns
stets die Kraft erhalten bleibe, zu arbeiten im
Sinne unseres Vaterlandes, damit uns in schwe-
ren Zeiten der Glaube nicht verloren gehe an
Deutschland."20
Ob die Tragweite solcher Worte und die daraus re-
sultierenden Folgen demjenigen bewusst waren, der
sein Tun und Handeln eher als etwas politisch Wert-
freies verstand, darf bezweifelt werden.21 Ottenjann
teilte in den 1920er Jahren seine Grundhaltung mit
vielen, die in der Kulturarbeit tätig waren. Sie folg-
ten ihren Zielen, absolut loyal gegenüber ihrem Ar-
beitgeber, aber doch mit einer gewissen Verweige-
rungshaltung gegenüber republikanischen Idealen,
die ihnen im Grunde genommen fremd waren und
sich im Geiste mit Zielen verbanden, die als „kultur-
los" oder gar „undeutsch" galten. Hinzu traten indi-
viduelle Enttäuschungen, die dem gesellschaftlichen
System der Weimarer Republik und den spezifischen
Zeitumständen zur Last gelegt wurden. Der hohe Zu-
lauf, den die NSDAP ab den frühen 1930er Jahren vor
allem im nördlichen Oldenburger Land zu verzeichnen

hatte und der ihr bereits 1932 im Freistaat zur Macht
verhalf, resultierte unter anderem aus diesen Enttäu-
schungen, während umgekehrt die Sympathien, die
den neuen Machthabern entgegen gebracht wurden,
sich aus populären Entscheidungen entwickelten. Sie
sollten belegen, dass sich tatsächlich etwas zum Woh-
le der Bevölkerung änderte.
Davon sollte auch der bislang ehrenamtliche Muse-
umsleiter in Cloppenburg profitieren, und er schrieb
rückblickend begeistert:
„Was bis dahin unmöglich gewesen war, was bis
hierhin allen Bemühungen zum Trotz Jahre hin-
durch nicht hatte erreicht werden können, bot
jetzt auf einmal keine Schwierigkeit: der Leiter
des Museums wurde zunächst auf ein Jahr für die
Leitung und den weiteren Ausbau des Museums,
für eine systematische Durchführung der einge-
leiteten Forschungen vom Schuldienst befreit."22
Ottenjann ist begeistert, euphorisch. Die neuen
Machthaber, vor allem aber Gauleiter Carl Rover,
denken und agieren in seinem Sinne. Taktisch voraus-
schauend, ist Ottenjann bereits am 1. Mai 1933 der
NSDAP beigetreten.23 Alles scheint der Verwirklichung
seines großen Gedankens zuzuarbeiten. Die Gelegen-
heit ergibt sich, als Carl Rover am 3. Oktober 1933
in Begleitung des damaligen Ministerpräsidenten Joel
und des Staatsministers Pauly zu einer persönlichen
Ehrung nach Cloppenburg kommt und Ottenjann zur
Erläuterung seiner Pläne auffordert. Nach eigenen An-
gaben von dieser Offerte zunächst überrascht, entwi-
ckelt Ottenjann eine Vision, die bei allen Anwesenden
nachhaltigen Eindruck hinterlässt.24 Ab diesem Zeit-
punkt darf sich der ehrgeizige Philologe fortlaufender
Unterstützung gewiss sein, zumal Rover das Cloppen-
burger Vorhaben nunmehr zu seiner persönlichen An-
gelegenheit macht.25
Eine vom Anspruchsdenken verschiedener national-
sozialistischer Strömungen losgelöste, von politischen
Zwängen freie Museumsarbeit kann es freilich nun
nicht mehr geben.25 Abgesehen davon, dass die neu-
en Machthaber in Oldenburg eine erklärte Sympathie
für die volksnah operierende Bauernkulturforschung
haben, kommen ihnen die bereits existierenden Ak-
tivitäten im katholischen Oldenburger Münsterland
recht gelegen. Bietet sich doch die Gelegenheit, auf
der Grundlage akzeptierter kulturideologischer Mus-
ter Einfluss zu nehmen auf die Mentalitätsstrukturen
einer dem „Zentrum" nahestehenden Bevölkerung.
Es würde dem generellen Strategievermögen Otten-
janns widersprechen, wenn er die potentiellen Ein-
flussmöglichkeiten des Staates auf sein „Heimat-Frei-
lichtmuseum" nicht erkannt hätte. Er brauchte,
sollten seine ehrgeizigen Pläne verwirklicht werden,

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