der genannten Größenordnung. Und daß Vieweg für die bis-
herigen Bauarbeiten nicht nur beim Leihhaus, sondern auch
an anderer Stelle sich erheblich verschuldet hatte, war ihm
unbegreiflich. Außer den Kammeragenten zu bitten, sich mit
der Rückzahlung des Kapitals durch Vieweg zu gedulden,
unternahm er nichts. Das neue Gesuch Viewegs seinem
Herzog vorzulegen, wagte er nicht.
Wie verzweifelt Vieweg gewesen sein muß in dieser Situa-
tion, läßt sich an einem Zettel erkennen, auf dem er für das
Schreiben an den Herzog seine Baukosten ausrechnete. Ab-
gebrochene Zwischenrechnungen und fehlerhafte Additio-
nen dürften normalerweise nicht seine Art gewesen sein. Um
zu einem möglichst hohen Eigenanteil an den Baukosten zu
kommen, rechnet er die verbauten Ziegelsteine zum Markt-
preis, obwohl der Herzog ihm die Hälfte der Kosten erstat-
tete und rundet die Endsumme um 10 % auf. Seine dem Her-
zog genannten Aufwendungen für das Haus von 56400 rth
müßten um gut 15000 rth ermäßigt werden.
Ab Januar sind die Ausbauarbeiten voll im Gange. Tischler,
Glaser und der Lementirer stellen schon Abschlagsrechnun-
gen. Am 25. Februar bittet Vieweg den Herzog um 30 Fuder
volle Dielen, das wäre nur ein kleiner Teil der benötigten, und
um Wellerhölzer. Da statt des Doppelgebälks nur einfache
Balken gelegt worden wären, hätten mehrere Bauverstän-
dige ihm geraten, die Wellerhölzer doppelt zu legen und mit
Stroh zu umwickeln. Da er nun aus familiären Gründen für 14
Tage nach Berlin reisen müsse, könne er dort für den Herzog
Aufträge ausführen. Der Herzog schenkt ihm das erbetene
Holz und ordnet an, wenn dieses Baumaterial im Magazin
nicht vorrätig sei, solle es mit den ersten Flößen herunterge-
schafft werden.
Erst am 14. Juni und wohl auf Drängen des Kammeragenten
legt Henneberg seinem Herzog Viewegs Gesuch um ein wei-
teres Darlehen von 35000 rth vor. Das Gesuch sei ihm zwar
schon am 13. Januarüberreichtworden, begründet Henne-
berg die Verzögerung, aber wegen der vom Herzog vorge-
nommenen Kornankäufe, sei es damals absolut nicht mög-
lich gewesen, Vieweg zu helfen. In einer umfangreichen Stel-
lungnahme, in der er sich von Vieweg dadurch distanziert, in-
dem er dessen Name häufig durch das Wort „Supplikant" er-
setzt, weist er darauf hin, daß Vieweg sicher verloren wäre,
wenn er bei 5 % Zinsen in den Händen des Kammeragenten
Israel Jacobssohn bliebe und der Herzog nicht helfen würde.
Inzwischen scheine die Gefahr eines Verlustes bei weiterer
Hilfe nicht mehr vorhanden zu sein. Für die gesamte Anleihe
von 70000 rth sei eine hinreichende Sicherheit vorhanden.
Auch die Verzinsung des Kapitals mit 2100 rth bei 3 % Zinsen
auf 70000 rth und eine jährliche Tilgung von 1000 rth sei ge-
währleistet, da die Ziegelei einen jährlichen Überschuß von
3000 rth erwarten ließe und Vieweg dazu noch eine ansehn-
liche Miete aus seinem Hause ziehen könne. Bekanntlich sei
der Schwiegervater, der Schulrat Campe, ein sehr wohlha-
bender Mann und wenn dieser für den jährlichen Abtrag, die
Zinsen und was je an dem Kapital verloren gehen könnte,
bürge, könne Vieweg geholfen werden.
Auch der Herzog reagiert nicht gleich. Vieweg, wohl um gute
Stimmung seines Herzogs bemüht, läßt ihm am 5. Juli zwei
neue Versuche seines Gewerbefleißes übergeben. Es han-
delt sich einmal um einen Almanac des Ambassades für Di-
plomaten und Geschäftsleute, für den ein Bedürfnis vorhan-
den zu sein scheint. Das andere ist ein Flachrelief aus ge-
branntem Ton, das sich zu Öfen und anderen Verzierungen
so gut verarbeiten ließe, daß Vieweg darin einen neuen Zweig
seiner Ziegelfabrik sehe. Erweist daraufhin, daß erfür dieses
Flachrelief eine abgenutzte Kinklersche Form verwandte und
deshalb die Umrisse und Falten der Gewänder nicht so
scharf und deutlich hervortreten. Wahrscheinlich benutzte
Vieweg dazu eine Form des englischen Bildhauers Charles
King, der in Berlin als Hofbildhauer des Königs Friedrich I.
von Preußen tätig war. Drei Tage später fragt Vieweg besorgt
bei Henneberg an, wodurch er sich die Ungnade des Her-
zogs zugezogen habe. Für die vor einigen Tagen dem Her-
zog zugeleiteten neuen Erzeugnisse seines Gewerbefleißes
habe er noch keine Anerkennung erhalten.
Inzwischen muß sich Viewegs prekäre Lage herumgespro-
chen haben. Noch ehe der Herzog über das neue Darlehens-
gesuch entschieden hat, werden Vieweg am 26. Juli von der
fürstlichen Leihhaus-Kommission alle bisher gewährten Dar-
lehen gekündigt. Mit der Begründung, daß die Frist zur Be-
stallung der verlangten Hypothek über 35000 rth ohne Wir-
kung längst zu Ende gegangen sei, soll er 10000 rth binnen
8 Tagen und die übrigen 25000 rth samt Zinsen binnen
8 Wochen zurückzahlen. Würde Vieweg diese Fristen nicht
einhalten, soll sofort Klage erhoben werden.
Henneberg nimmt diese Kündigung nicht sehr ernst. Nach
Rücksprache mit der Leihhaus-Kommission kann er dem
Herzog versichern, daß das Leihhaus auf die angebotene Si-
cherheit für eine Anleihe bis zu einer Summe von 70000 rth
keine Bedenken habe. Der Herzog erteilt dann der Leihhaus-
Kommission am 1. August den Auftrag, das neue Darlehen
unter den von Henneberg genannten Bedingungen auszu-
zahlen. Von dem freigegebenen Betrag erhält der Kammera-
gent Jacobssohn sofort seine 15000 rth zurück.
Henneberg muß sich danach um die Besetzung der Hofbau-
meister-Stelle bemühen. Er läßt Nachrichten über geeignete
Bewerber einholen und überprüft Empfehlungen. In seinem
Bericht darüber vom 5. September an den Herzog läßt er ein-
fließen, daß auch der Buchhändler Vieweg in einem (noch
nicht aufgefundenen) Schreiben auf einen Kammerrat Krähe
zu Koblenz aufmerksam macht, der besonders für diese
Stelle qualifiziert zu sein scheint. Der besondere Hinweis,
auch Gilly zu Berlin stütze diesen Mann sehr und das Hen/or-
heben Peter Joseph Krahes gegenüber den anderen Inter-
essenten, läßt schon keinen Zweifel an der Entscheidung
des Herzogs zu. Der Kammerrat Krähe wird am fürstlichen
Hof angestellt. Noch ist nicht zu erkennen, daß Vieweg sich
mit dieser Empfehlung in naher Zukunft sehr nützen würde.
Die Ausbauarbeiten im Viewegschen Haus werden bis zum
Jahresende intensiv und ohne Unterbrechung ausgeführt.
Am 29. Oktober erhält Vieweg eine fürstliche Resolution,
nach der er aus dem Zeughaus entnommene Eichenbohlen
entweder sofort zurückzubringen oder diese spätestens
nach acht Tagen nach dem richtigen Wert zu bezahlen habe.
Was war geschehen?
Vieweg benötigte für seinen Treppenbau Eichenbohlen und
hatte den Herzog ersucht, ihm diese zu einem Preis von 16
Groschen je Fuß abzugeben. Bevor über dieses Gesuch ent-
schieden wurde, ließ Vieweg die benötigten Bohlen durch
Sachverständige aus dem im Magazin vorhandenen Vorrat
aussortieren und abfahren. Er bezahlte auch nur den bean-
tragten Preis und nicht den etwa zweieinhalb mal so hohen
wirklichen Wert des Holzes. In seiner Rechtfertigung gegen-
über dem Herzog weist Vieweg darauf hin, daß er es nicht
nötig gehabt hätte, die teureren und dickeren Bohlen aus
dem Zeughaus zu nehmen, wenn im fürstlichen Baumagazin
brauchbare zweizöllige Bohlen vorhanden gewesen wären.
So hätte er den zusätzlichen Schneidelohn noch bezahlen
müssen. Seine Einlassungen haben Erfolg und der Herzog
schenkt ihm sämtliche Eichenbohlen für den Treppenbau.
Diese Auseinandersetzung über Menge, Qualität, Abmes-
sungen und Preis der für den Treppenbau benötigten Ei-
chenbohlen hat den unschätzbaren Vorteil, daß zusammen
mit den überlieferten Rechnungen des Sägers und des
Tischlers ein eindeutiges Bild über die im Viewegschen Bau
eingebauten Treppen gewonnen werden kann.
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herigen Bauarbeiten nicht nur beim Leihhaus, sondern auch
an anderer Stelle sich erheblich verschuldet hatte, war ihm
unbegreiflich. Außer den Kammeragenten zu bitten, sich mit
der Rückzahlung des Kapitals durch Vieweg zu gedulden,
unternahm er nichts. Das neue Gesuch Viewegs seinem
Herzog vorzulegen, wagte er nicht.
Wie verzweifelt Vieweg gewesen sein muß in dieser Situa-
tion, läßt sich an einem Zettel erkennen, auf dem er für das
Schreiben an den Herzog seine Baukosten ausrechnete. Ab-
gebrochene Zwischenrechnungen und fehlerhafte Additio-
nen dürften normalerweise nicht seine Art gewesen sein. Um
zu einem möglichst hohen Eigenanteil an den Baukosten zu
kommen, rechnet er die verbauten Ziegelsteine zum Markt-
preis, obwohl der Herzog ihm die Hälfte der Kosten erstat-
tete und rundet die Endsumme um 10 % auf. Seine dem Her-
zog genannten Aufwendungen für das Haus von 56400 rth
müßten um gut 15000 rth ermäßigt werden.
Ab Januar sind die Ausbauarbeiten voll im Gange. Tischler,
Glaser und der Lementirer stellen schon Abschlagsrechnun-
gen. Am 25. Februar bittet Vieweg den Herzog um 30 Fuder
volle Dielen, das wäre nur ein kleiner Teil der benötigten, und
um Wellerhölzer. Da statt des Doppelgebälks nur einfache
Balken gelegt worden wären, hätten mehrere Bauverstän-
dige ihm geraten, die Wellerhölzer doppelt zu legen und mit
Stroh zu umwickeln. Da er nun aus familiären Gründen für 14
Tage nach Berlin reisen müsse, könne er dort für den Herzog
Aufträge ausführen. Der Herzog schenkt ihm das erbetene
Holz und ordnet an, wenn dieses Baumaterial im Magazin
nicht vorrätig sei, solle es mit den ersten Flößen herunterge-
schafft werden.
Erst am 14. Juni und wohl auf Drängen des Kammeragenten
legt Henneberg seinem Herzog Viewegs Gesuch um ein wei-
teres Darlehen von 35000 rth vor. Das Gesuch sei ihm zwar
schon am 13. Januarüberreichtworden, begründet Henne-
berg die Verzögerung, aber wegen der vom Herzog vorge-
nommenen Kornankäufe, sei es damals absolut nicht mög-
lich gewesen, Vieweg zu helfen. In einer umfangreichen Stel-
lungnahme, in der er sich von Vieweg dadurch distanziert, in-
dem er dessen Name häufig durch das Wort „Supplikant" er-
setzt, weist er darauf hin, daß Vieweg sicher verloren wäre,
wenn er bei 5 % Zinsen in den Händen des Kammeragenten
Israel Jacobssohn bliebe und der Herzog nicht helfen würde.
Inzwischen scheine die Gefahr eines Verlustes bei weiterer
Hilfe nicht mehr vorhanden zu sein. Für die gesamte Anleihe
von 70000 rth sei eine hinreichende Sicherheit vorhanden.
Auch die Verzinsung des Kapitals mit 2100 rth bei 3 % Zinsen
auf 70000 rth und eine jährliche Tilgung von 1000 rth sei ge-
währleistet, da die Ziegelei einen jährlichen Überschuß von
3000 rth erwarten ließe und Vieweg dazu noch eine ansehn-
liche Miete aus seinem Hause ziehen könne. Bekanntlich sei
der Schwiegervater, der Schulrat Campe, ein sehr wohlha-
bender Mann und wenn dieser für den jährlichen Abtrag, die
Zinsen und was je an dem Kapital verloren gehen könnte,
bürge, könne Vieweg geholfen werden.
Auch der Herzog reagiert nicht gleich. Vieweg, wohl um gute
Stimmung seines Herzogs bemüht, läßt ihm am 5. Juli zwei
neue Versuche seines Gewerbefleißes übergeben. Es han-
delt sich einmal um einen Almanac des Ambassades für Di-
plomaten und Geschäftsleute, für den ein Bedürfnis vorhan-
den zu sein scheint. Das andere ist ein Flachrelief aus ge-
branntem Ton, das sich zu Öfen und anderen Verzierungen
so gut verarbeiten ließe, daß Vieweg darin einen neuen Zweig
seiner Ziegelfabrik sehe. Erweist daraufhin, daß erfür dieses
Flachrelief eine abgenutzte Kinklersche Form verwandte und
deshalb die Umrisse und Falten der Gewänder nicht so
scharf und deutlich hervortreten. Wahrscheinlich benutzte
Vieweg dazu eine Form des englischen Bildhauers Charles
King, der in Berlin als Hofbildhauer des Königs Friedrich I.
von Preußen tätig war. Drei Tage später fragt Vieweg besorgt
bei Henneberg an, wodurch er sich die Ungnade des Her-
zogs zugezogen habe. Für die vor einigen Tagen dem Her-
zog zugeleiteten neuen Erzeugnisse seines Gewerbefleißes
habe er noch keine Anerkennung erhalten.
Inzwischen muß sich Viewegs prekäre Lage herumgespro-
chen haben. Noch ehe der Herzog über das neue Darlehens-
gesuch entschieden hat, werden Vieweg am 26. Juli von der
fürstlichen Leihhaus-Kommission alle bisher gewährten Dar-
lehen gekündigt. Mit der Begründung, daß die Frist zur Be-
stallung der verlangten Hypothek über 35000 rth ohne Wir-
kung längst zu Ende gegangen sei, soll er 10000 rth binnen
8 Tagen und die übrigen 25000 rth samt Zinsen binnen
8 Wochen zurückzahlen. Würde Vieweg diese Fristen nicht
einhalten, soll sofort Klage erhoben werden.
Henneberg nimmt diese Kündigung nicht sehr ernst. Nach
Rücksprache mit der Leihhaus-Kommission kann er dem
Herzog versichern, daß das Leihhaus auf die angebotene Si-
cherheit für eine Anleihe bis zu einer Summe von 70000 rth
keine Bedenken habe. Der Herzog erteilt dann der Leihhaus-
Kommission am 1. August den Auftrag, das neue Darlehen
unter den von Henneberg genannten Bedingungen auszu-
zahlen. Von dem freigegebenen Betrag erhält der Kammera-
gent Jacobssohn sofort seine 15000 rth zurück.
Henneberg muß sich danach um die Besetzung der Hofbau-
meister-Stelle bemühen. Er läßt Nachrichten über geeignete
Bewerber einholen und überprüft Empfehlungen. In seinem
Bericht darüber vom 5. September an den Herzog läßt er ein-
fließen, daß auch der Buchhändler Vieweg in einem (noch
nicht aufgefundenen) Schreiben auf einen Kammerrat Krähe
zu Koblenz aufmerksam macht, der besonders für diese
Stelle qualifiziert zu sein scheint. Der besondere Hinweis,
auch Gilly zu Berlin stütze diesen Mann sehr und das Hen/or-
heben Peter Joseph Krahes gegenüber den anderen Inter-
essenten, läßt schon keinen Zweifel an der Entscheidung
des Herzogs zu. Der Kammerrat Krähe wird am fürstlichen
Hof angestellt. Noch ist nicht zu erkennen, daß Vieweg sich
mit dieser Empfehlung in naher Zukunft sehr nützen würde.
Die Ausbauarbeiten im Viewegschen Haus werden bis zum
Jahresende intensiv und ohne Unterbrechung ausgeführt.
Am 29. Oktober erhält Vieweg eine fürstliche Resolution,
nach der er aus dem Zeughaus entnommene Eichenbohlen
entweder sofort zurückzubringen oder diese spätestens
nach acht Tagen nach dem richtigen Wert zu bezahlen habe.
Was war geschehen?
Vieweg benötigte für seinen Treppenbau Eichenbohlen und
hatte den Herzog ersucht, ihm diese zu einem Preis von 16
Groschen je Fuß abzugeben. Bevor über dieses Gesuch ent-
schieden wurde, ließ Vieweg die benötigten Bohlen durch
Sachverständige aus dem im Magazin vorhandenen Vorrat
aussortieren und abfahren. Er bezahlte auch nur den bean-
tragten Preis und nicht den etwa zweieinhalb mal so hohen
wirklichen Wert des Holzes. In seiner Rechtfertigung gegen-
über dem Herzog weist Vieweg darauf hin, daß er es nicht
nötig gehabt hätte, die teureren und dickeren Bohlen aus
dem Zeughaus zu nehmen, wenn im fürstlichen Baumagazin
brauchbare zweizöllige Bohlen vorhanden gewesen wären.
So hätte er den zusätzlichen Schneidelohn noch bezahlen
müssen. Seine Einlassungen haben Erfolg und der Herzog
schenkt ihm sämtliche Eichenbohlen für den Treppenbau.
Diese Auseinandersetzung über Menge, Qualität, Abmes-
sungen und Preis der für den Treppenbau benötigten Ei-
chenbohlen hat den unschätzbaren Vorteil, daß zusammen
mit den überlieferten Rechnungen des Sägers und des
Tischlers ein eindeutiges Bild über die im Viewegschen Bau
eingebauten Treppen gewonnen werden kann.
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