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Änderungsvorschlag
zur Südfassade
aus der Bauvorlage
von Eduard Vieweg
1863.
Niedersächsisches
Staatsarchiv
Wolfenbüttel.
Schon am 25. Juni empfiehlt sich Benedict Jäger in den
Braunschweigischen Anzeigen als Schweizerbäcker „mit al-
len Sorten Konfitüre, Gebackenen, Wein etc. Man kann auch
zu allen Zeiten bei ihm speisen, und Lachs, hamburger
Rauchfleisch etc. haben“. Die Kellerräume zum Papenstieg
hin werden am 13. Mai an den Zichorienfabrikanten Ludwig
Otto Bleibtreu vermietet. Vorbehalte über einen eventuellen
Hausverkauf in den Mietverträgen geben einen Hinweis auf
Viewegs Unsicherheit, ob er weiter in der Lage sein wird, das
Haus zu halten.
Der überwiegende Teil des Hauses ist aber an Einrichtungen
der französischen Verwaltung vermietet. Wie zu jener Zeit
üblich, wird es sich jeweils um die Wohnung und die Dienst-
räume der Beamten gehandelt haben. Neben dem Bureau
des General-Receveur des Distrikts von Braunschweig,
Herrn Negrel, das alle Werktage von 10 bis 14 Uhr geöffnet
ist und dem Stempelbureau des Direktors der indirekten
Steuern Bernard ist Herr Mercier, der General-Commissair
der hohen Polizei im Departement als Nutzer nachzuweisen.
Im 3. Obergeschoß wohnt der Chevalier Dubois, Eskadron-
chef im 2. Kaiserlich französischen Kuirassierregimente. Das
französische Regime hat von Anfang an die Steuerbelastung
für die Bevölkerung erhöht. Als besonders einträglich wurde
die als indirekte Steuer bezeichnete Verbrauchssteuer ein-
geführt. Diese Steuerart hatte den Vorteil, daß sie kurzfristig
erhöht und auf immer mehr Waren ausgedehnt werden
konnte, wie es kurz vor Beginn des französischen Feldzugs
gegen Rußland nötig war. Als Nachweis für gezahlte Steuern
galten Stempelpapiere, die im Steuerbüro gekauft werden
mußten. Die Folge war ein immer stärker zunehmender Pu-
blikumsverkehr im Viewegschen Hause für den auch die Öff-
nungszeiten der Steuerbüros verlängert werden mußten.
1809 wurde eine Anleihe von 150000 Taler für den Ausbau
des herzoglichen Schlosses zum Königsschloß ausge-
schrieben . Schon im April werden unter der Leitung des Bau-
direktors Krähe Maurerarbeiten ausgeführt. Die dazu benö-
tigten Ziegelsteine, Biberschwänze und Dachziegel liefert die
Viewegsche Ziegelhütte nicht ganz freiwillig. Anscheinend ist
die gesamte Produktion für den Schloßbau beschlagnahmt
worden, denn als Vieweg 250 Steine für sich selber benötigt,
muß er Krähe dazu um Erlaubnis bitten.
Sicher auf Vermittlung Krahes, der damit eine Dankesschuld
ablösen kann, aber möglicherweise auch mit Unterstützung
Hennebergs, der jetzt Präfekt des Oker-Departements ist,
wird Vieweg Mitglied der Schloßbau-Kommission. Seine ge-
schäftlichen Verbindungen nach Berlin und Paris werden be-
nötigt, um die Ausstattung des Schlosses zu besorgen. Er
wird mit der Auswahl und dem Ankauf von Fußdecken und
Kronleuchtern, aber auch von Waschtischen und Bidets be-
auftragt. Diese Stellung gibt Vieweg wieder Ansehen und Be-
deutung, zumal er auch für seinen Aufgabenbereich die Bau-
gelder verwaltet. Die Lieferanten reden ihn mit „Municipal
Rath“ an. Aber besonders einträglich wird diese Aufgabe
nicht gewesen sein und seine finanziellen Sorgen in der kur-
zen Zeit dieserTätigkeit nicht beseitigt haben. Seine Anzeige
in den Braunschweigischen Anzeigen vom Januar 1811 „Im
Viewegschen Hause auf der Burg große und kleine Logis“
klingt wie ein Hilfeschrei.
Mit dem Kriegseintritt Österreichs am 12. August 1813 ist
das Ende des französischen Regimes nahe. Am 25. Sep-
tember wird Braunschweig durch ein preußisches Streif-
korps eingenommen, am 6. November im Namen des Her-
zogs Friedrich Wilhelm, dem Nachfolger des 1806 gefallenen
Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand, in Besitz genommen. Der
Einzug des Herzogs erfolgt am 22. Dezember.
Viewegs Probleme wurden durch den abermaligen Macht-
wechsel eher größer als kleiner. Zwar wurden weder sein
Haus noch die Steuerbüros in seinem Hause von Braun-
schweiger Bürgern geplündert, wie es dem Steuereinneh-
mer Jürgens mit seinem Haus am Tage des Machtwechsels
geschah. Dazu hatte man wohl vor ihm zuviel Respekt in der
Stadt. Auch der überstürzte Auszug der französischen Be-
amten aus seinem Hause, zum Teil unter Zurücklassung der
gesamten Habe, war nur eine Episode. Besondere Veranlas-
sung hatte sicher der General-Einnehmer d’Arbaud, dessen
Effekten im März 1814 versteigert wurden. Die Vermietung
der jetzt freiwerdenden Wohnungen machte auch keine
Schwierigkeiten. Die Probleme lagen auf einer anderen
Ebene.
Vieweg hatte seit seinem Umzug nach Braunschweig durch
den Herzog Karl Wilhelm Ferdinand eine Förderung erfahren,
wie sie sicher keinem anderen Bürger im Herzogtum zuteil
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Änderungsvorschlag
zur Südfassade
aus der Bauvorlage
von Eduard Vieweg
1863.
Niedersächsisches
Staatsarchiv
Wolfenbüttel.
Schon am 25. Juni empfiehlt sich Benedict Jäger in den
Braunschweigischen Anzeigen als Schweizerbäcker „mit al-
len Sorten Konfitüre, Gebackenen, Wein etc. Man kann auch
zu allen Zeiten bei ihm speisen, und Lachs, hamburger
Rauchfleisch etc. haben“. Die Kellerräume zum Papenstieg
hin werden am 13. Mai an den Zichorienfabrikanten Ludwig
Otto Bleibtreu vermietet. Vorbehalte über einen eventuellen
Hausverkauf in den Mietverträgen geben einen Hinweis auf
Viewegs Unsicherheit, ob er weiter in der Lage sein wird, das
Haus zu halten.
Der überwiegende Teil des Hauses ist aber an Einrichtungen
der französischen Verwaltung vermietet. Wie zu jener Zeit
üblich, wird es sich jeweils um die Wohnung und die Dienst-
räume der Beamten gehandelt haben. Neben dem Bureau
des General-Receveur des Distrikts von Braunschweig,
Herrn Negrel, das alle Werktage von 10 bis 14 Uhr geöffnet
ist und dem Stempelbureau des Direktors der indirekten
Steuern Bernard ist Herr Mercier, der General-Commissair
der hohen Polizei im Departement als Nutzer nachzuweisen.
Im 3. Obergeschoß wohnt der Chevalier Dubois, Eskadron-
chef im 2. Kaiserlich französischen Kuirassierregimente. Das
französische Regime hat von Anfang an die Steuerbelastung
für die Bevölkerung erhöht. Als besonders einträglich wurde
die als indirekte Steuer bezeichnete Verbrauchssteuer ein-
geführt. Diese Steuerart hatte den Vorteil, daß sie kurzfristig
erhöht und auf immer mehr Waren ausgedehnt werden
konnte, wie es kurz vor Beginn des französischen Feldzugs
gegen Rußland nötig war. Als Nachweis für gezahlte Steuern
galten Stempelpapiere, die im Steuerbüro gekauft werden
mußten. Die Folge war ein immer stärker zunehmender Pu-
blikumsverkehr im Viewegschen Hause für den auch die Öff-
nungszeiten der Steuerbüros verlängert werden mußten.
1809 wurde eine Anleihe von 150000 Taler für den Ausbau
des herzoglichen Schlosses zum Königsschloß ausge-
schrieben . Schon im April werden unter der Leitung des Bau-
direktors Krähe Maurerarbeiten ausgeführt. Die dazu benö-
tigten Ziegelsteine, Biberschwänze und Dachziegel liefert die
Viewegsche Ziegelhütte nicht ganz freiwillig. Anscheinend ist
die gesamte Produktion für den Schloßbau beschlagnahmt
worden, denn als Vieweg 250 Steine für sich selber benötigt,
muß er Krähe dazu um Erlaubnis bitten.
Sicher auf Vermittlung Krahes, der damit eine Dankesschuld
ablösen kann, aber möglicherweise auch mit Unterstützung
Hennebergs, der jetzt Präfekt des Oker-Departements ist,
wird Vieweg Mitglied der Schloßbau-Kommission. Seine ge-
schäftlichen Verbindungen nach Berlin und Paris werden be-
nötigt, um die Ausstattung des Schlosses zu besorgen. Er
wird mit der Auswahl und dem Ankauf von Fußdecken und
Kronleuchtern, aber auch von Waschtischen und Bidets be-
auftragt. Diese Stellung gibt Vieweg wieder Ansehen und Be-
deutung, zumal er auch für seinen Aufgabenbereich die Bau-
gelder verwaltet. Die Lieferanten reden ihn mit „Municipal
Rath“ an. Aber besonders einträglich wird diese Aufgabe
nicht gewesen sein und seine finanziellen Sorgen in der kur-
zen Zeit dieserTätigkeit nicht beseitigt haben. Seine Anzeige
in den Braunschweigischen Anzeigen vom Januar 1811 „Im
Viewegschen Hause auf der Burg große und kleine Logis“
klingt wie ein Hilfeschrei.
Mit dem Kriegseintritt Österreichs am 12. August 1813 ist
das Ende des französischen Regimes nahe. Am 25. Sep-
tember wird Braunschweig durch ein preußisches Streif-
korps eingenommen, am 6. November im Namen des Her-
zogs Friedrich Wilhelm, dem Nachfolger des 1806 gefallenen
Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand, in Besitz genommen. Der
Einzug des Herzogs erfolgt am 22. Dezember.
Viewegs Probleme wurden durch den abermaligen Macht-
wechsel eher größer als kleiner. Zwar wurden weder sein
Haus noch die Steuerbüros in seinem Hause von Braun-
schweiger Bürgern geplündert, wie es dem Steuereinneh-
mer Jürgens mit seinem Haus am Tage des Machtwechsels
geschah. Dazu hatte man wohl vor ihm zuviel Respekt in der
Stadt. Auch der überstürzte Auszug der französischen Be-
amten aus seinem Hause, zum Teil unter Zurücklassung der
gesamten Habe, war nur eine Episode. Besondere Veranlas-
sung hatte sicher der General-Einnehmer d’Arbaud, dessen
Effekten im März 1814 versteigert wurden. Die Vermietung
der jetzt freiwerdenden Wohnungen machte auch keine
Schwierigkeiten. Die Probleme lagen auf einer anderen
Ebene.
Vieweg hatte seit seinem Umzug nach Braunschweig durch
den Herzog Karl Wilhelm Ferdinand eine Förderung erfahren,
wie sie sicher keinem anderen Bürger im Herzogtum zuteil
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