Tobias Dobratz / Flavio Venturelli
Horst-Wessel-Denkmäler in Niedersachsen - Gefallenenkult und Propaganda in der NS-Freiraumgestaltung
193
entfernt, so gibt es hier noch deutliche Spuren. Die
von den Alliierten gesprengte Säule liegt heute fast
unangetastet im Waldgebiet. Lediglich das stählerne
Hakenkreuz wurde entfernt. Heutzutage besteht für
interessierte Bürger oder zufällige Betrachter keine
Möglichkeit, sich über die Geschichte des ehemaligen
Horst-Wessel-Denkmals und seiner Überreste hinrei-
chend zu informieren. Ein aktiver Umgang mit diesem
Ort fand scheinbar in den letzten Jahrzehnten nur in
ganz geringem Maße statt. So erhebt sich die Frage,
ob diese Strategie des „Nicht-Beachtens" einen ange-
messenen Umgang mit der Geschichte des Ortes dar-
stellt.
Anmerkungen
1 Maica Vierkant schlägt die Definition Wessels als „Goebbels
Prototyp des Märtyrers" vor. Siehe dazu: Maica Vierkant,
Märtyrer und Mythen, Horst Wessel und Rudolf Heß,
Nationalsozialistische Symbolfiguren und neonazistische
Mobilisierung, Marburg, Tectum Verlag, 2008, S. 56. Siehe
auch: Daniel Siemens, Horst Wessel - Tod und Verklärung
eines Nationalsozialisten, München, Siedler Verlag, 2009.
Imre Läzär, Der Fall Horst Wessel, Stuttgart, Belser, 1980.
2 Joachim Wolschke-Bulmahn, Landschaft und Gedächtnis.
Thingstätten und andere Orte der NS-Diktatur als Aufgabe
der Denkmalpflege, in: Jochen Martz und Joachim Wolschke-
Bulmahn (Hrsg.), Zwischen Jägerzaun und Größenwahn.
Freiraumgestaltung in Deutschland 1933-1945 (Abstracts
und Kurzvita zum Symposium aus Anlass des 75-jährigen
Jubiläums des Landesverbandes Bayern Nord e.V. im
Jubiläumsjahr 125 Jahre Bundesverband DGGL- Nürnberg,
19. bis 21. April 2012) CGL, Hannover, 2012, S.71
3 Siehe dazu: Gert Gröning, und Uwe Schneider (Hrsg.),
Gartenkultur und Nationale Identität. Strategien Nationaler
und Regionaler Identitätsstiftung in der deutschen Garten-
kultur, Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms, 2001.
Peter Fibich, Gedenkstätten, Mahnmale und Ehrenfried-
höfe für die Verfolgten des Nationalsozialismus. Ihre land-
schaftsarchitektonische Gestaltung in Deutschland 1945 bis
1960, Dissertation an der Technischen Universität Dresden,
Dresden, 1998.
4 Christian Fuhrmeister, Beton, Klinker, Granit: Material,
Macht, Politik: eine Materialikonographie, Verlag Bauwesen,
Berlin, 2001.
5 Siehe hierzu: Anm. 1. Sabine Behrenbeck, Der Kult um
die toten Helden. Nationalsozialistische Mythen, Riten und
Symbole, Vierow, SH-Verlag, 1996
6 Tobias Dobratz und Flavio Venturelli, Landschaft. Ideo-
logie. Macht. Der Horst-Wessel-Kult im Freiraum. National-
sozialismus und Nachkriegszeit als aktuelles Thema der
Gartendenkmalpflege (Bericht des Semesterprojektes, WS
2012/13, Betreuer: Prof. Dr. Joachim Wolschke-Bulmahn),
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, 2013.
7 Hans-Jörg Kühne, „Böse Orte". Unbeachtete Mahnmale
des Nationalsozialismus in Bielefeld, in: Ravensberger Blätter,
Aspekte des Nationalsozialismus in Bielefeld, Zweites Heft
2007, Organ des Historischen Vereins für die Grafschaft
Ravensberg e.V. (Hrsg.), Bielefeld, 2007, S. 39. Siehe auch:
Wolfgang Emer, Ein verschwundener Gedenktag - Der Horst-
Wessel-Kult am Beispiel Bielefeld, in: Geschichte Lernen, Heft
49, Friedrich Verlag, S. 22.
8 Wieland Giebel, Goebbels' Propaganda. „Das erwachende
Berlin" - Ein Fotobuch des NS-Agitators, Berlin, Berlin Story
Verlag, 2012. Julius Karl von Engelbrechten und Hans
Volz, Wir wandern durch das nationalsozialistische Berlin,
ein Führer durch die Gedenkstätten des Kampfes um die
Reichshauptstadt, München, Zentralverlag der NSDAP, 1937.
Reprint: Dresden, Winkelried-Verlag, 2007. Siehe auch:
Rüdiger Hackmann u.a. (Hrsg.), Berlin im Nationalsozialismus.
Politik und Gesellschaft 1933-1945 (Beiträge zur Geschichte
des Nationalsozialismus 27), Göttingen, Wallstein, 2011.
9 Julius Lippert, seit 1927 NSDAP-Mitglied, wurde später
„Staatskommissar für die Hauptstadt Berlin" und Ober-
bürgermeister der Reichshauptstadt. Siehe dazu: Christoph
Kreutzmüller und Michael Wildt, Ein Staatskommissar
"zur besonderen Verwendung": Julius Lippert, in: Rüdiger
Hackmann u.a. (Hrsg.), Berlin im Nationalsozialismus. Politik
und Gesellschaft 1933-1945 (Beiträge zur Geschichte des
Nationalsozialismus 27), Göttingen, Wallstein, 2011.
10 Tiefe Eingriffe in die Bausubstanz des gesamten Stadtteils
wurden umgesetzt. Bestehende Bauten wurden abgerissen
und durch neue Wohnblöcke für sozial schlechter Gestellte
ersetzt. So konnte in den Zeitungen davon berichtet wer-
den, wie „minderbemittelte Volksgenossen" durch diese
beispielhafte „Sanierung" anständige Wohnungen gefun-
den hätten, wozu es ohne das neue Regime nicht hätte
kommen können. Siehe hierzu: Volker Hübner, Christiane
Oehmig und Dirk Finkemeier, Rosa Luxemburg Platz in Berlin
Mitte. Dokumentation zur Geschichte der Platzgestaltung,
Archivrecherche, Denkmalpflegerische Einordnung und Be-
wertung des Bestandes der Vegetation und der Platzgestal-
tung, im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwick-
lung, Berlin März bis Juni 2001.
11 Siehe insbesondere: Bruno Huettchen, Vom Scheunen-
viertel zum Horst-Wessel-Platz, in: Berliner Volkszeitung
(1935, Erscheinungstag unlesbar) und Erich Frank, Wege
zur Altbausanierung, in: Zentralblatt der Bauverwaltung, 54
(1934), S. 572-576. Beide in: Landesarchiv Berlin, Akte 413
A Pr.Br.Rep. 057 - Der Stadtpräsident der Reichshauptstadt
Berlin, „Stadtplanung, Sanierung der Altstadt, Eingaben und
Projekte Berlin".
12 Das besetzte Haus wurde zum Sitz einiger preußischer
Ämter. In seinem Foyer sollte auch eine „Horst-Wessel-
Halle" mit Bildern von Gefallenen realisiert werden. Siehe
dazu: Huettchen 1935 (wie Anmerkung 11). Das Karl-
Liebknecht-Haus wurde unter der DDR saniert und als Sitz
von SED-Organisationen genutzt. Zur Geschichte des Karl-
Liebknecht-Hauses siehe: Die Linke (Hrsg.), Die Geschichte
des Karl-Liebknecht-Hauses, http://www.die-linke.de/index.
php?id=430, abgerufen am 07.03.2013.
13 Hübner, Oehmig und Finkemeier, 2001 (siehe Anmerkung.
11).
Horst-Wessel-Denkmäler in Niedersachsen - Gefallenenkult und Propaganda in der NS-Freiraumgestaltung
193
entfernt, so gibt es hier noch deutliche Spuren. Die
von den Alliierten gesprengte Säule liegt heute fast
unangetastet im Waldgebiet. Lediglich das stählerne
Hakenkreuz wurde entfernt. Heutzutage besteht für
interessierte Bürger oder zufällige Betrachter keine
Möglichkeit, sich über die Geschichte des ehemaligen
Horst-Wessel-Denkmals und seiner Überreste hinrei-
chend zu informieren. Ein aktiver Umgang mit diesem
Ort fand scheinbar in den letzten Jahrzehnten nur in
ganz geringem Maße statt. So erhebt sich die Frage,
ob diese Strategie des „Nicht-Beachtens" einen ange-
messenen Umgang mit der Geschichte des Ortes dar-
stellt.
Anmerkungen
1 Maica Vierkant schlägt die Definition Wessels als „Goebbels
Prototyp des Märtyrers" vor. Siehe dazu: Maica Vierkant,
Märtyrer und Mythen, Horst Wessel und Rudolf Heß,
Nationalsozialistische Symbolfiguren und neonazistische
Mobilisierung, Marburg, Tectum Verlag, 2008, S. 56. Siehe
auch: Daniel Siemens, Horst Wessel - Tod und Verklärung
eines Nationalsozialisten, München, Siedler Verlag, 2009.
Imre Läzär, Der Fall Horst Wessel, Stuttgart, Belser, 1980.
2 Joachim Wolschke-Bulmahn, Landschaft und Gedächtnis.
Thingstätten und andere Orte der NS-Diktatur als Aufgabe
der Denkmalpflege, in: Jochen Martz und Joachim Wolschke-
Bulmahn (Hrsg.), Zwischen Jägerzaun und Größenwahn.
Freiraumgestaltung in Deutschland 1933-1945 (Abstracts
und Kurzvita zum Symposium aus Anlass des 75-jährigen
Jubiläums des Landesverbandes Bayern Nord e.V. im
Jubiläumsjahr 125 Jahre Bundesverband DGGL- Nürnberg,
19. bis 21. April 2012) CGL, Hannover, 2012, S.71
3 Siehe dazu: Gert Gröning, und Uwe Schneider (Hrsg.),
Gartenkultur und Nationale Identität. Strategien Nationaler
und Regionaler Identitätsstiftung in der deutschen Garten-
kultur, Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms, 2001.
Peter Fibich, Gedenkstätten, Mahnmale und Ehrenfried-
höfe für die Verfolgten des Nationalsozialismus. Ihre land-
schaftsarchitektonische Gestaltung in Deutschland 1945 bis
1960, Dissertation an der Technischen Universität Dresden,
Dresden, 1998.
4 Christian Fuhrmeister, Beton, Klinker, Granit: Material,
Macht, Politik: eine Materialikonographie, Verlag Bauwesen,
Berlin, 2001.
5 Siehe hierzu: Anm. 1. Sabine Behrenbeck, Der Kult um
die toten Helden. Nationalsozialistische Mythen, Riten und
Symbole, Vierow, SH-Verlag, 1996
6 Tobias Dobratz und Flavio Venturelli, Landschaft. Ideo-
logie. Macht. Der Horst-Wessel-Kult im Freiraum. National-
sozialismus und Nachkriegszeit als aktuelles Thema der
Gartendenkmalpflege (Bericht des Semesterprojektes, WS
2012/13, Betreuer: Prof. Dr. Joachim Wolschke-Bulmahn),
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, 2013.
7 Hans-Jörg Kühne, „Böse Orte". Unbeachtete Mahnmale
des Nationalsozialismus in Bielefeld, in: Ravensberger Blätter,
Aspekte des Nationalsozialismus in Bielefeld, Zweites Heft
2007, Organ des Historischen Vereins für die Grafschaft
Ravensberg e.V. (Hrsg.), Bielefeld, 2007, S. 39. Siehe auch:
Wolfgang Emer, Ein verschwundener Gedenktag - Der Horst-
Wessel-Kult am Beispiel Bielefeld, in: Geschichte Lernen, Heft
49, Friedrich Verlag, S. 22.
8 Wieland Giebel, Goebbels' Propaganda. „Das erwachende
Berlin" - Ein Fotobuch des NS-Agitators, Berlin, Berlin Story
Verlag, 2012. Julius Karl von Engelbrechten und Hans
Volz, Wir wandern durch das nationalsozialistische Berlin,
ein Führer durch die Gedenkstätten des Kampfes um die
Reichshauptstadt, München, Zentralverlag der NSDAP, 1937.
Reprint: Dresden, Winkelried-Verlag, 2007. Siehe auch:
Rüdiger Hackmann u.a. (Hrsg.), Berlin im Nationalsozialismus.
Politik und Gesellschaft 1933-1945 (Beiträge zur Geschichte
des Nationalsozialismus 27), Göttingen, Wallstein, 2011.
9 Julius Lippert, seit 1927 NSDAP-Mitglied, wurde später
„Staatskommissar für die Hauptstadt Berlin" und Ober-
bürgermeister der Reichshauptstadt. Siehe dazu: Christoph
Kreutzmüller und Michael Wildt, Ein Staatskommissar
"zur besonderen Verwendung": Julius Lippert, in: Rüdiger
Hackmann u.a. (Hrsg.), Berlin im Nationalsozialismus. Politik
und Gesellschaft 1933-1945 (Beiträge zur Geschichte des
Nationalsozialismus 27), Göttingen, Wallstein, 2011.
10 Tiefe Eingriffe in die Bausubstanz des gesamten Stadtteils
wurden umgesetzt. Bestehende Bauten wurden abgerissen
und durch neue Wohnblöcke für sozial schlechter Gestellte
ersetzt. So konnte in den Zeitungen davon berichtet wer-
den, wie „minderbemittelte Volksgenossen" durch diese
beispielhafte „Sanierung" anständige Wohnungen gefun-
den hätten, wozu es ohne das neue Regime nicht hätte
kommen können. Siehe hierzu: Volker Hübner, Christiane
Oehmig und Dirk Finkemeier, Rosa Luxemburg Platz in Berlin
Mitte. Dokumentation zur Geschichte der Platzgestaltung,
Archivrecherche, Denkmalpflegerische Einordnung und Be-
wertung des Bestandes der Vegetation und der Platzgestal-
tung, im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwick-
lung, Berlin März bis Juni 2001.
11 Siehe insbesondere: Bruno Huettchen, Vom Scheunen-
viertel zum Horst-Wessel-Platz, in: Berliner Volkszeitung
(1935, Erscheinungstag unlesbar) und Erich Frank, Wege
zur Altbausanierung, in: Zentralblatt der Bauverwaltung, 54
(1934), S. 572-576. Beide in: Landesarchiv Berlin, Akte 413
A Pr.Br.Rep. 057 - Der Stadtpräsident der Reichshauptstadt
Berlin, „Stadtplanung, Sanierung der Altstadt, Eingaben und
Projekte Berlin".
12 Das besetzte Haus wurde zum Sitz einiger preußischer
Ämter. In seinem Foyer sollte auch eine „Horst-Wessel-
Halle" mit Bildern von Gefallenen realisiert werden. Siehe
dazu: Huettchen 1935 (wie Anmerkung 11). Das Karl-
Liebknecht-Haus wurde unter der DDR saniert und als Sitz
von SED-Organisationen genutzt. Zur Geschichte des Karl-
Liebknecht-Hauses siehe: Die Linke (Hrsg.), Die Geschichte
des Karl-Liebknecht-Hauses, http://www.die-linke.de/index.
php?id=430, abgerufen am 07.03.2013.
13 Hübner, Oehmig und Finkemeier, 2001 (siehe Anmerkung.
11).